1808
1808, Januar.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
»Durch das jetzt in Deutschland allgemein verbreitete Interesse an Kunst und Poesie wird weder für diese beiden, noch für die Erscheinung eines originalen und ersten und einzigen Meisterwerks etwas gewonnen. Der Kunst-Genius producirt zu allen Zeiten, in mehr oder minder geschmeidigem Stoff, wie die Vorwelt Homer, Aeschylos, Sophokles, Dante, Ariost, Calderon und Shakespeare gesehen hat (die Mitwelt Goethe und Schiller); es ist nur dies der Unterschied, daß jetzt auch die Mittelmäßigkeit und die secondären Figuren dran kommen und alle untern Kunsteigenschaften, die zur Technik gehören. Es wird nun auch im Thale licht, statt daß sonst nur die hohen Berggipfel Sonne trugen.
So ist es auch mit andern Stimmungen des Geistes, mit der religiösen, amourösen, bellicosen und andern. In einzelnen Individuen sind sie zu allen Zeiten gewesen und noch. Aber allgemein verbreitet nur zu gewissen Zeitaltern, und immer sind sie der Cometenschwanz irgend eines in diesen ausgezeichneten Mannes ober mehrerer, in denen, wie an den Spitzen der Berge, zuerst diese Morgenröthe schimmerte. Jede solche Stimmung lebt einen Tag, hat ihren Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. So ist's mit der Kunst; so wird es auch mit der Poesie werden, die jetzt im Nachmittag ist.« Oder wie G. sonst zu sagen liebte: »es ist wie eine Krankheit, durch die man hindurch muß.«
1808, 8. Januar.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808,10. Januar.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 30. Januar.
Mittag bei Goethe
Mittag bei Goethe
a.
b.1
Als man ihn [Goethe] einen göttlichen Mann nannte, sagte er: »Ich habe den Teufel vom Göttlichen! Was hilft's mir, daß man mir nachsagt: das ist ein göttlicher Mann! Wenn man nur nach eigenem Willen thut und mich hintergeht.2 Göttlich heißt den Leuten nur der, der sie gewähren läßt, wie ein jeder Lust hat.« Er drückte dies ein ander Mal so aus: »Man hält niemanden für einen Gott, als daß man gegen seine Gesetze handeln will, weil man ihn zu betrügen hofft, weil er von seiner Absolutheit soviel nachläßt, daß man auch absolut sein kann.« 1 Dieses Stück hat Riemer zwar vom 1. Februar 1808 datirt, es gehört aber offenbar zum vorigen Stück, wenigstens dem Zusammenhang nach.
2 Es waren beim Theater Eigenmächtigkeiten vorgefallen, worüber man ihn mit jener Schmeichelei begütigen wollte.
1808, 30. Januar (?).
Mit Zacharis Werner in Abendgesellschaft
bei Johanna Schopenhauer
Mit Zacharis Werner in Abendgesellschaft
bei Johanna Schopenhauer
Als nun nach höchst zweifelhaften, aber doch scheinbarem Erfolge die Gäste eintrafen, nahmen die Frauen an der improvisierten Tafel Platz, die Herren standen mit ihren Tellern umher. Für Goethe und Werner waren zwei Stühle in der Mitte bestimmt; zwischen ihnen auf dem Tische stand ein wilder Schweinskopf, von dem die Wirthin schon des Tages zuvor gegessen, in ihrer Angst hatte die Haushälterin durch einen großen Kranz Lorbeerblätter die Anschnittswunde zu verdecken gesucht. Goethe erhob, diesen Schmuck erblicken, mächtig seine Stimme und rief dem, bekanntlich sehr zynischen und nicht immer sauber gewaschenen Werner zu: »Zwei gekrönte Häupter an einer Tafel? Das geht nicht!« Und er nahm dem wilden Schweinskopf seinen Kranz und setzte ihn dem Dichter der ›Wanda‹ auf den Kopf.
1808,1. Februar.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 26. Februar.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 3. März (?).
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 4. März.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 8. März.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 9. März.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 10. März.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 27. März.
Mittag bei Goethe
Mittag bei Goethe
1808, 30. März.
In Gesellschaft bei Johanna Schopenhauer
In Gesellschaft bei Johanna Schopenhauer
1808, 5. April.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Werner verwechsle die agapê mit dem erôs.
Er äußerte weiter:
»In der Kultur der Wissenschaften haben die Bibel, Aristoteles und Plato hauptsächlich gewirkt, und auf diese 3 Fundamente kommt man immer wieder zurück. ›Neuplatoniker‹ sagt man, also Rückkehr auf den Plato.
Scholastiker, und daß Kant wieder die Scholastik bringe, also Aristoteles. Jetzt Rückkehr zur Bibel. Man kann aus diesen Elementen nicht heraus, und so ist es lächerlich, wenn die Menschen sagen, die Scholastik kehre wieder, Aristoteles oder Plato.«
1808, 6. April.
Mittag bei Goethe
Mittag bei Goethe
Goethe bemerkte über die neuesten Ästhetiker, die Schlegels, Ast etc., daß ihr ganzes Urtheil und Absprechen bloß darauf beruhe, daß ein jeder wie im Dominospiel bloß den Stein lobt, an den er seine Zahl anschieben kann. Er äußerte ferner:
»Engländer haben kein ästhetisch moralisches Urtheil, sprechen von einzelnen Schönheiten. Als wenn für den Dichter etwas schöner wäre als das andere! Was er ausspricht, ist insofern etwas, daß er es ausspricht. Sie meinen, daß er nur etwas sage, wenn er gerade ihr Interesse ausspricht.«
1808, 18. April.
In Gesellschaft bei Johanna Schopenhauer
In Gesellschaft bei Johanna Schopenhauer
a.
Am zweiten Osterfeiertage 1808 Abends war ich [Falk] mit Goethe in einer kleinen, auserlesenen Gesellschaft zusammen gewesen. So ist es ihm eben recht. Auch that er seinem Humor keinen Zwang an, sondern ließ ihm freien Lauf, besonders, als wir auf Theater und die neue Literatur zu sprechen kamen, die er mit politischen Zuständen verglich und seinen Vergleich mit der anmuthigsten und lebendigsten Laune durchführte. Eben hatten wir am vergangenen Sonnabend »Die Piccolomini« gesehen; die nächste Mittwoch sollte nach einer langen Zwischenpause auch der »Wallenstein« darankommen.
»Es ist,« sagte Goethe, »mit diesen Stücken wie mit einem ausgelegenen Weine. Je älter sie werden, je mehr Geschmack gewinnt man ihnen ab. Ich nehme mir die Freiheit, Schiller für einen Dichter und sogar für einen großen zu halten, wiewohl die neusten Imperatoren und Dictatoren unserer Literatur versichert haben, er sei keiner. Auch den Wieland wollen sie nicht gelten lassen. Es fragt sich nur, wer dann gelten soll?«
»Kürzlich hat eine Gelehrtenzeitung in einer von beiden Städten, ich weiß nicht recht, ob in Ingolstadt oder in Landshut, Friedrich Schlegel als den ersten deutschen Dichter und Imperator in der Gelehrtenrepublik förmlich ausgerufen. Gott erhalte Se. Majestät auf Ihrem neuen Throne und schenke demselben eine lange und glückliche Regierung! Bei alle dem möchte man es nicht bergen, daß das Reich dermalen noch von sehr
rebellischen Unterthanen umlagert ist, deren wir einige,« indem er einen Seitenblick auf mich warf, »sogar in unsrer eigenen Nähe haben.«
»Übrigens geht es in der deutschen Gelehrtenrepublik jetzt völlig so bunt zu wie beim Verfall des römischen Reiches, wo zuletzt jeder herrschen wollte, und keiner mehr wußte, wer eigentlich Kaiser war. Die großen Männer leben dermal fast sämmtlich im Exil und jedes verwegene Markedentergesicht kann Imperator werden, sobald es nur die Gunst der Soldaten und der Armee besitzt, oder sich sonst eines Einflusses zu erfreuen hat. Ein paar Kaiser mehr oder weniger, darauf kommt es in solchen Zeiten gar nicht an. Haben doch einmal im römischen Reiche dreißig Kaiser zugleich regiert, warum sollten wir in unsern gelehrten Staaten der Oberhäupter weniger haben? Wieland und Schiller sind bereits ihres Thrones verlustig erklärt; wie lange mir mein alter Imperatormantel noch auf den Schultern sitzen wird, läßt sich nicht vorausbestimmen; ich
weiß es selbst nicht. Doch bin ich entschlossen, wenn es je dahin kommen sollte, der Welt zu zeigen, daß Reich und Scepter mir nicht ans Herz gewachsen sind, und meine Absetzung mit Geduld zu ertragen; wie denn überhaupt seinen Geschicken in dieser Welt niemand so leicht entgehen mag. Ja, wovon sprachen wir doch gleich? Ha, von Imperatoren! Gut! Novalis war noch keiner, aber mit der Zeit hätte er auch einer werden können. Schade nur, daß er so jung gestorben ist, zumal, da er noch außerdem seiner Zeit den Gefallen gethan und katholisch geworden ist. Sind ja doch schon, wie die Zeitungen besagten, Jungfrauen und Studenten rudelweise zu seinem Grabe gewallfahrtet und haben ihm mit vollen Händen Blumen gestreut. Das nenn' ich einen guten Anfang, und es läßt sich davon schon etwas für die Folge erwarten. Da ich nur wenige Zeitungen lese, so ersuche ich meine anwesenden Freunde, wenn etwas weiter von dieser Art, was von Wichtigkeit, eine Kanonisirung oder dergleichen vorfallen sollte, mich davon sogleich in Kenntniß zu setzen. Ich meinerseits bin damit zufrieden, daß man bei meinen Lebzeiten alles nur erdenkliche Böse von mir sagt; nach meinem Tode sollen sie mich schon in Ruhe lassen, weil der Stoff schon früher erschöpft ist, sodaß ihnen wenig oder nichts übrig bleiben wird. Tieck war auch eine Zeitlang Imperator, aber es währte nicht lange, so verlor er Scepter und Krone. Man sagt, es sei etwas zu Titusartiges in seiner Natur, er sei zu gütig, zu milde gewesen, das Reich aber fodere in seinem jetzigen Zustande Strenge, ja, man möchte wohl sagen, eine fast barbarische Größe. Nun kamen die Schlegel ans Regiment; da ging's besser! August Schlegel, seines Namens der Erste, und Friedrich Schlegel der Zweite – die beiden regierten mit dem gehörigen Nachdrucke. Es verging kein Tag, wo nicht irgendjemand ins Exil geschickt, oder ein paar Executionen gehalten wurden. So ist's recht! Von dergleichen ist das Volk seit undenklichen Zeiten ein großer Liebhaber gewesen. Vor kurzem hat ein junger Anfänger den Friedrich Schlegel irgendwo als einen deutschen Hercules aufgeführt, der mit seiner Keule im Reiche herumginge und alles todtschlüge, was ihm irgend in den Weg käme. Dafür hat jener muthige Imperator diesen jungen Anfänger seinerseits sogleich in den Adelstand erhoben und ihn ohne weiteres einen Heroen der deutschen Literatur genannt. Das Diplom ist ausgefertigt; Ihr könnt Euch darauf verlassen, ich habe es selber gelesen. Dotationen, Domainen, ganze Fächer in Gelehrtenzeitungen, die sie ihren Freunden zum Recensiren verschaffen, sind auch nicht selten, die Feinde aber werden oft heimlich aus dem Wege geräumt, indem man ihre Schriften beiseite legt und sie lieber gar nicht anzeigt. Da wir nun im Deutschen ein sehr geduldiges Publicum haben, das nichts liest, als was zuvor recensirt ist, so ist diese Sache gar so übel nicht ausgesonnen. Das Beste noch bei der ganzen Sache ist denn aber doch immer das Ungefährliche. Z.B. es legt sich einer jetzt Abends als Imperator gesund und vergnügt zu Bette; des andern Morgens darauf erwacht er und sieht mit Erstaunen, daß die Krone von seinem Haupte hinweg ist. Ich geb' es zu, es ist ein schlimmer Zufall, aber der Kopf, sofern der Imperator überhaupt einen hatte, sitzt doch noch immer auf derselben Stelle, und das ist, meines Erachtens, baarer Gewinn. Wie häßlich dagegen ist es von den alten Imperatoren zu lesen, wenn sie dutzendweise in der römischen Geschichte erdrosselt und nachher in die Tiber geworfen werden. Ich meinerseits gedenke, wofern ich auch Reich und Scepter verlieren sollte, hier ruhig an der Ilm auf meinem Bette zu sterben. Von unsern Reichsangelegenheiten und besonders von Imperatoren weiter zu sprechen: ein andrer junger Dichter in Jena [A. Bode?] ist auch zu früh gestorben. Imperator konnte der zwar nicht werden, aber Reichsverweser, Major Domus oder so etwas, das wär' ihm nicht entgangen. Wo nicht, so stand ihm noch immer als einem der ersten Heroen in der deutschen Literatur ein Platz offen. Eine Pairskammer zu stiften, wozu Vermögen gehört, wäre überhaupt in der deutschen Literatur kein verwerflicher Gedanke. Hätte jener nur ein paar Jahre länger in Jena gelebt, so könnte er Pair des Reiches geworden sein, ehe er sich umsah. So aber, wie gesagt, starb er zu frühe. Das war übereilt. Man soll sich, wie es der rasche Gang unserer neuesten Literatur fordert, so schnell als möglich mit Erde bedecken. Das ist Grundsatz. Mit der Herausgabe von einigen Sonetten und ein paar Almanachen ist die Sache noch keineswegs gethan. Die literarischen Freunde des jungen Mannes haben zwar in öffentlichen Blättern versichert, seine Sonetten würden auch lange nach seinem Tode noch fortleben, ich habe mich aber nachher nicht weiter danach erkundigt, kann daher auch nicht sagen, ob es in Erfüllung gegangen ist, oder wie es sich überhaupt mit dieser Sache verhält.«
»Als ich noch jung war, hab' ich mir freilich von verständigen Männern sagen lassen, es arbeite oft ein ganzes Zeitalter daran, um einen einzigen tüchtigen großen Maler oder Dichter hervorzubringen, aber das ist lange her. Jetzt geht das Alles viel leichter vonstatten. Unsre jungen Leute wissen das besser einzurichten und springen mit ihrem Zeitalter um, daß es eine Lust ist. Sie arbeiten sich nicht aus dem Zeitalter heraus, wie es eigentlich sein sollte, sondern sie wollen das ganze Zeitalter in sich hineinarbeiten, und wenn ihnen das nicht nach Wunsche glückt, so werden sie über die Maßen verdrießlich und schelten die Gemeinheit eines Publicums, dem in seiner gänzlichen Unschuld eigentlich Alles recht ist. Neulich besuchte mich ein junger Mann, der soeben von Heidelberg zurückkehrte; ich konnte ihn kaum über neunzehn Jahre schätzen. Dieser versicherte mich im vollen Ernste, er habe nunmehr mit sich abgeschlossen, und da er wisse, worauf es eigentlich ankomme, so wolle er künftighin so wenig wie möglich lesen, dagegen aber in gesellschaftlichen Kreisen seine Weltansichten selbstständig zu entwickeln suchen, ohne sich durch fremde Sprachen, Bücher und Hefte irgend darin hindern zu lassen. Das ist ein prächtiger Anfang! Wenn jeder nur erst wieder von Null ausgeht, da müssen die Fortschritte in kurzer Zeit außerordentlich bedeutend werden.«
b.
Goethe denkt bald nach Karlsbad zu reisen. Letzthin war er göttlich bei Mde. Schopenhauer, wo er über Schiller's Cyclus »Wallenstein« sprach, welcher heute (21. April) und den Sonnabend gegeben wird. »Freilich« – sagte er unter anderm – »verlautet jetzt von dem guten Schiller, daß er kein Dichter sei (dieses predigt Passow seinen Primanern, und stand zwei Schritte von Goethe), doch wir haben da so unsere eigene Meinung darüber.« Mit dreimal kaustischer Lauge sprach er scherzend über die poetische Anarchie, wo der neueste Dichter zum größten ausgerufen werde und kam auf die Landshuter Erklärung (von Ast?), daß Friedrich Schlegel zum Hercules unter den Dichtern proclamirt sei, und jetzt, anstatt mit dem Schlegel, mit der Keule herumwandle, an der als Excrescenz auch ein Ästchen bemerkbar sei. Kurz, Goethe documentirte hier so ganz seine hohe Meisterschaft und ließ einmal hell sehen, wie er über die Alfanzereien der Zeit eigentlich denkt.
c.
Bei Gelegenheit der Recension seiner Werke in den Heidelberger Jahrbüchern von F. Schlegel sagte G., er sei damit zufrieden. Der Recensent habe sich viel Mühe gegeben und Alles bedacht und bemerkt. Nur müsse er (G.) selbst am besten wissen, wo die Zäume hingen. Er verstehe die Recension recht gut, aber gegen seine Leser, d.h. die Leser seiner Werke, habe der Recensent einen curiosen Stand. Es seien ja dies alles nur Fetzen und Lappen von seiner Existenz; da einmal ein alter Hut, und dort ein paar Schuhe und dort ein Lappen von einem Rock, den er einmal getragen. Die große Kluft, die durch die Reise nach Italien gemacht wird, zwischen den italienischen und andern Gedichten, könne man freilich nicht verlangen, daß sie der Recensent ausfüllen solle.
d.
Äußerte Goethe: »Schelme, Halbschelme sind wie die doppelfarbigen Mäntel, die man nach Gefallen umkehren kann um immer nach einer Seite zu erscheinen.«
1808, Mai, vor dem 8.
Mit Bernhard Rudolf Abeken
Mit Bernhard Rudolf Abeken
1808, 9. Mai.
Mit Johann Daniel Falk
Mit Johann Daniel Falk
»Genug!« fiel mir Goethe, als ich bis dahin gelesen hatte, mit flammendem Gesichte ins Wort. »Was wollen sie denn, diese Franzosen? Sind sie Menschen? Warum verlangen sie geradeweg das Unmenschliche? Was hat der Herzog gethan, was nicht lobens- und rühmenswerth ist? Seit wann ist es denn ein Verbrechen, seinen Freunden und alten Waffenkameraden im Unglück treu zu bleiben? Ist denn eines edeln Mannes Gedächtniß so gar nichts in euern Augen? Warum muthet man dem Herzoge zu, die schönsten Erinnerungen seines Lebens, den siebenjährigen Krieg, das Andenken an Friedrich den Großen, der sein Oheim war, kurz alles Ruhmwürdige des uralten deutschen Zustandes, woran er selbst so thätig Antheil nahm, und wofür er noch zuletzt Krone und Scepter auf's Spiel setzte, den neuen Herren zu gefallen, wie ein verrechnetes Exempel plötzlich über Nacht mit einem nassen Schwamme von der Tafel seines Gedächtnisses hinwegzustreichen? Steht denn euer Kaiserthum von gestern schon auf so festen Füßen, daß ihr keine, gar keine Wechsel des menschlichen Schicksales in Zukunft zu befürchten habt? Von Natur zu gelassener Betrachtung der Dinge aufgelegt, werde ich doch grimmig, sobald ich sehe, daß man dem Menschen das Unmögliche abfodert. Daß der Herzog verwundete, ihres Soldes beraubte preußische Officiere unterstützte, daß er dem heldenmüthigen Blücher nach dem Gefecht von Lübeck einen Vorschuß von 4000 Thalern machte, das wollt ihr eine Verschwörung nennen? Setzen wir den Fall, daß heute oder morgen Unglück bei eurer großen Armee einträte: was würde wohl ein General oder ein Feldmarschall in den Augen des Kaisers werth sein, der gerade so handelte, wie unser Herzog in dem vorliegenden Falle wirklich gehandelt hat? Ich sage euch, der Herzog soll so handeln, wie er handelt! Er muß so handeln! Er thäte sehr Unrecht, wenn er je anders handelte! Ja, und müßte er darüber Land und Leute, Krone und Scepter verlieren, wie sein Vorfahr, der unglückliche Johann, so soll und darf er doch um keine Hand breit von dieser edeln Sinnesart und dem, was ihm Menschen- und Fürstenpflicht in solchen Fällen vorschreibt, abweichen. Unglück! Was ist Unglück? Was ist Unglück, wenn sich ein Fürst dergleichen von Fremden in seinem eigenen Hause muß gefallen lassen. Und wenn es auch dahin mit ihm käme, wohin es mit jenem Johann einst gekommen ist, daß beides, sein Fall und sein Unglück, gewiß wäre, so soll uns auch das nicht irre machen, sondern mit einem Stecken in der