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2016-12-10

M.G.Lichtwer-Fabeln- Der Hamster (8)



Der Hamster

Es der schnöde Geiz bei einem Hamster ein,
nie mag ein Tier so karg wie er gewesen sein.
Er schwatzte stets von Korn und träumte nur von Garben,
sein Abgott war Gewinst, sein Zweck, sich reich zu darben.
Der Bissen tat ihm weh, den er des Tages aß,
die Früchte schmeckten ihm, die er nicht selbst besaß,
und endlich ließ der Filz sein Weib vor Hunger sterben,
er tat es, o des Schimpfs, um mehr von ihr zu erben.
Er ward im Hamsterrat auch peinlich angeklagt,
die Mordtat im Verhör von Zeugen ausgesagt,
und von dem Täter selbst in den verjährten Banden
vielleicht aus Überdruß freiwillig eingestanden.
Man ließ, was fehlte mehr? den Rechten ihren Lauf,
und viele knüpften ihn schon in Gedanken auf,
so sicher schien sein Tod. Allein das Urteil wollte,
daß er sofort der Haft entlassen werden sollte,
und weil, so schloß es sich, Beklagter selbst bekannt,
daß seine Frau den Tod durch seine Kargheit fand,
so werden ihm von uns, sich besser zu verpflegen,
zwei Scheffel Korn geschenkt, und das von Rechtes wegen.

Die ganze Hamsterwelt ward auf die Richter toll,
wer ist des Todes wert, wenn dieser leben soll?
Macht man den Frauenmord zu einem Mitteldinge,
beschenkt man einen Schelm, der noch zu gnädig hinge?
So sagte jedermann, der Geizhals läßt sie schrein,
er scharret das Geschenk in seine Speicher ein,
er ißt vor Geiz nicht mehr, die Furcht wehrt seinem Schlafe,
er starb bei seinem Schatz, und das war seine Strafe.


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