> Gedichte und Zitate für alle: J.Wolfgang von Goethe-juristische Schriften: [Maigret gegen Bauer] (7)

2019-10-25

J.Wolfgang von Goethe-juristische Schriften: [Maigret gegen Bauer] (7)



[Maigret gegen Bauer] 

[Frankfurt, 15. September 1773] 

Wohl- und HochEdelgeborne Gestrenge Fest und Hochgelahrte Hochfürsichtige und Hochweise Herren; Großgünstig Hochgebietend und Hochgeehrteste Herren Gerichts Schultheiß und Schöffen! Mein Prinzipal, der Handelsmann Maigret von Aachen, mußte bei seiner diesmaligen Ankunft dahier mit dem größten Befremden vernehmen, daß in außen rubrizierter Sache, auf einzelnes Anbringen seines jüdischen Gegners, unterm 6ten hujus ein Spruch ergangen, der die diesseitige Provokations Introduktion für desert erklären, und den Burgermeisterlichen, so gravierlich als venerierl. Bescheid, bestätigen will.

Sogleich hat er mir endesunterzogenen, Kraft anliegender Original Gewalt sub Sign aufgetragen, diejenige Mittel zu ergreifen, die bemeldte Sache wieder in ihren alten RechtsWeg einleiten mögten.

Ich, in dem festesten Vertrauen zu Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten p so Gerechtigkeits als Billigkeits Liebe, unterstehe mich dahero Hochdieselben mit folgenden geziemenden Einwendungen in tiefem Respekt anzugehen.

Erstlich, geruhen Hochdieselben sich vorstellen zu lassen, daß Gegnerische Exceptiones gegen Formam diesseitiger Provokations Introduktion in mancherlei Rücksicht ungegründet sind.

Denn so ist a.) sein Einwenden daß die Ursachen der gebetenen Frist hätten diesseits bescheinigt werden sollen, gänzlich müßig. Uns war von Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten p die Frist auf angeführte triftige Ursachen gestattet, und dagegen Einwendungen zu machen, gehört zu des Gegenteils übrigen Unziemlichkeiten; sollte es einem erlauchten Richter nicht zukommen, Fristen nach seiner Einsicht und nach Befinden der Sache zu genehmigen.

Eben so hat b.) dessen Vorspieglung der Desertion kein weiteres Gewicht, als daß Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten p drauf zu reflektieren geruhten. Der vorige Sachwalter rechnete seine Frist a Die insinuationis Decreti, und gab also nach seiner Rechnung die Justifikation der Provokation zur rechten Zeit ein. Die Komputation der Fristen auf diese Art, ist allgemeinen Rechtens, ist auch hiesigen Rechtens, und wird sie durch ein Statut einigermaßen limitiert, so kann doch unserm Fall, da bei dergleichen Umständen, indem es die Sache eines Abwesenden betrifft, die längste Frist gegeben, supponiert wird, durch richterliche Billigkeit aus dem gemeinen Rechte Hülfe und Salvation gereicht werden.

Da aber demohngeachtet ein venerierl. Dekret die Sache diesseits desert erkläret, so wird es nunmehro in obiger Rücksicht, nicht den geringsten Anstand haben, Restitutionem in integrum von Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten zu erlangen.

Denn wenn die Prätorianische Klausel si qua alia causa iusta videbitur je eine gehörige Anwendung erlitten, so ist es gewiß in diesem Falle.

Der desert sein sollende Termin, war nach gemeinen Rechten noch nicht verstrichen. Mein Prinzipal ist ein Fremder gegen den die Statuten in ihrer Strenge nicht sollten geltend gemacht werden. Gegner ist ein betrügerischer Jude, wider den einem Christen eine Rechtswohltat um so mehr zu statten kommen muß.

Endlich ist aus der simpelsten Geschichts Erzählung und Inspektion der Akten das diesseitige Recht so Sonnenklar, daß, wäre auch kein weiteres Moment zur Restitution, dieses hinreichend sein würde, daß eine evident gerechte Sache per errorem levissimum in formalibus nicht verloren gehen dürfe. Die Schwäche Gegenseitiger Exzeptionen liegt so am Tage, daß freilich die erhaschte Desertion das größte Glück für sie war. Es hält keine einzige bei näherer Beleuchtung stich, sie sind alle gleich ungegründet, und ohne die Exaggerationen; und Verdrehungen diesseitiger Argumente und Raisonnements würden sie sich gar zu nackend darstellen.

Allen und jeden diesen Exzeptionen setze ich daher für diesesmal nur allgemeinen Widerspruch entgegen, mit Vorbehalt, in der Ordnung Rechtens meine speziale Widerlegung gehörig einzubringen, so bald Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten p meiner gegenwärtigen geziemenden Bitte Großg. werden zu deferieren geruht haben.

Daß dieses mir nicht ermangeln kann, lebe der sichersten Hoffnung, in dem Hochdenenselben ganz allein heimgestellt ist, Wiedereinsetzung in vorigen Stand, nach Gutbefinden zu erteilen; und ich, wenn ich es auch allein als Gnade zu bitten hätte, zu Hochdero Huld und Menschenliebe in mir so viel Zutrauen fühle, das mir die günstigste Erhörung hoffen läßt.

Daher unter allen oberwähnten Umständen mir vollkommen schmeichlen kann, Ew. HochAdel. Gestrengen und Herrlichkeiten p werden meiner geziemend gehorsamsten Bitte also gnädigst deferieren:

 daß mein Prinzipal gegen genanntes venerierl. Urteil, dergestalten zu restituieren sei, daß die diesseitige Provokations Introduktion als im rechten Termino eingebracht, der Jude aber, als habe er sich mit seinen Exceptionibus würklich eingelassen, angesehen werden solle. Worauf denn Hochdieselben, um darauf zu replizieren, mir Großg. Terminum ordinis anzuberaumen Hochrichterlich geruhen. Sollten indessen wider Vermuten Hochdieselben meiner so submiß als gerechten Bitte zu deferieren etwaigen Anstand nehmen; so muß ich, um das Beste meines Prinzipals zu wahren, mit allem geziemenden Respekte das Remedium Transmissionis Actorum in vim Revisionis, gehorsamst interponieren mit dem Vorbehalt, nach vernommener Hochrichterl. Resolution, binnen gehöriger Zeit Libellum Revisorium gehörig einzureichen.

Der ich pp. Euer Hochadel. Gestrengen und Herrlichkeiten p Treu geh'ster

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