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2019-06-08

Gedichte von Albert Knapp: Morgenlied (19)




Morgenlied

Frieden und Segen,
Wenn sie sich legen,
Und mit der Sonne
Ein Herz voll Wonne,
Gibst Du den Deinen, o Heiland der Welt!
Aus Schlummers Banden
Bin ich erstanden;
Heiliger Meister!
König der Geister!
Bleibe mein Licht, das mein Leben erhellt!

Flehende Thränen 
Waren mein Sehnen, 
Als ich mich legte, 
Als die bewegte
Seele die Schulden des Tages bedacht; 
Stumm stet ich nieder, 
Froh trat ich wieder
Auf meine Füße, 
Bis mir der süße 
Friede den labenden Schlummer gebracht.

Dir, Herr, zu singen, 
Opfer zu bringen, — 
Das sey am Morgen 
Mein erstes Sorgen, 
Frühe beweg' es den sehnenden Geist; 
Eh' das geschehen, 
Mag ich nichts sehen; 
Du bist ja Sonne, Licht, 
Heil und Wonne, 
Brunnen des Lebens, der ewiglich fleußt.

Ich wall' und stehe 
Auf Golgathas Höhe, 
Schaue die Stellen, 
Wo dir die hellen Heiligen 
Augen der Tod umfing; 
O mein Befreyer! 
Wie schwer und theuer 
Ist dir's gewesen, 
Mich zu erlösen, 
Mich, der in Ketten der Finsternis ging:

Ich wall', und sehe 
Des Oelbergs Höhe,
Wo du, nach oben
Herrlich erhoben,
Fuhrst zu des Vaters allmächtiger Hand;
Von jenem Sitze
Wirfst du nicht Blitze
Auf deine Kranken;
Friedensgedanken
Strömen herab auf das dürstende Land.

Heil wird mein Schade! 
Gnade um Gnade, 
Trost und Vergebung, 
Neue Belebung
Nimmt nun von dir das verlangende Herz; 
Daß ich zu wenig 
Dich, meinen König, 
Such' und erkenne, 
Selten entbrenne, 
Ist mein Gebrechen, mein täglicher Schmerz.

Quelle der Güter! 
Israels Hüter! 
Alles ermessend, 
Keines vergessend,
Strahlet dein Aug' aus den himmlischen Höhn; 
Schaut, wie die Matten 
Schlummern im Schatten, 
Schaut, wie die Todten 
Im tiefen Boden 
Ruh'n bis zum letzten Posaunengetön.

Aber ich lebe, 
Athme und webe 
Ueber den Grüften 
Froh in den Lüften, 
Grüße die Sonne, die königlich steigt; 
Seliges Hoffen 
Steht mir noch offen, 
Liebe und Glaube 
Hebt mich vom Staube, 
Wenn auch im Schlummer mein Haupt sich geneigt.

Willst du mich fragen: 
Kann ich nichts klagen, 
Kann dich nur loben 
Für tausend Proben
Deiner Erbarmung, die heilig und treu; 
Willst du mich prüfen 
In meinen Tiefen: 
Ach du wirst finden Mängel und Sünden, 
Daß ich noch heute, wie gestern sey.

Willst du mich tränken: 
So woll'st mir schenken 
Wasser des Lebens, 
Das ich vergebens
Dürstend gesucht in verödetem Feld; 
Dann wird die Quelle 
Freudig und helle.
Hin in den stillen
Ozean quillen,
Hin in der Ewigkeit heilige Welt.

Gib mir zur Speise 
Nach deiner Weise 
Bittres und Süßes, 
Nur ein gewisses
Zeugniß des Friedens im Herzensgrund; 
Der geistlich Todte 
Lebt nur vom Brode; 
Göttliche Kinder 
Essen nicht minder 
Himmlische Worte von deinem Mund.

Sehnend Verlangen, 
Dich zu umfangen, 
Beugung und Stille, 
Glaubiger Wille
Sey mein Gewinn und mein köstliches Theil; 
Einfalt im Blicke, 
Demuth im Glücke, 
Muth in der Trauer, 
Helliger Schauer 
Vor dem Erlauen, — beschirme mein Heil!

Menschengedächtniß 
Ist ein Vermächtnis, 
Heute gefunden,
Morgen verschwunden, —
Erdenlob gilt nicht im schweigenden Grab;
Loben und Tadeln,
Schmähen und Adeln,
Geizen und Neiden,
Herrschen und Leiden,
Sinket, woher es gekommen, hinab.

Wasser versiegen, 
Wolken verfliegen, 
Winde verwehen, 
Jahre vergehen,
Sonnen und Sterne verlieren den Schein; 
Auch meine Glieder 
Sinken darnieder, 
Modern geschwinde, 
Werden im Winde 
Bald ein verstäubendes Todtengebein

'Laß es verstäuben! 
Du, Gott, wirst bleiben, 
Herrschen und walten, 
Und die dich halten, 
Schwingen sich über die Gräber zu dir; 
An deiner Seite 
Gestern und heute 
Wandt' ich von hinnen, 
Bis von den Zinnen 
Salems ertönet: dein 

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