> Gedichte und Zitate für alle: J.Wolfgang von Goethe-juristische Schriften: [Adam gegen Creditores] (6)

2019-10-25

J.Wolfgang von Goethe-juristische Schriften: [Adam gegen Creditores] (6)



[Adam gegen Creditores] 

[Frankfurt, 3. September 1773]

Wohl- und HochEdelgeborne Gestrengen Fest und Hochgelahrte Hochfürsichtige und Hochweise Herren; Großgünstig Hochgebietend und Hochgeehrteste Herren Gerichts-Schultheiß und Schöffen! Das täglich ohne mein Verschulden mehr über Hand nehmende Unglück, drohet mir gegenwärtig mit dem unvermeidlichsten Verderben, von dem ich keine Rettung als in Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten Milde und Gnade absehen kann.

Hochdieselben geruhen daher sich mein Elend kürzlich vorstellen zu lassen, und mir wird es an Großg. Erhörung nicht mangelen können.

Wie sehr ich Hochderoselben Mitleid verdiene braucht mit keiner Redekunst herausgestrichen zu werden, indem ich mich sicher auf das gemeine Gerücht sowohl, als auf Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten p eigene Erinnerung berufen darf; daß keine lüderliche Lebensart, kein übermäßicher leichtfertiger Aufwand mich so zurück gebracht, sondern daß Unfälle die in der Hand des Höchsten stehen, nach und nach, erst die Wohlfahrt meines Hauses untergraben, dann ihm die überbliebenen Kräfte entzogen, und nun mit vereinter Macht ein Ende mit mir machen wollen.

Daß ich nicht unter den Abschaum der Bürgerlichen Gesellschaft gehöre, die ein schändlich geführtes Leben mit der Ruchlosigkeit endigen, diejenigen um das ihre betrügen, die dem Schein ihrer guten Haushaltung vertrauten; bleibt gewiß bei niemanden im Zweifel der bedenkt, wie ich vor Zeiten bei meinem Handwerke sowohl als einem HochEdlen und Hochweisen Magistrat in dem besten Vertrauen und Ansehen gestanden, da mir eine dem ganzen Publiko so wichtige Sache an Höchstpreislichen Kaiserl. Reichs-Hofrate zu betreiben übertragen worden, deren glückliche Beendung denn freilich dem Allgemeinen zum höchsten Vorteil gediehen, mir aber der Anfang all meines folgenden Unsterns geworden ist.

Denn nicht zu gedenken der Versäumnus, die einen Handwerksmann schon allein hinzuwerfen im Stande ist, haben bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche, eigens bestrittene Auslagen angefangen mein Vermögen anzugreifen, das, nach so sehr verdienter, gehoffter, aber leider ausgebliebener Remuneration, den empfindlichsten Stoß erleiden mußte.

Darauf bin ich bekanntlich in die verdrießlichste verworrnste Händel verwickelt worden. Die Kuratel des unordentlichen Müllers, hat mir von jeher die äußersten Beschwerlichkeiten verursacht, mich in ansehnlichen Schaden gesetzt, der nun sich unabsehlich vermehret, und mich gänzlich übern Haufen zu werfen drohet.

Es ist Akten klar, daß ich mich in der ganzen Kuratel Führung nicht der mindsten Untreue schuldig gemacht, und eine übergroße Güte gegen meinen Curandum ist alles was mir zur Last gelegt werden will; und welcher Mensch hätte sich durch sein, (ob zwar verschuldetes Elend) durch sein dringendes Bitten nicht bewegen lassen. Ich werde also ein venerierl. Urteil, das ich wegen meiner großen Armute in Rechts-Kraft mußte erwachsen lassen, angehalten das zu bezahlen was ich für einen dritten geborgt, und demselben überliefert habe, und mit meinen Forderungen an diesen dritten, werd ich auf nie zu hoffende künftige Glücks Fälle angewiesen. Hier ist nicht mein Gedanke der Gerechtigkeit eines venerierl. Urteil etwas entgegen zu setzen, nur will daraus ersichtlich sein; wie sehr ich Milde und Gnade von Euer HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten pp. verdiene und erwarten kann.

Eben so verhält sich's mit den übrigen Posten obbelobten Decreti. Mir wird ein vom Löbl. Kuratel Amt schon approbierter Posten zu ersetzen auferlegt; desgleichen soll ich für die von einem andern verwahrloste Gelder büßen.

Kann nun all dies mein gegenwärtiges Vorbringen durch Darlegung der Akten bewahrheitet werden; kann mir von der Gerechtigkeit nichts als Unglück und Nachsicht, wo ich hätte scharf und unerbittlich sein sollen, angeschuldiget werden; so ist hier nichts das Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichk. bewegen sollte Hochdero Barmherzigkeit von einem Manne zu wenden, der wenn er gefehlt hat, sehr menschlich gefehlt hat.

Aus beigehender getreuer Bilanz sub. Sign. 

werden Hochdieselbe zur Genüge ersehen, daß meine Aktiva die Passiva weit übersteigen, und daß meinen Kreditoren allen, wenn mir Zeit gegeben würde, Befriedigung geleistet werden könnte; dahingegen ich wenn ihnen Macht gelassen werden sollte zuzugreifen, (wie denn durch meinen letzten Unstern sich meine übrigen Kreditoren auch aufzustehen bewogen worden) ich mich total mit meinen Kindern an den Bettelstab gebracht sähe, dazu keiner meiner Gläubiger zu dem Seinigen kommen, und ich bei gegenwärtigen Nahrungslosen Zeiten niemals wieder zu einigen Kräften zu gelangen hoffen könnte.

In all diesen Rücksichten bleibt mir zu Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten p angeborner Huld die festeste Hoffnung, Hochdieselben werden einem um das gemeine Beste verdienten, alten, zurückgekommenen Mann dero Hohes Mitleiden nicht versagen, und um unverschuldeten Unglücks und Menschlicher Schwachheiten Willen nicht in das äußerste Elend fallen lassen, das ihm den betrübten Rest seiner Tage erbärmlich verkürzen würde. Daher meine flehentliche Bitte dahin ergehet: Hochdieselben geruhen mir das sowohl verdiente Beneficium Moratorii auf Fünf-Jahre angedeihen zu lassen, damit ich während der Zeit mich in Stand setzen könne, an der sukzessiven Befriedigung meiner Gläubiger zu arbeiten; zu welchem Endzweck ich auch feierlichst angelobe, den hierbei notierten Statum activum auf keine Weise, unter keinerlei Vorwand zu verändern, sondern mich als einen ehrlichen Mann Hochdero Gnade und Mitleiden täglich würdiger zu machen. Worüber in tiefster Ehrfurcht ersterbe Euer Hochadel. Gestrengen und Herrlichkeiten p untertäniger Joh. Nicolaus Adam
JWGoethe Lt.
Briefwechsel Schiller und Goethe


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