> Gedichte und Zitate für alle: Woldemar von Biedermann : Gespräche Goethes 1788-2 (18)

2019-09-28

Woldemar von Biedermann : Gespräche Goethes 1788-2 (18)


1788-2




1788, Ende September oder Anfang October (?).
Mit Caroline Herder



Ich denke, in einem Jahr hat man für die Menge Geld Italien satt, wenn man kein Künstler ist. Goethe gedeiht am besten in Rom. Sein ganzes Wesen ist nur noch ein Räthsel; ich weiß nicht, wie ich ihn entziffern soll. Vor mehreren Wochen sagte er mir einmal, er für seine Person hätte viel Glück, ja, es strömte ihm von allen Seiten zu, aber nur für andre habe er kein Glück. Ich fühlte diese Wahrheit sehr tief. Sogar sein Petschaft, mit dem Du mir siegeltest, hat mir nichts Gutes gebracht.


1788, Ende September oder Anfang Oktober. 
Über Friedrich Schiller


Meine [Schiller's] Recension von »Egmont« hat viel Lärm in Jena und Weimar gemacht, und von der Expedition der »Allgemeinen Literaturzeitung« sind sehr schöne Anerbietungen an mich darauf erfolgt. Goethe hat mit sehr viel Achtung und Zufriedenheit davon gesprochen.


1788, 6. Oktober. 
Mit Caroline Herder 


Ich bin durch einen Besuch vom Erbprinzen und Ridel, die sich diesen Nachmittag angemeldet hatten, um die Kinder auf dem Seil zu sehen, verhindert worden weiterzuschreiben. Goethe kam auch und hat mir nachher, nachdem wir viel von Dir geredet haben und er sich recht gefreut hat über das, was und wie Du gesehen hast, und mich über das Ausbleiben der Briefe getröstet und es als nothwendige Zufälle einer Reise betrachtet, so hat er mir nachher aus dem »Tasso« einige Stellen gelesen. Es ist eine vortreffliche, würdige Sprache, ein herrlicher Geist, der die Charaktere so präcis darstellt. Ich habe nur noch wenig gehört, es gefiel mir aber sehr, und es freute ihn. Er sagte, die Jamben seien noch besser, als in der »Iphigenia«. – Es ist ihm lieb, daß Du nun in Rom bist. Da, sagt er, brauchst Du auch nicht mehr so viel Italienisch; er hätte meist Deutsch gesprochen. Ich hoffe, daß Ihr den Antiquarius Hirt nicht vergessen werdet, zu nehmen und die Ducaten doch da nicht sparen werdet. Es freute ihn, was Du sogleich vom Bury und der Angelica geschrieben.


1788, 12. October. 
Mit Johannes von Müller


Unterwegs habe ich nur... einen halben Tag... in Weimar verweilt. Hier überraschte ich die Herdern mitten im Essen... und da wurde... viel gesprochen, bis der kleine Gottfried [Herder] an den Hof ging, Goethe zu holen, und dann mich bei die gothische Kirche in des Herzogs Garten brachte, da denn der Mann erschien und wir eintraten in alle Politik des heiligen Reichs, bis plötzlich geklatscht wurde und die Postpferde trabten.
1788, 13. October. 
Mit Caroline Herder


Goethe kam den Montag zu mir. Von Müllern sagte er, er sähe völlig wie ein Domherr, und das ist wahr. Übrigens gefällt er ihm so halbwegs. Die Zeit war freilich zu kurz. Vom Kaiser sagte er, er hätte das Haus Österreich durch diesen Krieg so heruntergebracht, daß es sich in hundert Jahren nicht erholen werde. Ich sagte: »So wird's unserm Herzog auch gehen.« – »Ja, nicht anders«, antwortete er; »und so geht's uns allen, wenn wir unsere Eigenheit irgendwo oder am unrechten Ort, wie es gemeiniglich geschieht, durchsetzen. So ist mir's von Jugend auf gegangen; ich war frei und reich, konnte sie also öfters und mehr durchsetzen, als ein anderer, und ich weiß am besten, wo und wie sie mir geschadet; und wenn ich mich jetzt nicht so zusammennähme, so würde es noch mehr geschehen. So schadet dem Herder jetzt seine Eigenheit. Niemand wird es glauben, aber Zartheit und Nachgiebigkeit ist seine Eigenheit, und nun leidet er darunter. Hätte er gefühlt, wer er ist und wie ihm manquirt worden, er hätte von Augsburg aus sich nicht so gütig betragen. Und daher kommt's manchmal, daß er hernach am unrechten Ort gegen Menschen das Rauhe hervorkehrt.« Diese goldnen Worte waren, als wenn sie aus unser beiden Seelen herausgeredet wären. Ich sagte ihm, daß Du es so gut als ich wüßtest, daß wir bei jeder Gelegenheit es merkten und es oft übel empfänden. Bei Deinem Verhältniß zu Dalberg sagte er ferner: »Und wenn ihn Herder 3000 Rthlr. kostet, so ist's nicht zu viel; er hat ihm ja noch immer seine Person nicht bezahlt.« Ferner sagte er: »Die Seckendorf zeigt einen unsäglichen Verstand in ihrer Einrichtung: es ist das schönste Haus in Rom. Mit Eclat und Anstand will sie den Schritt gut machen. Sie versteht ihr Handwerk, und der künftige Kurfürst [Karl Freiherr v. Dalberg] kann's bezahlen.«

1788, 20. October. 
Mit Caroline Herder


Die Seckendorf fängt's doch auch gar zu toll an... Goethe ist diesen Augenblick bei mir gewesen. Er findet es ebenso unverständig, wie ich. Er glaubt, daß sie aus Knickerei nicht nach Frascati gefahren sind; es freute ihn, daß Du hingefahren bist. Er will nur sehen, wie die Römer, die so beißende Zungen haben, den ganzen unverschämten und ungewöhnlichen Auftritt ansehen und bereden werden. Einem reichen Mylord ist von Seiten der päpstlichen Polizei an die Hand gegeben worden, seine Maitresse wegzuschaffen, weil es nicht Sitte in Rom sei. Gegen den Bruder des künftigen Kurfürsten werden sie freilich schonender sein, aber Goethe glaubt doch, daß man sie's wird empfinden lassen. Einmal erscheint sie doch als Dalberg's Maitresse; der ganze Zuschnitt ihrer Einrichtung zeigt's deutlich genug. Eine ehrliche Frau treibt's nicht so. Eine reiche schlesische adelige Frau mit ihrem Mann haben nur wenige Zimmer zusammen gehabt, wofür sie monatlich vielleicht nur zehn Zechinen gegeben haben, und haben doch ein sehr gutes Haus ausgemacht, wie mir Goethe erzählte. Ich hoffte noch immer, daß sie sich zur Herzogin schlagen wird; er meint, sie wird eine größere Rolle zu spielen suchen, als die Herzogin. Er bedauert Dich unsäglich, doch glaubt er gewiß, daß es nach und nach besser gehen wird ..... Die Angelica wird ihre Pfiffe schon durchschauen. Goethe hat der Angelica ihren Namen nicht genannt, auch Dalberg's nicht. Dich hat er ihr aber sehr empfohlen, auch die Herzogin-Mutter mit dem Zusatz: »Ihr eigner Verstand wird das Gute an ihnen am besten selbst beurtheilen.«Die Preußen ziehen einen Cordon gegen die Dänen; des Herzogs Regiment ist aber nicht dabei. Er ist noch nicht hier, wird immer von einer Woche zur andern erwartet. Vor Dresden hat er wieder einen so heftigen Sturz gethan, als voriges Jahr vor Berlin. Er hatte das Pferd den ganzen Tag geritten, es war endlich müde, er wollte es nach Hause forciren, und es überschlug wieder mit ihm. Goethe hat mir's selbst erzählt.


1788, Ende October. 
Mit Caroline Herder 


Ich sprach mit Goethe wegen dem Wechsel. Es sind 150 Rthlr. baar da, des Herzogs halbjährige Zulage; ich wollte noch 150 dazu leihen und den vollen Wechsel von 300 Rthlr. Dir schicken. Er widerrieth mir aber das Leihen und meint, vorderhand soll ich Dir nur 150 Rthlr. oder 100 Scudi (durch Scudi gewinnt man, durch Zechinen aber verliert man) schicken, welches er auch vorigen Posttag besorgt hat. In vier Wochen wäre das andere erfolgt, bis ich über die ganze Summe mir Rath geschafft hätte.

1788, Ende October. 
Mit Caroline Herder


Goethe scherzte letzthin, es würde Dir nicht wohl werden in Rom, bis Du liebtest. – Gebe das gute Schicksal Dir gute Stunden für manches lange Leiden, nur sei klug und vorsichtig.


1788, Herbst. 
Mit Caroline Herder 


Goethe sagte es schon zumvoraus: »Herder wird Rom gewiß gut sehen. Den Curs macht er freilich mit [dem Domherrn] Dalberg, der nichts recht sehen wird, alsdann sieht er's hernach mit Hirt und den andern für sich allein, und genießt's erst.«


1788, Anfang November. 
Mit Caroline Herder


Ich habe Dir im vorigen Brief die Abschrift vom Brief des Unbekannten [der Herdern 1200 Rthlr. übersandt hatte] geschickt. Ich erzählte es Goethe und sagte, wie wichtig es für uns sei, jetzt zu wissen, ob das Geld von Dalberg sei. Da antwortete er: »Ihr habt das bisher immer so gewiß angenommen, als ob es Dalberg sei; man glaubt aber, es sei der Markgraf von Baden; Dalberg sei dabei melirt gewesen.« Ich habe ihn soeben durch ein Billet gefragt, ob er mir etwas Gewisses hierüber sagen könne, er antwortete aber nichts darauf .... Nach dem, was Goethe gesagt, wird es mir evident, daß es der Markgraf ist und Dalberg etwas davon weiß.


1788, Ende November oder Anfang December. 
Mit Caroline Herder


Als Dein Brief an Prinz August kam, stand gerade Goethe bei ihm und bat ihn, unserm Herzog nichts davon zu sagen, weil er noch keinen von Dir erhalten hat.


1788, Anfang December. 
Mit Friedrich Schiller 


Du [Körner] wirst in zwei oder drei Monaten aller Wahrscheinlichkeit nach die Nachricht erhalten, daß ich Professor der Geschichte in Jena geworden bin; es ist fast so gut als richtig. Vor einer Stunde schickt mir Goethe das Rescript aus der Regierung, worin mir vorläufige Weisung gegeben wird, mich darauf einzurichten. Man hat mich hier übertölpelt, Voigt vorzüglich, der es sehr warm beförderte ..... Voigt sondirte mich; an demselben Abend ging ein Brief an den Herzog von Weimar ab, der just in Gotha war mit Goethe; dort wurde es gleich mit ihnen eingeleitet und bei ihrer Zurückkunft kam's als eine öffentliche Sache an die Regierung. Goethe beförderte es gleichfalls mit Lebhaftigkeit und machte mir selbst Muth dazu ..... Goethe sagt mir zwar: docendo discitur, aber die Herren wissen alle nicht, wie wenig Gelehrsamkeit bei mir vorauszusetzen ist.


1788, 8. December. 
Mit Caroline Herder


Ich habe Deinen lieben Brief vom 22. November Montag den 8. d. erhalten... und Du hast mir und den Kindern abermals große Freude gemacht. – Goethe kam den Abend ein wenig zu mir, um zu hören, was ich Gutes von Dir hätte. Er nahm an allem Theil und besonders, daß die Herzogin so artig gegen Dich ist. Die Göchhausen schrieb an die Stein und die Kalb viel Gutes von Dir, sowie sie an die Steinin von Deinem Mißverhältinß mit der Seckendorf ein Wort fallen ließ und an andre vielleicht schon mehr darüber geschrieben. Kurz, Goethe erzählte mir, daß der Herzog ihn darüber befragt und daß er nicht umhin gekonnt hätte, ihm die Wahrheit zu sagen. Darauf habe der Herzog gesagt: »Wenn Herder was braucht, so will ich's ihm geben.« Goethe lehnte es aber ab und sagte: »Für diesmal muß Dalberg bezahlen und hierüber ist alles in Richtigkeit; wenn Sie aber zu einer andern Zeit etwas für ihn thun wollen, so thun Sie's.« Mich dünkt, diese Antwort war von Goethe ganz Verständig und gut ..... Goethe grüßt Dich herzlich. Moritzens Gegenwart thut ihm sehr gut und er muß so lange hier bleiben, bis der »Tasso« fertig ist.


1788, Ende December. 
Mit Caroline Herder


Den Montag war die Stein, die Kalb und Moritz zum Kaffee bei mir; gegen Abend kam Goethe und Knebel. Wenn wir Frauen mit Moritz allein sind, da geht es gar zu hübsch; er ist als dann unser Prophet, und unsre Kenntnisse nehmen jedesmal zu. So war er zwei Tage vorher zum Kaffee allein bei mir; wir kamen auf Goethes Werke, da sagte er mir, wie er durch das Studium der Perspective darauf gekommen sei, den Mittelpunkt in einem Stück aufzusuchen; den müsse man nun nicht am Ende des Stücks, sondern in der Mitte suchen, sowie alle Radien vom Mittelpunkt ausgehen und sich in den Anfang und Ende verlieren ..... Den Montag war nun wieder die Rede davon, und wir frugen nach dem Mittelpunkt in »Götz von Berlichingen«. Den sollten wir aber selbst aufsuchen, sagte er; er hätte ihn auch gefunden und es Goethe gesagt, da hätten sie zusammen sehr gelacht. Goethe war über Deinen Brief an ihn vergnügt; er dankt Dir und grüßt Dich.


1788 (?). 
Über Christiane von Goethe, geb. Vulpius


Als die Freunde Goethe mit der sogenannten Vulpia neckten und seinen Sieg über sie als den ersten, welchen die Dame erlebt, aufhetzend in Zweifel zogen, gab er die merkwürdige Antwort: »Daß Sie auch andern würde gefallen haben, bezweifle ich nicht.«

Keine Kommentare: