> Gedichte und Zitate für alle: Gedichte von Johann W.L.Gleim: Die Reue (46)

2016-05-20

Gedichte von Johann W.L.Gleim: Die Reue (46)



Die Reue

Doris, sieh, die falben Blätter,
Sieh, hier werden sie zu Leichen!
Wilst du nicht den Herbst verachten?
Sieh, er raubt uns Laub und Schatten,
Und die Sänger, auf den Zweigen,
Jagt er aus den grünen Zellen
In die Ritzen hohler Klippen!
Werden sie nun noch wol singen?
Doris, nein, sie werden schweigen,
Und sie haben schon geschwiegen,
Als du gestern früh, im Garten,
Mich mit tausend Küssen labtest.
O wir werden ihre Lieder
Küssend wünschen und nicht hören.
O wie lange wird es währen,
Daß sie froh zu deinen Küssen
Ihre Lieder wieder singen?
Engel, ietzt empfinde Reue;
Denn, am zwanzigsten des Maien,
Als dich Nachtigallen lokkten,
Woltest du nicht immer küssen!
Wenn sie künftig wieder lokken,
Wilst du dann nicht immer küssen?

alle Gedichte von Gleim                                                                                                             weiter

Keine Kommentare: