Berlin, den 9. März 1816.
Ich habe abermal schwere Arbeit bekommen. Mein jüngster Sohn ist am 17. vorigen Monats in Saint Michel an der Aisne am Nervenfieber gestorben, nachdem er die blutigsten Schlachten mitgefochten, ohne verwundet zu werden. In der letzten Affäre bei Versailles ist er gefangen worden. Zwei preußische Kavallerieregimenter fochten gegen 7 französische Kavallerieregimenter und 4 Infanterieregimenter. Er verlor sein Pferd und ist gesund geblieben. In seinem sechszehnten Jahre! Der schöne Knabe! Wie werde ich’s überwinden?
Seit den sieben Tagen, da ich die Nachricht von seinem Rittmeister habe, habe ich mich in die Arbeit geworfen und schreibe Noten ab, und des Abends gehe ich ins Schauspiel, da mir das Schreiben bei Lichte Augenschmerzen macht. Laß mich doch etwas von Dir wissen; es ist doch wohl zu lange, daß ich keine Nachricht von Dir habe.
Kennst Du denn schon das neue Produkt von Kotzebue: »Der Schutzgeist«? Es hat mit dem Prologe, der so lang ist wie ein Akt, sieben Akte und spielt gegen fünf Stunden. Das Stück kommt mir vor wie eine heutige Klaviersonate: es ist alles drin, was Effekt und lange Weile machen kann. Kaiser, Könige, Markgraf, Herzog, Geister, Geistliche, Hochzeit, Grab, Mord, Brand und dergleichen sind in einen Brei durcheinander gewürfelt, um nichts und wieder nichts. Die Großen sind wieder wie sonst nach seiner Art — gemeines Pack, und der Pöbel äußert edle Gesinnungen, und so wird man erbaut, jedes nach seiner Art.
Chladni geht unbefriedigt von hier weg. Ich bedaure, daß wir diesen Mann nicht hier behalten.
Ich denke diesen Sommer wieder nach Wiesbaden zu gehn. Vorher will ich jedoch zwei von meinen Töchtern verheiraten. Julie heiratet einen tüchtigen jungen Landwirt und Henriette einen guten Schreibmeister.
Lebe wohl, ich kann nicht mehr schreiben, wenn der Brief noch auf die Post soll! Ewig Dein
Zelter.
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