Von den Dornen Rosen
In der stillen Klosterzelle
Lag der Greis dem Tode nah,
Doch sein Auge freundlich helle
Noch auf seine Brüder sah,
Die ihn schmerzbewegt umstanden,
Ihn, den Treuen, Anspruchlosen,
Dessen Lebensspruch gewesen:
Von den Dornen brech' ich Rosen.
Und er sprach: Im Jugendleben,
Als mein Herz noch feurig schlug,
War es Einer hingegeben,
Die schon Liebesfessel trug.
Und ich ließ ihr meine Schätze
Und dem Mann, den sie erkoren,
Sprach zuerst mit nassem Auge:
Von den Dornen brech' ich Rosen.
Zog dahin auf weite Meere
Nach dem heilgen Morgenland,
Kämpfte für des Heilands Ehre
In der Wüste heißem Sand.
Schwer verwundet im Gefängnis,
Wo mich Ketten rauh umtosen,
Hab' ich wiederum gesprochen:
Von den Dornen brech' ich Rosen.
Kam ins Kloster, müd von Kriegen;
Doch nicht Ruhe konnte sein:
Um mich selber zu besiegen,
Musst' ich neuen Kampf mich weihn.
Mochte ob den strengen Pflichten
Sich der stolze Sinn erbosen,
Sprach den alten Spruch ich wieder:
Von den Dornen brech' ich Rosen.
Jetzt nun ruft mich zu dem Bornen
Seines Glücks der Herr hinauf,
Wo nur Rosen, keine Dornen
Gehn den Vielgeprüften auf.
Könnt Ihr trauern, dass ich scheide,
Von des Lebens bittern Losen?
Lernet heiter von mir sterben.
Brecht von diesen Dornen Rosen!
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