Hand wollen wir unsern Herrn, wie jener Lukas Cranach den seinigen, ins Elend begleiten und treu an seiner Seite aushalten. Die Kinder und Frauen, wenn sie uns in den Dörfern begegnen, werden weinend die Augen aufschlagen und zueinander sprechen: das ist der alte Goethe und der ehemalige Herzog von Weimar, den der französische Kaiser seines Thrones entsetzt hat, weil er seinen Freunden so treu im Unglück war; weil er den Herzog von Braunschweig, seinen Oheim, auf dem Todbette besuchte; weil er seine alten Waffenkameraden und Zeltbrüder nicht wollte verhungern lassen!« Hier rollten ihm die Thränen stromweise von beiden Backen herunter; alsdann fuhr er nach einer Pause, und sobald er wieder einige Fassung gesammelt, fort: »Ich will ums Brot singen! Ich will ein Bänkelsänger werden, und unser Unglück in Liedern verfassen! Ich will in alle Dörfer und in alle Schulen ziehen, wo irgend der Name Goethe bekannt ist; die Schande der Deutschen will ich besingen, und die Kinder sollen mein Schandlied auswendig lernen, bis sie Männer werden, und damit meinen Herrn wieder auf den Thron herauf- und euch von dem euern heruntersingen! Ja, spottet nur des Gesetzes, ihr werdet doch zuletzt an ihm zu Schanden werden! Komm an, Franzos! Hier oder nirgend ist der Ort mit dir anzubinden! Wenn du dieses Gefühl dem Deutschen nimmst oder es mit Füßen trittst, was eins ist, so wirst du diesem Volke bald selbst unter die Füße kommen! Ihr seht, ich zittre an Händen und Füßen. Ich bin lange nicht so bewegt gewesen. Gebt mir diesen Bericht! Oder nein, nehmt ihn selbst! Werft ihn ins Feuer! Verbrennt ihn! Und wenn Ihr ihn verbrannt habt, sammelt die Asche und werft sie ins Wasser! Laßt es sieden, brodeln und kochen! Ich selbst will Holz dazu herbeitragen, bis alles zerstiebt ist, bis jeder Punkt in Rauch und Dunst davonfliegt, sodaß auch nicht ein Stäubchen davon auf deutschem Grund und Boden übrig bleibt! Und so müssen wir es auch einst mit diesen übermüthigen Fremden machen, wenn es je besser mit Deutschtand werden soll.«
Ich brauche kein Wort zu diesem wahrhaft männlichen Gespräche hinzuzusetzen, das ebenso ehrend für Goethe, als für den Herzog ist.
Als ich Goethe beim Abschied umarmte, standen auch mir die Augen voll Thränen.
1808, 14. Mai.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
»Europa – äußerte Goethe – war sonst eine der seltensten Republiken, die jemals existirt, und ging dadurch zu Grunde, daß ein Theil das sein wollte, was das Ganze war, nämlich Frankreich wollte Republik werden. – Jetzt nirgends Schutz und Hilfe. Omnia in propatulo.
Sonst, der Mensch auf sich allein gestellt, suchte er Hilfe bei anderen: in Burgen, Schlössern, bei Freunden. Jetzt, in der öffentlichsten Kommunikation hilflos, und nur durch sein Inneres zu trösten und zu helfen.
Sonst verschlossen nach außen, offen nach innen; jetzt offen nach außen, verschlossen nach innen.«
1808, 15. Mai.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 17. Mai.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 1. Juni.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1808, 2. August.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
»Hier giebt man – sagte Goethe – Concerte und Bälle, um wohlthätig zu sein, und ist wohlthätig, um mit Ehren singen und tanzen zu können. Das ist die Art von Mittelsalz, womit die moderne Welt ihre Pflicht und Vergnügen zugleich abführt, damit ja alles recht kurmäßig geschehen möge.«
1808, 11. August
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen