Das Bewußtsein, eine so wurmhafte Existenz zu führen, ist aber für" den Übermenschen, den Gottmenschen Faust unerträglich, und darum bereitet er sich darauf vor, diese niedrige Art der Existenz abzuwerfen und in den Tod zu gehen:
„Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen Rücken zu!
Vermesse dich, die Pforten aufzureißen,
Vor denen jeder gern vorüber schleicht!
Hier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen.
Daß Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht."
Kann er nicht wie ein Gott leben, so kann er doch wie ein Mann sterben. Der stoische Philosoph Epiktet, den Goethe schon als Knabe gelesen und verehrt hat, spricht es auch aus, daß dem weisen, freien Menschen, wenn seine Existenz unerträglich geworden ist, der Tod als letzte Zuflucht bleibt. Schon hat Faust den Giftbecher an die Lippen gesetzt, da erschallt der Glockenklang und Chorgesang des Ostermorgens, und die Erinnerung an die selige Jugendzeit, in der sein Herz noch voll war von jenen herrlichen Gefühlen, die uns erst das höhere, wahre Leben geben, zieht mit Gewalt die giftgefüllte Schale von seinem Mund und gibt ihn dem Leben wieder:
„Erinn'rung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!"
Es folgt nun der Osterspaziergang mit der Szene vor dem Tor, mit der wundervollen Schilderung des erwachenden Frühlings, mit den Bauern unter der Linde und mit Fausts herrlichen Worten beim Untergang der Sonne.
Auf dem Heimweg gesellt sich zu Faust und Wagner der Teufel in Gestalt eines Pudels, den Faust mit in sein Studierzimmer nimmt. Über die sich nun dort entwickelnde Szene zwischen Faust und Mephistopheles, die erste im Studierzimmer zwischen den beiden, habe ich schon in einem früheren Kapitel gesprochen. In der zweiten Szene im Studierzimmer kehrt Mephistopheles wieder, diesmal nicht in der Gestalt eines fahrenden Schülers, sondern als edler Junker gekleidet, um Faust den Rat zu erteilen, sich gleichfalls dieser Umwandlung zu unterziehen und in weltlichem Gewände sich ungehindert und schrankenlos den weltlichen Freuden zu widmen. Der Teufel will ihm dabei zu Diensten stehen und rühmt sich:
„Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn."
Aber was bedeuten alle die vergänglichen, trügerischen Güter dieser Welt für den im tiefsten Grunde dem Ewigen und Unvergänglichen zugewandten Übermenschen Faust; und darum höhnt er den Teufel, der ihm die flüchtigen Güter anbietet, mit den Worten:
„Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von Deinesgleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt.
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet.
Der Ehre schöne Götterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh' man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!"
Mephisto stellt dem die Behauptung entgegen, es gebe Güter in dieser Welt, die nicht so flüchtig und vergänglich seien und bei denen man sich wohl zu beruhigen vermöge, so daß man nicht nötig habe, noch darüber hinaus zu schweifen nach einem unmöglichen ewigen Gute. Auch hier spricht aus Mephisto der Verstand des Philisters, der die Güter dieser Welt zu schätzen weiß und sie in Ruhe genießen möchte:
„Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran.
Wo wir was Gut's in Ruhe schmausen mögen."
Nunmehr bricht aber im Gegensatz dazu das ruhelos über alle vergänglichen Güter einem ewigen Ziele und höchsten Gute zustrebende Gemüt Fausts in zornigem Widerspruch hervor, und er bietet dem Teufel die Wette an:
„Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen.
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen —
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet' ich!"
„Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von Deinesgleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt.
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet.
Der Ehre schöne Götterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh' man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!"
Mephisto stellt dem die Behauptung entgegen, es gebe Güter in dieser Welt, die nicht so flüchtig und vergänglich seien und bei denen man sich wohl zu beruhigen vermöge, so daß man nicht nötig habe, noch darüber hinaus zu schweifen nach einem unmöglichen ewigen Gute. Auch hier spricht aus Mephisto der Verstand des Philisters, der die Güter dieser Welt zu schätzen weiß und sie in Ruhe genießen möchte:
„Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran.
Wo wir was Gut's in Ruhe schmausen mögen."
Nunmehr bricht aber im Gegensatz dazu das ruhelos über alle vergänglichen Güter einem ewigen Ziele und höchsten Gute zustrebende Gemüt Fausts in zornigem Widerspruch hervor, und er bietet dem Teufel die Wette an:
„Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen.
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Daß ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuß betrügen —
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet' ich!"
Und der Teufel sclilägt in seine dargebotene Hand ein:
„Top"
Er schließt die Wette ab, und Faust, indem er nach der Sitte beim Wetten nochmals in die Hand des Teufels einschlägt, setzt hinzu:
„Und Schlag auf Schlag!
Werd' ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!"
Und nun führt der Teufel, um seine Wette zu gewinnen, dem Faust alles das vor und stellt es ihm zur Verfügung, was die Menschen sonst im Leben als solche Güter schätzen, bei denen sie sich beruhigen und es sich wohl sein lassen, und zwar zuerst die niedrigste Art des Lebensgenusses bei Speise und Trank in lustiger Gesellschaft, mit Würfel- und Kartenspiel, mit Gesang und Neckerei und gelegentlichem Streit und Skandal. Mephisto führt ihn zunächst in Auerbachs Keller zu der Zeche lustiger Gesellen. Es ist die unterste, erste Station auf der Lebensreise, die das Genie und der Teufel zusammen durch diese Welt unternehmen, um alle ihre Güter zu prüfen, ob nicht eines davon dem Übermenschen so gefallen möge, daß er darüber seine Sehnsucht nach dem ewigen Gute zu vergessen und darauf an dem irdischen, endlichen Gute haften zu bleiben veranlaßt wird.
Bei der Vollendung des ersten Teiles war außer der Ausfüllung der großen Lücke noch als sehr wichtiges Stück der „Prolog im Himmel" dazugekommen, in dem Mephistopheles Gott dem Herrn die Wette anbietet, daß es ihm, dem niederziehenden Geiste, gelingen werde, den Gottesknecht Faust von seinem Drang nach dem Ewigen, den der Philister Mephisto Tollheit nennt, zu kurieren, so daß Faust, statt in die Höhe zu schauen und sich mit himmlischen Gefühlen zu nähren, zur Erde gewandt mit Lust Staub fressen lernen soll. Als Gott der Herr ihm gestattet, die Probe anzustellen, da genießt der Teufel schon im voraus seinen Triumph:
„Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange.
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange."
Welch ein Triumph wäre es nun für den Teufel gewesen, wenn der Knecht Gottes schon auf dieser ersten Station der Lebensreise in Auerbachs Keller Halt gemacht und in Gesellschaft der Saufkumpane Staub fressen gelernt hätte. Aber so leicht sollte es dem Teufel doch nicht gemacht werden. Es sollte ihm vielmehr keine Mühe und Anstrengung erspart bleiben bei dem Versuche, nach immer neuen Fehlschlägen den hohen Geist des Gottesknechtes vielleicht am Ende doch noch einzufangen. Auf der zweiten Station der Lebensreise handelt es sich um ein schönes, liebendes und geliebtes Weib, also um ein viel höheres und köstlicheres Gut, als feine französische Weine und die lärmende Gesellschaft von Zechgenossen darbieten. Mephisto aber hat dabei schon viel mehr Plage, er muß erst die Gelegenheit für ein Zusammentreffen Fausts mit Gretchen ausspüren, er muß einen kostbaren Schmuck als Geschenk herbeischaffen und dann noch einen zweiten, er muß das Feuer der Wollust schüren, bis Gretchen eine Gefallene und Faust zum Verführer und Mörder geworden ist, er muß dann Faust durch die abgeschmackten Zerstreuungen der Walpurgisnacht schleppen, um ihn abzulenken, während Gretchen inzwischen ins tiefste, furchtbarste Elend gerät, er muß dann Fausts wildem Drohen standhalten, ihn in den Kerker führen, damit Faust die dem Henker Ausgelieferte befreien könne, und als diese, von Grauen erfaßt vor dem Bösen, sich dem Gerichte Gottes übergibt, muß er den Faust mit Gewalt fortreißen, damit dieser nicht bei dem anbrechenden Morgen den Häschern in die Hände falle. Und was ist das Ende aller Mühe für den so verständig redenden und doch im Grunde so dummen Teufel? Es gelingt ihm nicht, den Übermenschen zu dem Bekenntnis zu bewegen, daß der Liebesgenuß, den Faust doch voll ausgekostet hat, ein so großes Lebensgut sei, daß die Seele ganz davon ausgefüllt und ihre Sehnsucht nach dem ewigen Gut darüber vergessen werden könnte. Auch mit diesem Genuß, der andere Menschen mit so rasender Leidenschaft erfüllt, daß sie alles andere darüber hintenansetzen, vermag der Teufel ihn nicht zu betrügen, auch bei diesem Genuß kann Faust nicht beharren und nicht ein Knecht des Vergänglichen, des Irdischen, des Staubes werden. Auch hierbei lernt also Faust nicht Staub fressen. Eine Lust, die so hinfällig ist, die sich in solchen Jammer und solches Elend zu wandeln vermag, kann nicht die Seele dessen festhalten imd ausfüllen, der, wie Spinoza, eine unvergängliche und unwandelbare Lust sucht, wie sie allein in dem inneren Zusammenhange mit dem ewigen Gute gefunden werden kann. Wir erinnern an Spinozas Worte, wie sie Herder in seinem Buche „Gott" wiedergibt: ,,Ich entschloß mich endlich zu forschen ob es nicht etwas gebe, das wahrhaft gut sei und sich mitteile, so daß mit Verwerfung alles anderen die Seele von ihm allein Einwirkung erhalte. Ja, ob es etwas gäbe, daß, wenn ich's fände und hätte, mir einen unverrückten, höchsten und ewigen Freudegenuß gewähren könne." Der Freudegenuß in Gretchens Liebe aber verwandelte sich und wurde zu Jammer und Elend: „Jammer, Jammer", ruft Faust aus, ,,von keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Geschöpf in die Tiefe dieses Elendes versank, daß nicht das erste genug tat für die Schuld aller übrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden. Mir wühlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser Einzigen." Und wie er an die Kerkertür gelangt: ,,Mich faßt ein längst entwöhnter Schauer, der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an"; der Kunst der Elfen bedarf es im Beginn des zweiten Teiles, um den furchtbaren Eindruck aus Fausts Seele zu tilgen, um ,,des Herzens grimmen Strauß zu besänftigen, des Vorwurfs glühend bittere Pfeüe zu entfernen und sein Inneres von dem erlebten Graus zu reinigen." Und das soll ein höchstes Gut sein, was so in Entsetzen sich wandeln kann ? Nein, Faust ist kein Wollüstling, und der erlebte Graus, der glühend bittere Vorwurf, mit dem die köstliche Liebeslust endet, behütet ihn für immer davor, noch einmal solch eine Kostprobe zu machen. Auch auf dieser Station der Lebensreise bleibt Faust nicht kleben; er hat gründlichst kennen gelernt, was auf ihr erlebt werden kann; nun aber geht die Reise weiter in eine höhere Sphäre, die wir dann im zweiten Teil kennen lernen werden. —
„Top"
Er schließt die Wette ab, und Faust, indem er nach der Sitte beim Wetten nochmals in die Hand des Teufels einschlägt, setzt hinzu:
„Und Schlag auf Schlag!
Werd' ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!"
Und nun führt der Teufel, um seine Wette zu gewinnen, dem Faust alles das vor und stellt es ihm zur Verfügung, was die Menschen sonst im Leben als solche Güter schätzen, bei denen sie sich beruhigen und es sich wohl sein lassen, und zwar zuerst die niedrigste Art des Lebensgenusses bei Speise und Trank in lustiger Gesellschaft, mit Würfel- und Kartenspiel, mit Gesang und Neckerei und gelegentlichem Streit und Skandal. Mephisto führt ihn zunächst in Auerbachs Keller zu der Zeche lustiger Gesellen. Es ist die unterste, erste Station auf der Lebensreise, die das Genie und der Teufel zusammen durch diese Welt unternehmen, um alle ihre Güter zu prüfen, ob nicht eines davon dem Übermenschen so gefallen möge, daß er darüber seine Sehnsucht nach dem ewigen Gute zu vergessen und darauf an dem irdischen, endlichen Gute haften zu bleiben veranlaßt wird.
Bei der Vollendung des ersten Teiles war außer der Ausfüllung der großen Lücke noch als sehr wichtiges Stück der „Prolog im Himmel" dazugekommen, in dem Mephistopheles Gott dem Herrn die Wette anbietet, daß es ihm, dem niederziehenden Geiste, gelingen werde, den Gottesknecht Faust von seinem Drang nach dem Ewigen, den der Philister Mephisto Tollheit nennt, zu kurieren, so daß Faust, statt in die Höhe zu schauen und sich mit himmlischen Gefühlen zu nähren, zur Erde gewandt mit Lust Staub fressen lernen soll. Als Gott der Herr ihm gestattet, die Probe anzustellen, da genießt der Teufel schon im voraus seinen Triumph:
„Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange.
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange."
Welch ein Triumph wäre es nun für den Teufel gewesen, wenn der Knecht Gottes schon auf dieser ersten Station der Lebensreise in Auerbachs Keller Halt gemacht und in Gesellschaft der Saufkumpane Staub fressen gelernt hätte. Aber so leicht sollte es dem Teufel doch nicht gemacht werden. Es sollte ihm vielmehr keine Mühe und Anstrengung erspart bleiben bei dem Versuche, nach immer neuen Fehlschlägen den hohen Geist des Gottesknechtes vielleicht am Ende doch noch einzufangen. Auf der zweiten Station der Lebensreise handelt es sich um ein schönes, liebendes und geliebtes Weib, also um ein viel höheres und köstlicheres Gut, als feine französische Weine und die lärmende Gesellschaft von Zechgenossen darbieten. Mephisto aber hat dabei schon viel mehr Plage, er muß erst die Gelegenheit für ein Zusammentreffen Fausts mit Gretchen ausspüren, er muß einen kostbaren Schmuck als Geschenk herbeischaffen und dann noch einen zweiten, er muß das Feuer der Wollust schüren, bis Gretchen eine Gefallene und Faust zum Verführer und Mörder geworden ist, er muß dann Faust durch die abgeschmackten Zerstreuungen der Walpurgisnacht schleppen, um ihn abzulenken, während Gretchen inzwischen ins tiefste, furchtbarste Elend gerät, er muß dann Fausts wildem Drohen standhalten, ihn in den Kerker führen, damit Faust die dem Henker Ausgelieferte befreien könne, und als diese, von Grauen erfaßt vor dem Bösen, sich dem Gerichte Gottes übergibt, muß er den Faust mit Gewalt fortreißen, damit dieser nicht bei dem anbrechenden Morgen den Häschern in die Hände falle. Und was ist das Ende aller Mühe für den so verständig redenden und doch im Grunde so dummen Teufel? Es gelingt ihm nicht, den Übermenschen zu dem Bekenntnis zu bewegen, daß der Liebesgenuß, den Faust doch voll ausgekostet hat, ein so großes Lebensgut sei, daß die Seele ganz davon ausgefüllt und ihre Sehnsucht nach dem ewigen Gut darüber vergessen werden könnte. Auch mit diesem Genuß, der andere Menschen mit so rasender Leidenschaft erfüllt, daß sie alles andere darüber hintenansetzen, vermag der Teufel ihn nicht zu betrügen, auch bei diesem Genuß kann Faust nicht beharren und nicht ein Knecht des Vergänglichen, des Irdischen, des Staubes werden. Auch hierbei lernt also Faust nicht Staub fressen. Eine Lust, die so hinfällig ist, die sich in solchen Jammer und solches Elend zu wandeln vermag, kann nicht die Seele dessen festhalten imd ausfüllen, der, wie Spinoza, eine unvergängliche und unwandelbare Lust sucht, wie sie allein in dem inneren Zusammenhange mit dem ewigen Gute gefunden werden kann. Wir erinnern an Spinozas Worte, wie sie Herder in seinem Buche „Gott" wiedergibt: ,,Ich entschloß mich endlich zu forschen ob es nicht etwas gebe, das wahrhaft gut sei und sich mitteile, so daß mit Verwerfung alles anderen die Seele von ihm allein Einwirkung erhalte. Ja, ob es etwas gäbe, daß, wenn ich's fände und hätte, mir einen unverrückten, höchsten und ewigen Freudegenuß gewähren könne." Der Freudegenuß in Gretchens Liebe aber verwandelte sich und wurde zu Jammer und Elend: „Jammer, Jammer", ruft Faust aus, ,,von keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Geschöpf in die Tiefe dieses Elendes versank, daß nicht das erste genug tat für die Schuld aller übrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden. Mir wühlt es Mark und Leben durch, das Elend dieser Einzigen." Und wie er an die Kerkertür gelangt: ,,Mich faßt ein längst entwöhnter Schauer, der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an"; der Kunst der Elfen bedarf es im Beginn des zweiten Teiles, um den furchtbaren Eindruck aus Fausts Seele zu tilgen, um ,,des Herzens grimmen Strauß zu besänftigen, des Vorwurfs glühend bittere Pfeüe zu entfernen und sein Inneres von dem erlebten Graus zu reinigen." Und das soll ein höchstes Gut sein, was so in Entsetzen sich wandeln kann ? Nein, Faust ist kein Wollüstling, und der erlebte Graus, der glühend bittere Vorwurf, mit dem die köstliche Liebeslust endet, behütet ihn für immer davor, noch einmal solch eine Kostprobe zu machen. Auch auf dieser Station der Lebensreise bleibt Faust nicht kleben; er hat gründlichst kennen gelernt, was auf ihr erlebt werden kann; nun aber geht die Reise weiter in eine höhere Sphäre, die wir dann im zweiten Teil kennen lernen werden. —
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