Lebensbekenntnisse im Auszug
So oft ich mich entschloß, den Wünschen naher und ferner Freunde gemäß, über einige meiner Gedichte irgend einen Aufschluß, von Lebensereignissen auslangende Rechenschaft zu geben, sah ich mich immer genötigt in Zeiten zurückzugehen, die mit selbst nicht mehr klar vor der Seele standen, und mich deshalb manchen Vorarbeiten zu unterzichen, von denen kaum ein erwünschtes Resultat zu hoffen war. Ich habe es demohngeachtet einigemal gewagt und man ist nicht ganz unzufrieden mit dem Versuch gewesen.
Dieses freundliche Ansinnen dauert nun immerfort, indessen andere liebe Teilnehmende versichern, daß sie mehr würden befriedigt sein, wenn ich in einer Folge, sowohl Arbeiten als Lebensereignisse, wie früher geschehen, darbringen wollte und künftig nicht, wie ich bisher manchmal getan, treue Bekenntnisse sprungweis mitteilte. Auch hierüber scheint mir gerade bei dieser Gelegenheit eine nähere Erklärung nötig.
Schon im Jahr 1819 als ich die Inhaltsfolge meiner sämtlichen Schriften summarisch vorlegen wollte, sah ich mich zu tiefer eingreifender Betrachtung gedrungen und ich bearbeitete einen zwar lakonischen doch immer hinreichenden Entwurf meiner Lebensereignisse und der daraus
hervorgegangenen schriftstellerischen Arbeiten bis auf gedachtes Jahr; sonderte sodann was sich auf Autorschaft bezieht, und so entstand das nackte chronologische Verzeichnis am Ende des zwanzigsten Bandes.
Seit gedachtem Jahre habe ich von Zeit zu Zeit in ruhigen Stunden fortgefahren sinnige Blicke ins vergangene Leben zu werfen und die nächste Zeit auf gleiche Weise zu schematisieren, wozu mir denn ausführlichere Tagebücher erwünscht und hülfreich erschienen; nun liegen nicht allein diese, sondern so viel andere Dokumente, nach vollbrachter archivarischer Ordnung, aufs klärste vor Augen und ich finde mich gereizt jenen Auszug aus meiner ganzen Lebensgeschichte dergestalt auszuarbeiten, daß er das Verlangen meiner Freunde vorläufig befriedige und den Wunsch nach fernerer Ausführung wenigstens gewisser Teile lebhaft errege, woraus denn der Vorteil entspringt, daß ich die gerade jedesmal mir zusagende Epoche vollständig bearbeiten kann und der Leser doch einen Faden hat, woran er sich durch die Lücken folgerecht durchhelfen möge.
Denn mich wegen einer teilweisen Behandlung zu rechtfertigen, darf ich mich nur auf einen jeden selbst berufen und er wird mir gestehen, daß, wenn er sein eigenes Leben überdenkt, ihm gewisse Ereignisse lebhaft entgegen treten, andere hingegen, vor- und nachzeitige, in den Schatten zurückweichen, daß, wenn jene sich leuchtend aufdrängen, diese selbst mit Bemühung kaum aus den Fluten der Lethe wieder hervorzuheben sind.
Es soll also vorerst meine anhaltende Arbeit sein, eine solche Bemühungin so fern sie begonnen ist fortzusetzen, in so fern ich sie skelettartig finde mit Fleisch und Gewand zu bekleiden und so weit zu führen, daß man sie nicht bloß sich zu unterrichten, sondern auch sich zu vergnügen lesen möge.
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