1805
Vor 1805.
Mit Carl Ludwig von Knebel
Mit Carl Ludwig von Knebel
Tritten des Wanderers über den Schnee sei ähnlich Dein Leben,
Es bezeichne die Spur, aber beflecke sie nicht.«Da hieraus dem Wortlaute nach leicht der irrthümliche Schluß gezogen werden könnte, das Distichon stamme von Frau Rath selbst, sei daran erinnert, daß Karl Ludwig von Knebel der Verfasser ist. Es steht mit sehr geringer Veränderung in seinem literarischen Nachlaß Band I, S. 95, unter: »Lebensblüthen in Distichen«, und heißt dort:
»Tritten des Wand'rers über den Schnee sei ähnlich mein Leben,
Es bezeichne die Spur, aber beflecke sie nicht.«
Seine Entstehung verdankt es einem heiteren Beisammensein Goethe's, Knebel's und einiger anderer Jenenser Freunde im Hause des botanischen Gartens zu Jena. Während eine lebhafte Unterhaltung die Geister völlig in Anspruch genommen hatte, war draußen der erste Schnee gefallen. Plötzlich bemerkte Goethe das überraschend veränderte Bild, und von dessen Schönheit mächtig ergriffen, schlug er vor, Jeder solle ein Gedicht darauf machen. Knebel trat an das Fenster, blickte eine Zeit lang sinnend hinaus über den Garten, das Thal, zu den Bergen – überall dieselbe blendend weiße, weiche Hülle von frisch gefallenem Schnee. Er nahm ein Blatt Papier zur Hand und schrieb das erwähnte Distichon nieder, und Goethe, der Andere so gern anerkannte, war so entzückt davon, daß er ausrief: »Knebel, für dieses Distichon gäb' ich einen Band meiner Werke hin!«
Die Enkelin Knebel's, der wir das Obige verdanken, schreibt uns dazu: »Diese kleine Episode aus dem Leben meines Großvaters habe ich in meiner Jugend oft und immer genau in derselben Weise erzählen hören, sowohl von meinem Vater als auch besonders anschaulich und lebendig von dem verstorbenen Dr. Theophilus Bayer in Jena, der als Hauslehrer des jüngsten Sohnes K. L. v. Knebel's Jahre lang in dessen Hause lebte und bis zu seinem Tode ein Freund der Familie blieb. Ich kann deshalb für die Wahrheit des Mitgetheilten einstehen.«
1804 oder 1805.
Über die katholischen Sacramente
Über die katholischen Sacramente
1805, 1. Januar.
Mit Charlotte von Stein
Mit Charlotte von Stein
1805, 26. Januar.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
1805, Ende Januar.
Bei Prinzessin Caroline
Bei Prinzessin Caroline
1805, Anfang Februar (?).
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
1805, Mitte Februar.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
Denselbigen Abend kam Stark [Professor der Medicin] aus Jena, (es war am Freitag [den 11. Februar?] Abend) der erklärte, wenn Goethe bis Sonntag früh lebte, so sei Hoffnung da. Aber schon in dieser Nacht hatte die Krankheit umgeschlagen, die Krämpfe hatten nachgelassen, das Fieber war sanfter gewesen und der Geliebte hatte über die Hälfte der Nacht ruhig geschlafen. Um 11 Uhr forderte er mich zu sich, weit er mich in drei Tagen nicht gesehen hatte. Ich war sehr bewegt, als ich zu ihm trat und konnte aller Gewalt ungeachtet, die ich mir anthat, die Thränen nicht zurückhalten. Da sah er mir gar freundlich und herzlich ins Gesicht und reichte mir die Hand und sagte die Worte, die mir durch Mark und Gebein gingen: »Gutes Kind, ich bleibe bei Euch; Ihr müßt nicht mehr weinen.« Da ergriff ich seine Hand und küßte sie wie instinctmäßig zu wiederholten Malen, aber ich konnte keinen Laut sagen ..... Mit Johann Heinrich Voß d. J.
Von dem Tage an ist Goethe zusehends besser geworden. Die Nacht vom Sonnabend bis zum Sonntag wachte ich bei ihm, und da hab' ich recht die Fortschritte beobachten können, die er machte. Als er um 12 Uhr zum ersten Mal aufwachte, fragte er mit ängstlicher Stimme: »Hab' ich auch wieder im Schlaf gesprochen?« Wohl mir, daß ich mit gutem Gewissen der Wahrheit gemäß verneinen konnte, was ich jedenfalls gelogen hätte. »Gut!« sagte er nach einer Pause, »das ist wieder ein Schritt zur Besserung.« – Wenn ich ihm dann schmeichelte, so nahm er jedesmal ganz geduldig seine Medicin, aber mit innerer Überwindung. Nun sollte ich ihm aber auch den Leib mit scharfem Spiritus einreiben und, wie der Arzt befohlen hatte, zwei mal des Nachts. Dazu konnte ich ihn nur mit Mühe bringen. Wie ich aber gar nicht ablassen wollte und immer mehr schmeichelte, sagte er endlich ganz ruhig: »Nun denn, im Namen Gottes!« Dann wachte er einmal von einem Traum auf, wo er einem Turniere beigewohnt hatte. Diesen Traum erzählte er mir mit großer Freude, und in dem Augenblicke war er an energischem Ausdruck, an Lebendigkeit, ganz Goethe, trotz seiner Krankheit. Über alles rührte mich seine wirklich väterliche und zärtliche Fürsorge für mich (ob ich mir nun nicht den Kaffee machen wollte – nun nicht ein Glas Wein trinken wollte u.s.w.), wobei er mich dann immer sein gutes Voßchen nannte. Wenn er dann wieder einschlief und sein Gesicht matt beleuchtet wurde, schien er mir immer so leidend auszusehen wie einer, der eben anfängt, sich aus einem unermeßlichen Jammer herauszuarbeiten und noch die Spuren davon in seinen Mienen trägt. Da fielen mir denn die Erzählungen von den fröhlichen Thaten seiner kraftvollen Jugend ein, die ich so manches Mal angehört hatte, und ich konnte nicht umhin, beide Zustände mit ihren schärfsten Contrasten zusammenzuhalten .....
Zwei Tage nach jener Nacht stand er zum ersten Mal wieder auf und aß ein gesottenes Ei. Bald darauf fing er auch wieder an, sich vorlesen zu lassen. Nur hielt hier die Befriedigung schwer: Goethe verlangte launige Sachen, und Du weißt, daß die heutzutage niemand schreibt. Ich brachte ihm Luther's »Tischreden« und las ihm daraus vor. Das ließ er sich gefallen eine Stunde lang. Aber da fing er auch zu wettern und zu fluchen an über die verfluchte Teufelsimagination unseres Reformators, der die ganze sichtbare Welt mit dem Teufel bevölkerte und zum Teufel personificirte. Bei der Gelegenheit hielt er ein schönes Gespräch über die Vorzüge und Nachtheile der Reformation und über die Vorzüge der katholischen und protestantischen Religion.
Ich gab ihm vollkommen recht, wenn er die protestantische Religion beschuldigte, sie hätte dem einzelnen Individuum zu viel zu tragen gegeben. Ehemals konnte eine Gewissenslast durch andere vom Gewissen genommen werden, jetzt muß sie ein belastetes Gewissen selbst tragen und verliert darüber die Kraft, mit sich selber wieder in Harmonie zu kommen. »Die Ohrenbeichte,« sagte er, »hätte dem Menschen nie sollen genommen werden.« Da sprach der Mann ein herrliches wahres Wort aus, wie mir in dem Augenblick recht anschaulich wurde. Ich selbst bin in dem Fall gewesen. Als im vorigen Sommer sich alles vereinigte, mich von Weimar weg nach Würzburg ziehn zu wollen, da fand ich nirgends Trost, so lang ich auf meinem Zimmer war; jedes Mal aber, wenn ich zu Goethe kam und ihm mein ganzes Herz (selbst alle Schwächen meiner Innerlichkeit) wie einem Beichtvater ausschüttete, so ging ich wie mit neuem Muth gekräftigt in meine Einsamkeit zurück, und ich werde ihm diese Wohlthat an mir mein Leblang danken .....Den Tag darauf, nachdem Goethe den Luther genossen hatte, ließ er ihn zur Thür heraustransportiren. – Nun liest Goethe die Cervantischen Novellen, die ihm viel Freude machen.
1805, 24. Februar.
Abend bei Goethe
Abend bei Goethe
1805, 1. März.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1805, Anfang März.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
– – – – – – – – – – – – – – – – – –
Goethe sagte neulich: er wäre recht froh, daß er mal wieder ein Stück von Shakespeare sehen sollte. Er hat nunmehr meinen »Othello« ganz gelesen und sagte mir, ich hätte in der Übersetzung alle seine Wünsche befriedigt.
1805, März oder April.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
Mit Friedrich Wilhelm Riemer
1805, Anfang April.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
1805, erste Hälfte des Mai.
