Vorwort
Die Absicht dieser Schrift ist weder eine biographische, noch geht sie auf Deutung und Würdigung der Goetheschen Dichtung. Sondern ich frage: was ist der geistige Sinn der Goetheschen Existenz überhaupt? Unter geistigem Sinn verstehe ich das Verhältnis von Goethes Daseinsart und Äußerungen zu den großen Kategorien von Kunst und Intellekt, von Praxis und Metaphysik, von Natur und Seele – und die Entwicklungen, die diese Kategorien durch ihn erfahren haben. Es handelt sich um die letzten Beschaffenheiten und Beweggründe seiner Geistigkeit, die seine Dichtung und sein Forschen, sein Handeln und seine Weltanschauung gestalten – um das »Urphänomen« Goethe, das sich kaum in irgend einer einzelnen Äußerung ganz rein ausspricht, vielmehr in all seinen widerspruchsvollen, andeutenden, höchst mannigfaltig distanzierten Sätzen und Intentionen hundertfach gebrochen ist. Was er selbst von seinen Bemühungen der Natur gegenüber sagt: sie gelten dem Gesetz, von dem in der Erscheinung nur Ausnahmen aufzuweisen sind – das bezeichnet vielleicht auch das Verhältnis der hier gesuchten Bedeutung seiner Existenz zu deren Phänomenen.
ihn denkt, wie an dem Ding, dessen Inhalt er bestimmt. Wenn irgendwo, so muß bei ihm dieses Dritte, diese »Idee Goethe« aufzufinden sein, weil ihre Darstellung in der subjektiven Seelenhaftigkeit und die in dem geleisteten Werke einander hier in ganz einziger Unmittelbarkeit und Vollständigkeit entsprechen. Ich kann meine Absicht auch damit ausdrücken, daß das Goethesche Leben, diese Rastlosigkeit von Selbstentwicklung und Produktivität, auf die Ebene des zeitlos bedeutsamen Gedankens projiziert werden soll. Dazu müssen freilich die Linien allenthalben über die Grenzen seines Denkens und Schaffens selbst hinaus verlängert werden, weil nur so Art und Weite ihrer Bedeutung ermessen werden kann. Wie bei jeder Darstellung einer geistigen Persönlichkeit, für die nicht erst Kenntnis, sondern Verständnis gesucht wird, d. h. nicht Einzelheiten, sondern ihr Zusammenhang, steht im Mittelpunkt eine gewisse Anschauung der Individualität; diese kann, als Anschauung, nicht unmittelbar ausgesprochen werden, sondern man kann nur zu ihrer Nachbildung durch eine Summe partieller Bilder auffordern, deren jeweilige Motive durch die großen geistesgeschichtlichen Begriffe unserer Welt- und Lebensdeutung bestimmt sind. Ich würde es deshalb für das Gegenteil eines Vorwurfs gegen dies Buch halten, wenn man in jedem seiner Kapitel eigentlich dasselbe wie in jedem andern zu lesen meinte.
Inhalt
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