Buch der Lieder: Das "Buch der Lieder" erschien 1827 und war ein großer Erfolg. Schon zu Lebzeiten Heines erlebte es 13 Auflagen. In die abschließende endgültige Auflage hat Heine folgende Teile eingefügt: Junge Leiden, Lyrisches Intermezzo, die Gedichte aus der Harzreise, Heimkehr und beide Zyklen der Nordsee. Heine war neben Goethe der bekannteste deutsche Lyriker im Ausland und es gibt unzählige Vertonungen aus dem "Buch der Lieder". (z.b. Brahms, Schubert, Schumann, Silcher) Die besten Gedichte Heines erscheinen wie mühelos, ohne abzusetzen, in einem Zug geschrieben.
Inhalt
Die im volksliedhaften geschriebenen Gedichte haben zumeist die hoffnunglose oder unglückliche Liebe zum Inhalt. Wenn auch viele der Gedichte volksliedhaft oder gar naiv erscheinen, so kann man beim jungen Heine oft nicht zwischen echten Gefühl und Sentimentalität unterscheiden. Heine pflegt seine Traurigkeit und macht sich im folgenden Gedicht lustig darüber. Heine hat die Gedichte oft in märchenhafte Handlungen eingekleidet oder benutzt einen balladenartigen Ton um, wie viele Literaturwissenschaftler annehmen, seiner eigenen Lebenssituation Ausdruck zu verleihen. Gemeint ist die unerfüllte Liebe zu seiner Cousine Amalia, und später zu ihrer um einige Jahren jüngeren Schwester. Heine äußert sich allerdings dazu gegenüber Karl Immermann in einem Brief vom 10.Juni 1823 wie folgt:
"Nur etwas kann mich aufs schmerzlichste verletzen, wenn man den Geist meiner Dichtungen aus der Geschichte (Sie wissen was dieses Wort bedeutet) aus der Geschichte des Verfassers erklären will. Es kränkte mich tief und bitter als ich gestern im Briefe eines Bekannten ersah wie er sich mein ganzes poetisches Wesen aus zusammengerafften Histörchen konstruiren wollte, und unerquickliche Aeußerungen fallen ließ über Lebenseindrücke, politische Stellung, Religion, u. s. w. Aehnliches öffentlich ausgesprochen würde mich ganz empört haben, und ich bin herzlich froh daß nie drgl geschehn. Wie leicht auch die Geschichte eines Dichters Aufschluß geben könnte über sein Gedicht, wie leicht sich wirklich nachweisen ließe daß oft politische Stellung, Religion, Privathaß, Vorurtheil und Rücksichten auf sein Gedicht eingewirkt, so muß man dieses dennoch nie erwähnen, besonders nicht bey Lebzeiten des Dichters. Man entjungfert gleichsam das Gedicht, man zerreist den geheimnißvollen Schleyer desselben, wenn jener Einfluß der Geschichte den man nachweist wirklich vorhanden ist; man verunstaltet das Gedicht wenn man ihn fälschlich hineingegrübelt hat. Und wie wenig ist oft das äußere Gerüste unserer Geschichte mit unserer wirklichen, inneren Geschichte zusammenpassend! Bey mir wenigstens paste es nie.“
Die "Jungen Leiden" enthalten ein Gedicht wo der spätere Heine und dessen eintreten für ein demokratisches und sozial gerechtes Deutschlands zum ersten mal spürbar wird. Im Gedicht "Der arme Peter" thematisiert Heine den sozialen Unterschied zwischen zwei Liebhabern:
Der Hans und die Grete tanzen herum,
Und jauchzen vor lauter Freude.
Der Peter steht so still und stumm,
Und ist so blaß wie Kreide.
Der Hans und die Grete sind Bräutgam und Braut,
Und blitzen im Hochzeitsgeschmeide.
Der arme Peter die Nägel kaut
Und geht im Werkeltagskleide.
Im Lyrischen Intermezzo ist der künstlerische Fortschritts des Dichters nicht zu übersehen. Waren in den "Jungen Leiden" viele Gedichte noch unbeholfen oder nachgeahmt so sind die kleinen Werke im Lyrischen Intermezzo von einer subjektiven Anschauung geprägt, die dem Leser verraten das der Dichter sie erlebt hat. Der in den "Jungen Leiden" oftmals angeschlagene fast deklamatorische Ton ist im Lyrischen Intermezzo nicht mehr zu finden sondern Heine ist in der Lage diese durch echte Gefühle zu ersetzen.
Die seelischen Empfindungen werden äußerst knapp geschildert und dem Leser sehr konzentriert dargeboten. Die oftmals sentimentalen Gedichte der Jungen Leiden sind einer realistischen Lebensanschauung gewichen und einige der Gedichte verraten schon den späteren Heine der mit Ironie und Satire die gesellschaftlichen Misstände in Deutschland brandmarkt.
Wie schon in anderen Teilen der Sammlung tauchen in der "Heimkehr" Gedichte auf die von Weltschmerz-Motiven aus verschmähter Liebe und Liebesklage geprägt sind. Einige Gedichte in der Heimkehr weisen jedoch einige neue Züge auf da erotische Motive nur noch untergeordnet eine Rolle spielen. In einem der Gedichte heißt es:
Ich unglückselger Atlas! eine Welt,
Die ganze Welt der Schmerzen, muß ich tragen,
Ich trage Unerträgliches, und brechen
Will mir das Herz im Leibe.
Mit dem Atlas-Motiv weißt Heine schon auf die Belange der "Großen Welt" hin. Allerdings sind viele seiner Gedichte thematisch noch an seine persönliche "Welt" gebunden und das Gedicht läßt den Dichter in einer merkwürdigen Zerrissenheit erscheinen.
Ironie und Satire, eine der wesentlichen Bestandteile der Lyrik des späteren Heine, nehmen in der Heimkehr schärfere Konturen an.
Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwählt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.
Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.
In den Nordsee-Zyklen denkt Heine über seine Rolle im Leben, in der Welt, nach- und versucht objektiv über sein bisheriges Dichten zu beurteilen. Selbstkritisch gesteht er sich ein das seine bisheriges Schaffen noch keine Festung zum einstürzen gebracht hat. Seine selbstkritische Haltung wird im "Gesang der Okeaniden" am deutlichsten sichtbar.
Neu für Heine sind die Naturschilderungen im Nordsee-Zyklus. Schon in den anderen Teilen der Dichtung gibt es zahlreiche Naturschilderungen die aber oftmals nicht mehr als Kulisse sind oder idyllisch daher kommen. Nun gelingen Heine Schilderungen die voller Kraft, Natürlichkeit und Wahrheit sind.
Es wütet der Sturm,
Und er peitscht die Wellen,
Und die Welln, wutschäumend und bäumend,
Türmen sich auf, und es wogen lebendig
Die weißen Wasserberge,
Und das Schifflein erklimmt sie,
Hastig mühsam,
Und plötzlich stürzt es hinab
In schwarze, weitgähnende Flutabgründe -
Die besten Liebesgedichte und Naturdichtungen im Buch der Lieder sind in ihrer Schönheit und Qualität vergleichbar mit den Gedichten eines Eichdorffs oder Uhlands und einige brauchen auch den Vergleich mit Goethe nicht zu scheuen. Die mächtigen Naturbilder der Nordseezyklen sind in der zeitgenössischen Lyrik unerreicht.
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