> Gedichte und Zitate für alle: Ludwig G. T. Kosegarten: Die Sprüche 51-89 (15)

2019-08-09

Ludwig G. T. Kosegarten: Die Sprüche 51-89 (15)




51.
Lau war die Nacht. Die Luft voll Veilduft. Nachtigallwirbel
Schlug fernher. Hoch auf seufzt' ich und ... hatte geträumt!
52.
Hast du die Schwäne gesehn? Sie trugen zu Neste. Sie theilten
Treulich die Lust und die Last. Sieben schon wurden aus zween.
53.
Halme hab' ich geknüpft mit Absicht, end- und erfolglos.
Nun ich bewußtlos es that, sieh! da gerieth mir der Kranz.
54.
Hast du um Ja und um Nein wol eh' befragt das Orakel?
Traue dem Tückischen nicht! Böslich hat mich es berückt.
55.
Gerne spaziert' ich einmal in den Lustanlagen. Nun macht mir
Grauen der Minotaur, welcher die Gänge durchstampft.
56.
Laß doch sehen zuvor, ob auch das Gatter gesperrt sey!
Nicht gern siehet man ja in den April sich geschickt.
57.
Jüngst noch wagt' ich zu nah'n dem bezauberten Park. Doch es stiebte!
Und vor der Nase sofort schlug man die Pforte mir zu.
58.
»Unsere Pflanzungen sind zum Beschau'n nur, nicht zum Betasten!« ...
Aber beriechen, ihr Herr'n, darf man die Pflanzen doch wohl!
59.
Und ein Gebot ging aus vom Kaiser Augustus: »Beschau'n nur
Dürft ihr, bei namhafter Pön, was Wir großmächtig gepflanzt!«
60.
Lustzuwandeln, ihr Herr'n in eurer Pflanzung, verdreußt uns!
Schleicht doch der Zerberus stets hinter den Wandelnden her!
61.
Kochet nur immer den Kohl mit den diktatorischen Tafeln!
Gilt doch Dekalogos nicht, Dodekadeltos nicht mehr!
62.
Sey mir gepriesen, Natur, mildherzige, freundliche Feie,
Die du dem Wandelnden gern Rasen und Blumen vergönnst!
63.
Hunden verwehrt ihr mit Recht zu eurem Prater den Zutritt.
Eins noch mangelt, daß ihr ihn auch den Mücken verwehrt!
64.
Zweierlei ist mir verhaßt in deinen Gassen, o Greifswald:
Bettlergewinsel des Tags! Hundegebelfer des Nachts!
65.
Christlich glaubt' ich die Stadt. Doch das Saturnal der Neujahrsnacht
Hat mich ein Anders gelehrt; Heiden noch sind wir, wie sonst.
66.
Unsre Beleuchtung! Gewiß, zu loben ist höchlich die Anstalt.
Wird man des Dunkels doch nun mittelst des Scheines gewahr!
67.
Distichen streu'ten wir aus, wie ihr seht, harmlose Gebilde.
Sind's Sternschnuppen doch nur, welche zersprühn im Entglühn!
68.
Wunderlich wird mir zu Muth in dem bunten beklemmenden Wirrwarr.
Dünk' ich mich doch ein Fantom unter Fantomen zu seyn!
69.
Lasset uns ländern, ihr Schwestern! Es ländert die Erd' um die Sonne,
Und um die Erde der Mond, und um das Zentrum das All.
70.
Bleibt mit dem Menuet, mit der Polonäse zu Hause!
Wirbelnder Walzer, nur dir hebt sich das deutsche Geblüt.
71.
Hört ihr die Sphärenmusik? Sie fordert zum Schleifer das All auf;
Und in dem rhythmischen Schwung walzen die Welten dahin.
72.
Krank bin ich, sterbenskrank! »Nun, was fehlt dir denn, Aermste?«.. Denkt
nur,
Sitzen ließ mich Damöt. Sylvien bot er den Arm.
73.
Jungfrau mögt ihr uns grüßen, auch Fräulein, Mühmchen und Bäschen;
Kommt ihr uns mit der Mamsell, drehn wir den Rücken euch zu.
74.
Wohl war bündig das Blatt durchdacht, auch würdig geschrieben;
Aber sie haschten es weg, als es zu wirken begann.
75.
Wälschlinge mögt ihr begrüßen auf Wälsch, franzhaft die Verfranzten;
Uns, die wir deutsch, grüßt Deutsch, oder erspart euch den Gruß!
76.
Sterne zu schenken, gefiel in den Tagen Werthers und Siegwarts.
Dir sey der Diamant, Freund, aus der Krone geschenkt!
77.
Berenizens Haar, das schimmernde, strömende, blonde,
Schenkt' ich dir gerne, mein Schatz. Leider bedarf ich es selbst!
78.
Karls Herz, sieh, wie es blitzt aus des Aethers dunkelnder Tiefe!
Während es d'runten zerstäubt, funkelt es droben im Licht!
79.
Taube des Himmels, entschwebe den Höh'n! Das tröstende Oelblatt
Bringe dem lechzenden Freund! Fächl' ihm Kühlungen zu!
80.
Würdigster Denker, dir schenk' ich den Esel der himmlischen Krippe.
Buridans sprödes Dilemm werde durch ihn dir gelös't!
81.
Stehst du schon wieder und sinnst? Besinn' auf dich selber dich, Bester!
Seyn oder Nichtseyn gilt! Aber ich bin für das Seyn!
82.
Nacht deckt beiderlei Pol des irdischen Seyns. Und den Gleicher
Dämmert es. Lehre mich, Freund, wann es und wo es uns tagt!
83.
Immer noch rathschlagt ihr, wie der Staat am besten zu modeln?
Fragt nur die Frauen! Sie sind's, die sich verstehn auf den Staat.
84.
Alles vertreten die Herr'n, Bau'r, Bürger, Priester und Adel;
Uns, die ein jeder zertritt, leider vertritt uns kein Mensch.
85.
»Zeigt mir die Auster!« So sprach zu den rechtenden Parten der Gaugraf,
Theilte die Schalen genau, schmauste behaglich das Fleisch.
86.
Leget die Larven nur hin! Es bleibt die werthe Gesellschaft
Maskerade auch so! Maske ein jedes Gesicht.
87.
Lächerlich, daß ihr es wißt, sind eure Brillen mir. Wird doch
Weder versteckt durch sie, weder geschaut das Gesicht!
88.
Viel noch hätt' ich der Sprüch' im Vorrath. Aber die Sträußer
Gingen mir aus. So versiegt denn auch der Distichen Flut.
89.
Gaukelnde Rolle fahr' wohl! Satt hab' ich dich! Wahrheit und Einfalt,
Seyd mir gesegnet, zu euch kehr' ich verlangend zurück.

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