1783, 5.-7. Februar.
Mit Johann Georg Paul Götze
Mit Johann Georg Paul Götze
Ich [Eckermann] fragte ihn [Philipp Seidel], ob Goethe in jener ersten Zeit seines Hierseins auch sehr lustig gewesen. Allerdings, antwortete er, sei er mit den Fröhlichen fröhlich gewesen, jedoch nie über die Grenze; in solchen Fällen sei er gewöhnlich ernst geworden. Immer gearbeitet und geforscht und seinen Sinn auf Kunst und Wissenschaft gerichtet, das sei im Allgemeinen seines Herrn fortwährende Richtung gewesen. Abends habe ihn der Herzog häufig besucht, und da hätten Sie oft bis tief in die Nacht hinein über gelehrte Gegenstände gesprochen daß ihm oft die Zeit und Weile lang geworden und er oft gedacht habe, ob denn der Herzog noch nicht gehen wolle. »Und die Naturforschung,« fügte er hinzu, »war schon damals seine Sache.«
»Einst klingelte er mitten in der Nacht, und als ich zu ihm in die Kammer trete, hat er sein eisernes Rollbette vom untersten Ende der Kammer herauf bis ans Fenster gerollt und beobachtet den Himmel. ›Hast Du nichts am Himmel gesehen?‹ fragte er mich, und als ich dies verneinte: ›so laufe einmal nach der Wache und frage den Posten, ob der nichts gesehen.‹ Ich lief hin; der Posten hatte aber nichts gesehen, welches ich meinem Herrn meldete, der noch ebenso lag und den Himmel unverwandt beobachtete. ›Höre!‹ sagte er dann zu mir, ›wir sind in einem bedeutenden Moment: entweder wir haben in diesem Augenblick ein Erdbeben, oder wir bekommen eins.‹ Und nun mußte ich mich zu ihm auf's Bette setzen und er demonstrirte mir, aus welchen Merkmalen er das abnehme.«
Ich fragte den guten Alten, was es für Wetter gewesen. »Es war sehr wolkig,« sagte er, »und dabei regte sich kein Lüftchen; es war sehr still und schwül.« – Ich fragte ihn, ob er Goethen jenen Ausspruch sogleich auf's Wort geglaubt habe. »Ja,« sagte er, »ich glaube ihm auf's Wort; denn was er vorhersagte, war immer richtig. Am nächsten Tage« – fuhr er fort – »erzählte mein Herr seine Beobachtungen bei Hofe, wobei eine Dame ihrer Nachbarin in's Ohr flüsterte: ›Höre! Goethe schwärmt.‹ Der Herzog aber und die übrigen Männer glaubten an Goethe, und es wies sich auch bald aus, daß er recht gesehen; denn nach einigen Wochen kam die Nachricht, daß in derselbigen Nacht ein Theil von Messina durch ein Erdbeben zerstört worden.«
1783, 9. Februar.
Mit Johann Gottfried Herder
Mit Johann Gottfried Herder
Goethe: Was denkst Du zu der Predigt?
Wieland: (wie er wenigstens sagt:) Nun, es war eine wackre Predigt.
Goethe: Er hat doch aber so eine harte Manier, die Sachen zu sagen. Nach solcher Predigt bleibt einem Fürsten nichts übrig als abzudanken.
(Ergreift seinen Hut und geht still aus der Kirche.)
Zweiter Dialogus bei der Herzogin Mutter.
Sie: Was denken Sie von der heutigen Predigt?
(Wieland ohngefähr wie oben.)
Sie: Mich dünkt aber, daß Sie doch vor diesen Tag unerwartet war: beim Regierungsantritt oder solchen Tagen könnte sie wohl gehalten werden.
Wieland: Je nun! weil der Herzog sonst nicht in die Kirche kommt, so hat Herder vermuthlich den Augenblick ergriffen, da er ihn hatte.
Sie: Er sollte freilich mehr in die Kirche gehen etc.
Dritter Dialogus. Abends im großen Saal bei Hofe.
Herzog: Sind Sie heut in der Kirche gewesen?
Wieland: Ja, Euer Durchlaucht.
Herzog: Wie hat Ihnen die Predigt gefallen?
Wieland: (wie oben.)Herzog: Ich weiß doch aber nicht, was die Leute bei einem Kind für erstaunende Hoffnungen haben. Es ist doch nur ein Kind.
Wieland: Aus dem indessen Alles werden kann und da hofft jeder, daß das Beste aus ihm werde.
Herzog: Übrigens war die Predigt ganz ohne Piques (das ist ein Lieblingswort hier).
Wieland: O ganz ohne Piques: sie war, dünkt mich, so rein wie sie von der Kanzel kommen mußte.
Herzog: Es war eine brave Predigt.
Dies ist, was der Hofpoet in einer Ergießung seiner guten Laune und neuen Freundschaftswärme erzählte, dazu ihn vor wenigen Wochen ein Genius in der Nacht ermahnt hat. Ich muß Ihnen doch auch diesen Traum hersetzen:
»Mich dünkte, ich stand bei einem Concert am Hofe im Saal an der Wand und hörte. Herder so angekleidet, wie er bei Hofe erscheint (d.i. in Mantel und Kragen), tritt vor mich und sieht mich mit sehr ruhigem, guten Blick an. Mir war das fatal; denn ich hatte mir fest vorgenommen, gar nicht mehr an Sie beide zu denken« .....
1 Gedruckt in Herder's »Christlichen Reden und Homilien« III. Theil (»Zur Religion u. Theologie« X, Theil) 1828. S. 53 ff.
1783, April.
Mit Friedrich Matthisson
Mit Friedrich Matthisson
Ich erblicke Goethe noch vor mir. Der stattliche Mann im goldverbrämten blauen Reitkleide erschien mitten in dieser muthwilligen Quecksilbergruppe als ein wohlgewogener oder ernster Vater, der Ehrfurcht und Liebe gebot. Er blieb mit den Kindern beisammen bis nach Sonnenuntergang und gab ihnen am Ende noch eine Naschpyramide preis, welche die Cocagnen zu Neapel gar nicht übel nachbildete. Ein Mann, der an der Kindheit und an der Musik Ergötzen findet, ist ein edler Mann, wie schon Shakespeare behauptet, welchen Satz mir auch die Erfahrung mehr als einmal in das Buch meiner heiligsten Wahrheiten einschrieb. Ich war eigentlich zudringlich, bloß um dem Verfasser von »Werthers Leiden« einen Blick abzugewinnen und mir sein Bild bleibend in die Seele zu prägen. Er war sehr artig und äußerte beim Anblick der ihm wohlbekannten Uniform des damals noch blühenden Philanthropins zu Dessau: »Sie sind hier völlig in Ihrem Elemente; ich bitte Sie zu bleiben, so lange es Ihnen angenehm ist.«
1783, Ende April.
Mit Johann Friedrich Blumenbach
und Christoph Martin Wieland
Mit Johann Friedrich Blumenbach
und Christoph Martin Wieland
1783, 9. oder 10. September.
Bei Marie Antonie von Branconi
Bei Marie Antonie von Branconi
1783, September.
Mit Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra
Mit Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra
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