1801
1801, Anfang.
Mit Heinrich Schmidt
Mit Heinrich Schmidt
Ich sprach [den berühmten Monolog aus »Hamlet«] wieder nach der Schlegel'schen Übersetzung und hatte dabei die Stellung angenommen, daß ich die rechte Hand an das Kinn legte, während die linke Hand den rechten Arm, an der Spitze des Elnbogens herabhängend, unterstützte. Goethe äußerte sich nicht mißbilligend über diese Stellung: auch tadelte er nicht, daß ich den größten Theil des Monologs dabei beharrt hatte;denn dieses Beharren des Schauspielers in einem Gest theile dem Zuschauer das Gefühl einer gewissen Ruhe und Sicherheit mit, das jeder Darstellung wohl zustatten komme, und sei bei tragischen Rollen insbesondere von größerer Wirkung als das öftere Wechseln der Stellung und der Gesten, wenn diese nicht durch besondere Ursachen etwa bedingt würden. Doch müsse ich nicht glauben, daß ich nun durch Wahl und Ausführung der angegebenen Stellung dem Ziel, dem Auge ein gutes Bild vorzurücken, viel näher gekommen sei, wenn nicht alles und jedes miteinander übereinstimme. Hier sei z. B. die Hand unter dem rechten Elnbogen jetzt in eine Faust zusammengezogen, was jedoch gegen alle Regel der Schönheit sei. »Die Hand muß so gehalten werden!« sagte er und streckte mir dabei seine Hand hin, von der er die mittelsten zwei Finger etwas auseinanderhielt, die letzten aber außerdem etwas gebogen herabhängen ließ. »So ist sie harmonisch mit dem Ganzen, in der rechten Form und anmuthig zugleich; doch sie so zu biegen und zu gestalten sieht leichter aus, als es ist. Nur langer Umgang mit der Malerei, mit der Antike insbesondere, verschafft uns eine solche Gewalt über die Theile des Körpers; denn es gilt hier nicht sowohl Nachahmung der Natur, als ideale Schönheit der Form. Bei Veränderung der Stellungen und Geberden ist vorzüglich zu beobachten, daß sie vorbereitet und langsam geschehe, nicht etwa mitten in der Rede, wobei immer Mäßigung hauptsächlich zu empfehlen ist, damit man zur Steigerung der Effecte Ausdauer gewinnt.« Besonders empfehle er mir, den obern Theil des Arms so ruhig, als möglich zu halten, sowie mit dem Arm nicht den Körper zu decken und ihn dadurch gleichsam zu durchschneiden. Der Körper muß immer möglichst frei und zwei Drittheile dem Publikum zugekehrt bleiben, damit alles Profilspiel vermieden werde. Um sich Geberdenspiel zu erwerben und das Spiel der Arme gelenksam und bezeichnend zu machen, empfahl er bei Übung der Rolle gegen einen Spiegel gekehrt zu sprechen, wobei der Schauspieler jede unrichtige Bewegung bemerken und die passendsten Gesten wählen könne, vorausgesetzt jedoch, daß er vorher seine Aufgabe, seinen Charakter gut durchstudirt habe. Übrigens gab er mir den Rath, auch im Lebensverkehr nie die Haltung und das Geberdenspiel aus dem Auge zu verlieren, sondern immer an mir zu beobachten; denn dies erleichtere die Aufgabe auf der Bühne außerordentlich. Besonders müsse man bei einem Monolog daran denken, daß man nun allein im Rahmen stehe und daher dem Auge des Zuschauers auch allein ausgesetzt sei. In Bezug auf die Declamation dieses Monologs traf Goethes erste Bemerkung die Stelle der Übersetzung:
Die unsers Fleisches Erbtheil - 's ist ein Ziel
Auf's innigste zu wünschen.
»Das ist ganz gefehlt! Setzen Sie ein ›sind‹ dazu, wenn es nicht dasteht; denn das Erste von der Bühne herab ist Verständlichkeit; daher ist die vollständige Aussprache jeder Silbe, umsomehr jedes erforderlichen Wortes nöthig. Nichts darf dem Zuhörer vorenthalten werden, damit er hauptsächlich verstehe, was zu verstehen ist.« Besonders warnte er vor allem Dialect, wobei er die dem Sachsen eigene offene Aussprache des e, wie geben, leben (in Sachsen oft wie gäben, läben) als ihm besonders gehässig bezeichnete. Vor allem aber solle anfänglich die Rolle, bevor sie gelernt werde, recht langsam und bestimmt gesprochen und dabei der Ton so tief als möglich gehalten werden, um für die Steigerung auszureichen. Beim Auswendiglernen derselben sei vorzüglich darauf zu sehen, daß es nicht mit falscher Accentuation u. s. w. geschehe; daß jedes Wort richtig, dem Sinn gemäß gesprochen werde; denn sonst werde der Vortrag und die Aussprache immer fehlerhaft bleiben.
1801, 26. Januar.
Mit Charlotte von Stein
und Charlotte von Schiller
Mit Charlotte von Stein
und Charlotte von Schiller
1801, 1. März (?)
Mit Heinrich Schmidt
Mit Heinrich Schmidt
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Als Goethe zurückgekommen, ertheilte er mir für den Fall, daß ich nun noch bei meinem Vorsatz beharren wollte, die höchst willkommene Erlaubniß, zweimal die Woche zu ihm zu kommen und mit ihm eine auswendig gelernte Rolle durchzugehen.
1801, 10. April.
Über Gernings »Säculargedicht«
Über Gernings »Säculargedicht«
Wo ihm Weisheit, Kunst und die höchste Dichtkunst,
Jede den Kranz flicht.
Kant blieb – er konnte nicht höher gefeiert werden; – es war ganz im Sinne des großen Urtheils über ihn1 – und Goethe ist zu beklagen, daß er's nicht verstanden hat. Schiller und Niethammer müssen's ihm erst erklären.
1 In Herder's »Metakritik.«
1801, Ende Mai.
Über Johann Gottlieb Fichte
Über Johann Gottlieb Fichte
Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sonne Licht,
Leser, nur an meiner Wahrheit
Und an Deiner Dummheit nicht.
Das Fundament des Einfalls ist von S[chelling], die letzte Zeile von mir [Caroline Schlegel]. S. hat es G[oethen] mitgetheilt, der, sehr darüber ergötzt, sich gleich den »sonnenklaren« geben ließ, um sich auch ein paar Stunden von F[ichte] maltraitiren zu lassen, wie er sich ausgedrückt hat.
1801, 8. (?) Juni.
Mit Christian Gottlob Heyne
Mit Christian Gottlob Heyne
1801, October (?).
Bei Louise von Göchhausen
Bei Louise von Göchhausen
Goethes Aufforderung hätte eigentlich unsre Wirthin wegen ihres Alters und ihrer Mißgestalt beleidigen können, wäre die sogenannte »gute Dame« nicht schon längst an unzarte Behandlung gewöhnt gewesen. ... Daher kam es denn im gegenwärtigen Falle, daß sie sogleich in seinen Vorschlag einging und mit der ihr eigenen komischen Manier erklärte: sie sei bereit dem Aufruf Folge zu leisten, da sie mit Gewißheit darauf rechnen könne, einen treuen Seladon zu finden; die anderen schönen Damen möchten nur ihr Heil versuchen, ob ihnen ebenso dienstwillige Narren zu Gebote stehen würden, als ihr.
Goethe nahm diese humoristische Erklärung mit dem lebhaftesten Beifall auf und begab sich sogleich an den Schreibtisch unserer gefälligen Wirthin, wo er in der größten Geschwindigkeit die folgenden Statuten der cour d'amour improvisirte:
Erstlich sollte die zu errichtende Gesellschaft aus lauter wohlassortirten Paaren bestehen, die Versammlung derselben wöchentlich einmal, Abends nach dem Theater im Goethischen Hause stattfinden und dort ein Souper eingenommen werden, zu welchem die Damen das Essen, die Herren den Wein liefern würden.
Zweitens werde jedem Mitgliede die Erlaubniß ertheilt, einen Gast mitzubringen, jedoch nur unter der unerläßlichen Bedingung, daß dieser allen Theilen gleich angenehm und willkommen sei.
Drittens dürfe während des Beisammenseins kein Gegenstand zur Sprache kommen, der sich auf politische oder andere Streitfragen beziehen könnte, damit die Harmonie des Vereins keine Störung erleide.
Viertens und letztens sollten die gegenseitig erwählten Paare nur so lange zur Ausdauer in dem geschlossenen Bündniß verpflichtet sein, bis die Frühlingslüste den Eintritt der milderen Jahreszeit verkündigten, wo dann jedem Theile freistehen müsse, die bisher getragenen Rosenfesseln beizubehalten oder gegen neue zu vertauschen.
1801, 8. November.
Mit Friedrich Wilhelm Joseph Schelling
Mit Friedrich Wilhelm Joseph Schelling
1801, November.
In der Cour d'amour
In der Cour d'amour
1801, Ende December (?).
Über Kotzebues Ausschließung
aus der Cour d'amour
Über Kotzebues Ausschließung
aus der Cour d'amour
a.
Da es für die höchste Auszeichnung galt, einer Gesellschaft einverleibt zu sein, in welcher der Dictator von Weimar präsidirte,.. fühlten sich auch die meisten Ausgeschlossenen tief verletzt, insbesondere Kotzebue, der sich... geschmeichelt hatte, es müsse ihm gewährt werden, was anderen versagt blieb, und zur Erreichung dieses Vorzugs seine Gönner und Freunde in Bewegung setzte, vor allen Anderen aber Böttiger, der die rechte Hand der Göchhausen war. Der dienstwillige Böttiger bot gern die Hand dazu, seinen Einfluß auf die Göchhausen geltend zu machen. .... Trotz ihrer Klugheit ließ sich die Göchhausen von ihrer Neigung zur Intrigue verleiten, einen Versuch in der Sache zu machen, der jedoch an Goethes Starrsinn und Willenskraft scheiterte. Es erfolgte zwischen beiden eine heftige Scene, worin er der kleinen Dame mit harten Worten ihre Achselträgerei vorwarf und ihr unter Hinweisung auf den 2. Paragraph der Statuten sogar die geringe Gunst versagte, ihren Protegé nur einmal als Gast einführen zu dürfen.
b.
Kotzebue.. mußte dies wohl um so empfindlicher vermerken, da ..... Goethe überdem durch ein flüchtiges Bonmot, was Kotzebue'n indeß bald genug wieder zu Ohren kam, seine Eitelkeit noch mehr gereizt hatte. Es ist nämlich bekannt, daß zu Japan neben dem weltlichen Hofe des Kaisers auch ein geistlicher Hof ... besteht. ... Nun hatte Goethe im Scherze einmal gesagt: es helfe dem Kotzebue zu nichts, daß er an dem weltlichen Hofe zu Japan aufgenommen sei, wenn er sich nicht auch zugleich bei dem geistlichen Hofe daselbst einen Zutritt zu verschaffen wisse.
c.
Er [Goethe] gab .. eine Caricatur an: Goethe mit einigen andern ... wandelt in den Propyläen unter den Säulengängen vornehm gutmüthig herum. Unten hat Kotzebue die Hosen abgezogen und setzt einen Sir Reverence, indem er sehnsuchtsvoll hinanblickend spricht: Ach, könnt' ich doch nur dort hinein! Bald sollt's voll Stank und Unrath sein.
[Böttiger bezieht zwar die Mittheilung c auf Kunstverhältnisse, was aber keinen erkennbaren Sinn giebt, während es an der Stelle, an der es hier eingereiht ist, gut paßt. Sie Propyläen – mit Beziehung auf die von Goethe herausgegebene Zeitschrift – deuten eben hier nur die Welt an, in der Goethe und seine Gesellschaft sich bewegten.]
1801, Ende December.
Bei Einübung von Schlegels »Ion«
Bei Einübung von Schlegels »Ion«
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