> Gedichte und Zitate für alle: Briefwechsel J.W.v.Goethe und C.F.Zelter: An Goethe 12.04.1825 (453)

2017-01-30

Briefwechsel J.W.v.Goethe und C.F.Zelter: An Goethe 12.04.1825 (453)



454. An Goethe 12.04.1825

Berlin, den 12. April 1825. 

Hier, mein Guter, ein Blatt für Freund Coudray, das meine Gedanken über seine Fragen enthält.

Chladni, der eben hier ist, findet solche auch seinem Sinne gemäß und bezeugt zugleich seine akustische Zufriedenheit mit dem Königsstädt’schen Theater.

Hier wiederhole, daß der Klang nach meiner Bemerkung dem gefüllten Hause, der dünnern Atmosphäre von selbst zugeht; die Bühne erhält davon zu gleicher Zeit das Ihrige. Kraft und Schönheit liegen in der Musik und im Orchester, jedes hat das Seine zu tun.

Das Vortreten der Sängerinnen bis an die Lampen ist eine Art Hurerei mit dem Zuhörer, um Beifall und Geschmeide zu erhaschen.

Eine Stimme, die sich anstrengt, kennt sich nicht und ist nicht die beste. Eine schöne Stimme nimmt sich eben in gehöriger Entfernung am besten aus. Eine zu stark ge-strichne Geige und eine überblasene Flöte will auch keiner hören.

Du bist ja ein alter Praktikus, und so wiederhole ich das nur meinetwegen, da ein Gutachten über Effekte solcher Art Sinn und Erfahrung fordert.

Könnte ich ein Theater für mein Geld bauen, so machte ich den Versuch, den Raum a, b, x zwischen dem Vorhänge und dem Orchester durch eine gerade Linie abzuschneiden und zu versenken, wobei vielleicht der mir stets verhaßte Souffleurkasten wegfiele. Das verlangte Profil folgt hierbei, und Ottmer bittet es sich nach gemachtem Gebrauche zurück.

Das Allerbeste wäre vielleicht, wenn Freund Coudray selber nach Berlin käme; denn: selig sind, die sehen und auch glauben.

Im Vertrauen will ich nur als schlichter Musikus noch sagen, daß die schlechte Wirkung nur selten am Hause liegt; denn bei dem verfluchten Virtuosenwesen der Musiker ist kein Gedanke an Orchesterarbeit. Nur wo ein Konzertmeister eine Schule um sich her bildet, kann ein ordentliches Orchester stattfinden. Es ist nichts zu sagen, wenn einer das Talent hat, die Leute hier und dort zu kitzeln, wo sie es gern
haben, es muß nur nicht von Einfluß auf die Untergebenen sein.

Dein

Z.

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