Bei Friedrich Schillers Krankheit und Tod
In der letzten Krankheit Schiller's war Goethe ungemein niedergeschlagen. Ich [Voß] habe ihn einmal in seinem Garten weinend gefunden; aber es waren nur einzelne Thränen, die ihm in den Augen blinkten: sein Geist weinte, nicht seine Augen und in seinen Blicken las ich, daß er etwas Großes, Überirdisches, Unendliches fühlte. Ich erzählte ihm vieles von Schiller, das er mit unnennbarer Fassung anhörte. »Das Schicksal ist unerbittlich und der Mensch wenig!« Das war alles, was er sagte und wenige Augenblicke nachher sprach er von heitern Dingen. Aber als Schiller gestorben war, war eine große Besorgniß, wie man es Goethe beibringen wollte. Niemand hatte den Muth, es ihm zu melden. Meyer war bei Goethe, als draußen die Nachricht eintraf, Schiller sei todt. Meyer wurde hinausgerufen, hatte nicht den Muth, zu Goethe zurückzukehren, sondern ging weg ohne Abschied zu nehmen. Die Einsamkeit, in der sich Goethe befindet, die Verwirrung, die er überall wahrnimmt, das Bestreben, ihm auszuweichen, das ihm nicht entgehen kann – alles dieses läßt ihn wenig Tröstliches erwarten. »Ich merke es,« sagte er endlich, »Schiller muß sehr krank sein,« und ist die übrige Zeit des Abends in sich gekehrt. Er ahnte, was geschehen war; man hörte ihn in der Nacht weinen. Am Morgen sagt er zu einer Freundin [Christiane Vulpius]: »Nicht wahr, Schiller war gestern sehr krank?« Der Nachdruck, den er auf das »sehr« legt, wirkt so heftig auf jene, daß sie sich nicht länger halten kann. Statt ihm zu antworten, fängt sie laut an zu schluchzen. »Er ist todt?« fragt Goethe mit Festigkeit. »Sie haben es selbst ausgesprochen,« antwortet sie. »Er ist todt!« wiederholt Goethe noch einmal und bedeckt sich die Augen mit den Händen. – Um 10 Uhr sehe ich Goethe im Park gehen; ich hatte aber nicht den Muth, ihm zu begegnen. Drei Tage lang bin ich ihm ausgewichen; am vierten paßte ich die Zeit ab, wo er auf die Bibliothek gegangen war. Ich folgte ihm, wünschte ihm einen guten Morgen und fing wohl zehn bibliothekarische Fragen an, bei denen ich so wenig etwas dachte, als Goethe bei seinen Antworten, die er mit sichtbarer Geistesabwesenheit, aber mit der größten scheinbaren Geschäftigkeit mir gab. Er hatte nachher gesagt: es wäre ihm lieb gewesen, daß ich nichts von Schiller gesagt hätte, er wäre schwerlich gefaßt gewesen, mir mit Ruhe darauf erwidern zu können. – Jetzt spricht Goethe sehr selten von Schiller, und wenn er es thut, so sucht er die heitern Seiten ihres schönen Zusammenlebens auf. Bei Friedrich Schillers Krankheit und Tod
[Andere Mittheilungen über die Vorgänge nach Schiller's Tod, wie die von A. Genast – »Aus dem Tagebuche eines alten Schauspielers« – sind nicht als zuverlässig anzusehen. Voß selbst schrieb ähnlich wie hier an Solger am 22. Mai 1805.]
1805, Mitte Mai.
Mit Anton Genast
Mit Anton Genast
Einige Zeit darauf führten mich dringende Geschäfte zu ihm [Goethe]; mit Zittern und Zagen trat ich den Weg an. Er emfing mich mit ernster Miene, äußerte aber kein Wort über Schiller's Dahinscheiden. Als ich seine Befehle eingeholt hatte, wollte ich mich entfernen, da rief er: »Noch eins! Sagt dem, der die sonderbare Annonce über den Tod meines Freundes verfaßt hat, er hätte es sollen bleiben lassen. Wenn ein Schiller stirbt, bedarf es dem Publikum gegenüber wegen einer ausgefallenen Theatervorstellung keiner Entschuldigung.«
1805, 18. Mai.
Mit und über Johann Heinrich Voß d. J.
Mit und über Johann Heinrich Voß d. J.
a.
b.
1805, Ende Juni.
Mit Friedrich Heinrich Jacobi
Mit Friedrich Heinrich Jacobi
1805, 21. (?) Juli.
Mit Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
Mit Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
a.
Gleich nach meiner Rückkunft [nach Halle] sah ich ihn [Goethe] noch eine Stunde bei Wolf, den Tag darauf ging er nach Lauchstädt. Vorgestern [13. August] war ich auf einem großen Diner mit ihm bei Wolf ..... Er war gleich das erste Mal [21. Juli?] sehr freundlich mit mir, aber freilich in's rechte Sprechen bin ich noch nicht mit ihm gekommen; denn damals war Gall an der Tagesordnung, und neulich waren gar zu viel Menschen da.
b.
1805, Juli oder August.
Mit August Carus
Mit August Carus
1805, Ende Juli bis Anfang August.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
Mit Johann Heinrich Voß d. J.
1805, vor 10. August.
Über Friedrich Schiller
Über Friedrich Schiller
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen