> Gedichte und Zitate für alle: Woldemar von Biedermann : Gespräche Goethes 1809-2 (49)

2019-10-04

Woldemar von Biedermann : Gespräche Goethes 1809-2 (49)






1809, 24. August.
Mit Friedrich Wilhelm Riemer

Vorgelesen aus Halem's Geschichte Peters des Großen. Äußerung Goethes:
»Was haben die Deutschen an ihrer scharmanten Preßfreiheit gehabt? als daß jeder über den andern soviel Schlechtes und Niederträchtiges sagen konnte, als ihm beliebte.«


1809, 25. August. 
Mittag bei Frommanns


Mittags mit Goethe und Knebel bei Frommanns. Äußerte Goethe: »Man braucht nicht alle Gesetze auszusprechen, weil sie sich von selbst verstehen. Es existirt kein Gesetz, daß man nicht auf die Schloßtreppe – soll. Wer es sich aber einfallen ließe, den nähme man bei den Ohren. Strafen wir nicht auch unsere Kinder, ohne daß ein Gesetz für jeden Fall da ist? und werden wir nicht alle im Leben durch Schaden klug?«


1809, 29. August 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer

Bei Goethe. Aus Schlegel's Vorlesungen vorgelesen. Was A. W. Schlegel am Äschylus tadelte, daß sein Chor meist die Hauptperson ist, findet Goethe ebenso zu loben und als das rechte. Zu den Supplices hat er früher das dritte Stück der Trilogie erfunden und im Kopfe ausgeführt, aber nichts aufgeschrieben.

»Das ist eben das Vortreffliche, daß aus der Masse des Chors (der Danaiden), der überein gesinnt ist, eine, die Hermione, als der Gegensatz, heraustritt.«


1809, Sommer. 
Mit Clemens Brentano


In Jena fand ich Goethe beim Mittagsessen; ich trank ein Glas Wein mit ihm und er gab mir ein Stück Käse dazu. Er war sehr freundlich und sprach mit ungemeiner Hochachtung von der »Einsiedlerzeitung« und dem »Wintergarten«; die Erzählung von der Engländerin nannte er ganz vortrefflich, aber die Nelsons-Romanzen schienen ihm, wie die meisten Arnim'schen Verse, unklar, ungesellig und zum Traum geneigt; er bediente sich dabei des Ausdrucks: »Wenn wir, die wir ihn kennen, lieben und hochschätzen, von dieser unangenehmen Empfindung gepeinigt werden, wie darf er sich betrüben, daß andere ihn aus solchem nicht kennen, lieben und hochschätzen lernen werden.«


1809, Sommer. 
Mit Clemens Brentano


Auf meiner Reise hierher habe ich Goethe in Jena besucht und einpaar Stunden freundlich mit ihm geredet. Er hat von der unglücklichen »Einsiedlerzeitung« mit ungemeiner Achtung gesprochen; es sind seine Worte: daß nie ein so mannigfaltiges, reiches und geistreiches Zeitblatt geschrieben sei, und daß es ihm nebst vielen andern Freunden sehr leid sei, daß es durch Zufall, durch Zeitgeist und durch einige Ungeschicklichkeit in der Manier, die aber von mancher Originalität schwer zu trennen sei, nicht den vollkommenen Succeß gehabt, den es verdient, und daß er nicht zweifle, es werde noch einst sehr gern und mit Nutzen gelesen werden. – Von Arnim's »Wintergarten« aber sprach er mit ganz ungetheilter Achtung; er versicherte mich, daß er es für eines der am besten geschriebenen deutschen Bücher halte, und daß es ihn durchaus erfreut habe.


1809, 6. September. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer 


Nach Tische Schlegel's Vorlesungen über Euripides. Goethe bemerkte: Warum difficilis in perfecto mora sei? Die Kunst lasse sich allerdings mit einem Conus oder einer Pyramide vergleichen, deren oberste Spitze durch ein Individuum gebildet werde (z. E. Raffael). Nun gehe die Kunst nicht zurück oder abwärts, aber die Nachfolger blieben aus Bequemlichkeit nur unter derselben zurück, weil sie sich nicht mehr bestreben möchten, sondern sich mit dem Machen begnügten, wie ja alles Publicum nur auf's Machen sehe. Raffael selbst, wenn er älter geworden, würde Euripidisch geworden sein, wohin er sich in späteren Sachen neige. Beispiele an den Darstellungen des Bethlehemitischen Kindermords.

1809, 25. September. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


»So wie am Ende ein großes Individuum den Wissenschaften Face machen muß, so ist es am Ende auch nur das Individuum, welches originäre, primäre Vorstellungen hat, das eigentlich Schätzbare und das, was zählt. Die Andern erhalten ihre Vorstellungen nur als Reflex, als Wiederschein. Sie kleiden sich in gewisse Vorstellungen, wissenschaftliche oder sittliche, wie in Modetrachten.«


1809, 26. September. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


»Es ist eine eigene Sache, wenn der Sohn ein Metier ergreift, das eigentlich das Metier des Vaters nicht ist; doch mag es auch sein Gutes haben. Wenn einerseits eine Trennung zu entstehen scheint, so entsteht von der andern [Seite] eine Vereinigung, weil denn doch zuletzt alles Vernünftige und Verständige zusammentreffen muß. Im Grunde bin ich von Jugend her der Rechtsgelahrtheit näher verwandt als der Farbenlehre, und wenn man es genau besieht, so ist es ganz einerlei, an welchen Gegenständen man seine Thätigkeit üben, an welchen man seinen Scharfsinn versuchen mag.«


1809, September. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


»Die mittleren, d.h. die indifferenten Zustände sind für einen Gott oder für ein Thier. Die Extreme Haß und Liebe, Sieg oder Tod, Herrschaft oder Unterwerfung sind nur für Menschen. Solon wollte durchaus keine Neutralität oder Unparteilichkeit (Unparteiischheit), denn sie ist nur eine versteckte Oberherrschaft.«


1809, 6. October. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


Mittags bei Goethe. Über den komischen Roman und dessen Motive, den er vorhat.


1809, 16. October. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer



a. 


1755 nach dem Erdbeben von Lissabon fing Goethe als ein Kind von 6 Jahren das erste Mal an still für sich an Gott zu zweifeln, da er so etwas zulassen könne und nicht, wie schon im Alten Testament, wenigstens Weiber und Kinder verschone.

b.

Junge Gänschen sehen so altklug aus, besonders um die Augen, so vielgelebt, und werden doch mit jedem Tage wie größer, so dümmer. (Auf einem Spaziergange gemeinschaftlich bemerkt.)

1809, 2. November. 
Über Aloys Ludwig Hirt 


»Seine Art zu disputiren war, daß er die ihm widersprechende Meinung des andern zu seinen Prämissen machte und seine Conclusionen daraus zog.«


1809, 2. bis 4. November. 
Mit Adam Oehlenschläger


Goethe empfing mich höflich aber kalt und beinahe fremd. Hatten so viele andere nachherige Ereignisse »das Andenken guter Stunden«, das mir so theuer und unvergeßlich war, in seiner Seele ausgelöscht? .... Freilich suchte ich den Schmerz zu unterdrücken, auch hoffte ich, wenn ich Goethe meinen »Correggio« vorgelesen hätte, daß das alte Verhältniß wieder eintreten sollte. Aber daraus ward nichts! Als ich ihm durch Riemer sagen ließ, ich hätte eine neue Tragödie geschrieben, die ich ihm vorzulesen wünschte, ließ er mir sagen: Ich möchte ihm das Manuscript geben, er wolle es gern selbst lesen. – ich sagte: »Er kann es nicht selbst lesen, ich habe nur eine schlecht geschriebene Kladde bei mir, voll umgeschriebener Worte und Veränderungen.« Doch gab ich Riemer das Manuscript. Er brachte mir es zurück und sagte, Goethe könne es freilich nicht lesen. Das schmerzte mich, doch suchte ich mich aufrecht zu halten und guter Dinge zu sein. Goethe lud mich höflich zweimal zu Tische, und da war ich keck und satirisch, weil ich nicht kindlich und herzlich sein konnte. Unter anderm recitirte ich einpaar Epigramme, die ich nie habe drucken lassen, auf einpaar bekannte Schriftsteller. Goethe sagte hier wieder gemüthlich: »So etwas sollt Ihr nicht machen! Wer Wein machen kann, soll keinen Essig machen.« Ich: »Haben Sie denn keinen Essig gemacht, Herr Geheimrath?« Goethe: »Teufel noch einmal! weil ich es gemacht habe, ist es darum recht?« Ich: »Nein! Indeß wo Wein gemacht wird, fallen viele Trauben ab, die zum Wein nichts taugen, sie können aber einen guten Weinessig geben; und Essig ist gut gegen Fäulniß!«


1809, 6. November. 
Mit Adam Oehlenschläger 


So nahmen wir einen kalten Abschied. Das war mir aber in meiner tiefsten Seele zuwider; denn keinen Mann in der Welt liebte und schätzte ich mehr, wie Goethe, und nun sollte ich ihn vielleicht nie mehr im Leben sehen! Die Postpferde waren um fünf Uhr den nächsten Morgen bestellt. Die Uhr war halb elf des Abends; ich saß in meiner Stube betrübt allein, das Haupt an die Hand gelehnt, Thränen im Auge. Da ergriff mich ein unbezwingbares Sehnen, ihn noch zuguterletzt an mein Herz zu drücken, aber zugleich rührte sich auch in meiner Brust der Stolz gekränkter Ehre und ich wollte nicht in Demuth vor ihm erscheinen.

Ich lief nach Goethes Hause und sah noch Licht; ich ging zu Riemer auf sein Zimmer und sagte: »Lieber Freund, kann ich nicht Goethe einen Augenblick sprechen? Ich möchte ihm gern noch ein Lebewohl sagen.« Riemer wunderte sich, weil er mich aber in Gemüthsbewegung sah und alles wußte, antwortete er: »Ich will es ihm sagen; ich will sehen, ob er noch nicht zu Bette ist.« – Er kam zurück und bat mich einzutreten, indem er sich selber entfernte. – Da stand der Verfasser [von] »Götz von Berlichingen« und »Hermann und Dorothea« im Nachtkamisol und zog seine Uhr auf, um zu Bett zu gehen. Als er mich sah, sagte er freundlich: »Nun, mein Bester! Sie kommen ja wie der Nicodemus.« – »Herr Geheimrath!« sprach ich, »erlauben sie, daß ich dem Dichter Goethe auf ewig Lebewohl sage.« – »Nun, leben sie wohl, mein Kind!« versetzte er herzlich. »Nichts mehr! Nichts mehr!« rief ich gerührt und verließ schnell das Zimmer.


1809, 13. November. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


Bei Gelegenheit des Theaters, und was dabei vorgeht, scheinbar ohne Goethes Wissen, sagte er, daß er mehr davon misse, als Gott selbst, der sich um solchen Dreck nicht bekümmere.


1809, 17. November. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer 


Gegen Abend zu Goethe. Über Calderon, da er ihn diesen Abend bei der Herzogin vorlesen wollte.

Unendliche Produktivität des Calderon, und Leichtigkeit des Gusses (wie wenn man Bleisoldaten oder Kugeln gieße). – Lopez schrieb nur für's Volk und wollte nur dafür schreiben. – Shakespearen versteht man erst, wenn man Ben Johnson gelesen. Dessen Lear noch ganz romantisch, von Shakespeare in's Tragische gehoben. Seinen Bastard in »König Johann« habe Shakespeare zum Narren gemacht, zwar mit Genie. Das Prag matischste in der Welt sei Shakespeares »Coriolan,« wie alles, was er später gemacht; das Dramatischste sein »Macbeth«.


1809, 21. November. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


Bei Goethe. Über die Wirkungen des neuen Romans. Zustand der Deutschen vor Einfall der Franzosen, daß jedes Individuum sich auf seine Art ausbilden konnte.


1809, 23. November. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer

Mittags allein mit Goethe. Über neue Motive zu dem Roman der »Wanderjahre«. Gegen Abend unten. Neue Geschichte dazu erfunden, von dem katholischen Weltgeistlichen, der das Wunder der Ähnlichkeit eines Kindes mit einem vermeintlichen Vater durch andere wunderbare und spaßhafte Erzählungen und Geschichten der Art bestätigt. Verzeichnis der Autographen angefangen. Seltener Druckfehler:

Statt: Ringellocken voll junger Silfen

Ringellocken voll Ungeziefer.


1809, 24. November. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer

Mittags allein. Über die Weiber, weibliche Schälke, die Humboldt und Bohn. Zur Charakteristik derselben etc. Merkwürdige Reflexion Goethes über sich selbst:

Daß er das Ideelle unter einer weiblichen Form oder unter der Form des Weibes concipirt. Wie ein Mann sei, das wisse er ja nicht. Den Mann zu schildern sei ihm nur biographisch möglich, es müsse etwas Historisches zum Grunde liegen.


1809, 25. November. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


Mittags allein mit Goethe. Romanmotive. Goethes Vorsatz, seine Recensionen zu sammeln und herauszugeben, mit einem Anhang verspäteter (als über Iffland's Theaterkalender, Naturdichter Hiller etc.) und neue dazu zu machen (um die Heidelberger zu schinden).


1809, 29. November. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer 


Goethe war bei [Oberconsistorialrath] Günther gewesen und bemerkte:

»Wenn sie beide [er und Günther] zusammen kämen, das komme ihm immer so vor, als wenn ein paar indische Götter sich so einander besuchen und etwas von einander haben wollen.«

Es war wegen einer Begräbnißstelle für die Goresche Familie.


1809, 6. und 10. December. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer

Unter andern Philisterkritiken über die »Wahlverwandtschaften« war auch die, daß man keinen Kampf des Sittlichen mit der Neigung sehe.

Dieser Kampf ist aber hinter die Scene verlegt, und man sieht, daß er vorgegangen sein müsse. Die Menschen betragen sich wie vornehme Leute, die bei allem innern Zwiespalt doch das äußere Decorum behaupten.

Der Kampf des Sittlichen eignet sich niemals zu einer ästhetischen Darstellung. Denn entweder siegt das Sittliche, oder es wird überwunden. Im erstern Fall weiß man nicht, was und warum es dargestellt worden; im andern ist es schmählich, das mit anzusehen; denn am Ende muß doch irgend ein Moment dem Sinnlichen das Übergewicht über das Sittliche geben, und eben dieses Moment giebt der Zuschauer gerade nicht zu, sondern verlangt ein noch schlagenderes, das der Dritte immer wieder eludirt, je sitticher er selbst ist.

In solchen Darstellungen muß stets das Sinnliche Herr werden; aber bestraft durch das Schicksal, d.h. durch die sittliche Natur, die sich durch den Tod ihre Freiheit salvirt.

So muß der Werther sich erschießen, nachdem er die Sinnlichkeit Herr über sich werden lassen. So muß Ottilie karteriren, und Eduard desgleichen, nachdem sie ihrer Neigung freien Lauf gelassen. Nun feiert erst das Sittiche seinen Triumph.


1809, 12. December. 
Mit Wilhelm Grimm



a. 


Nachts um 3 Uhr reiste ich von Naumburg ab, kam .... [den 11. December] Mittags um 3 Uhr allhier an. Ich zog mich gleich an und ließ mich nach Goethes Haus führen, das sehr nett und schön da steht. Er war aber krank, vorher bedeutend krank gewesen und jetzt in der Besserung, daß er mich nicht annehmen konnte, also gab ich Arnim's Brief ab. Ich ging dann zu der Dame Schopenhauer, die hier die Honneurs macht, und überreichte meinen Brief; wohin bald Goethes Bedienter kam und mir sagte, Herr Doctor Riemer, Goethes Sekretär, werde mich in die Comödie abholen. Das geschah dann und wir gingen in Goethes Loge, die unter der fürstlichen ist .... Goethes Bedienter bat mich, den andern Tag erst auf die Bibliothek zu gehen und dann um 12 Uhr zu dem Geheimen Rath zu kommen. Auf der Bibliothek wurde ich artig genug empfangen und um 12 Uhr ging ich dann hin .... Hier mußt' ich einige Zeit warten, daraus trat er selbst hinein, ganz schwarz angezogen mit den bei den Orden und ein wenig gepudert. Ich hatte nun sein Bild oft gesehen und wußte es auswendig, und dennoch, wie wurde ich überrascht über die Hoheit, Vollendung, Einfachheit und Güte dieses Angesichts. Er hieß mich sehr freundlich sitzen und fing freundlich an zu reden; was er gesagt, sag' ich Dir mündlich wieder, aufschreiben kann ich es nicht: er sprach von dem Nibelungenlied, von der nordischen Poesie, von einem Isländer Ar[e]ndt, der eben dagewesen und ein vollständiges Manuscript der Edda Saemundina gehabt, aber höchst bizarr und ungenießbar und starr gewesen, von Oehlenschläger, von den alten Romanen, er lese eben den »Simplicissimus«, und dergleichen, und ich mußte ihm meine Übersetzung der »Kämpe Viser« geben. Ich blieb fast eine Stunde da, er sprach so freundlich und gut, daß ich dann immer nicht daran dachte, welch ein großer Mann es sei, als ich aber weg war oder wenn er still war, da fiel es [mir] immer ein, und wie gütig er sein müsse und wenig stolz, daß er mit einem so geringen Menschen, dem er doch eigentlich nichts zu sagen habe, reden möge.

b. 

Vorlesung des »Simplicissimus«. Goethe sagte von ihm: er sei in der Anlage tüchtiger und lieblicher als der »Gilblas«. Nur können sie kein Ende finden, Verleger und Publicum, daher es zuletzt Collectiv werde.


1809, 12. (?) December. 
Mit Wilhelm Grimm


Zu Grimm äußerte er sich sehr schön über den Simplicissimus, unter andern.. meinte er: es sei zwar viel Poesie darin, aber kein Geschmack.


1809, 13. December. 
Mittag bei Goethe



a. 
Tags darauf wurde ich [W. Grimm] zum Mittagsessen bei ihm eingeladen. Seine Frau, die sehr gemein aussieht, ein recht hübsches Mädchen, dessen Namen ich wieder vergessen, die er aber, däucht mir, als seine Nichte vorstellte, und Riemer waren da. Es war ungemein splendid: Gänseleberpasteten, Hasen dergl. Gerichte. Er war noch freundlicher, sprach recht viel und invitirte mich immer zum Trinken, indem er an die Bouteille zeigte und leis brummte, was er überhaupt viel thut; es war sehr guter Rothwein und er trank fleißig, besser noch die Frau. Er sagte unter andern, daß er das Bild der Bettine von Louis [Grimm] erhalten, und lobte es dabei sehr: es sei eine sehr zarte Nadel darin, recht ähnlich und überhaupt schön componirt und gehalten, und habe ihm viel Freude gemacht. Ich sagte, daß Bettine selbst nach Berlin geschrieben, daß es nicht ganz ähnlich. Er antwortete: »Ja, es ist ein liebes Kind; wer kann sie wohl malen! wenn noch Lukas Kranach lebte, der war auf so etwas eingerichtet.« Der Tisch dauerte von 1 bis halb 4 Uhr, wo er aufstand und ein Compliment machte, worauf ich mit Riemer wegging.

b. 

Kleiner Unterschied. »Wer Christi Fleisch und Blut genießt, ist ein cultivirter Mensch; wer Christen-Fleisch und Blut genießt, ein wilder Barbar.«


1809,17. December. 
Bei Anwesenheit



a. 



Viele Damen, auch Grimm und Hagen .....
Goethes Bemerkung, bei Gelegenheit des »Simplicissimus«: daß so wie die guten Werke und das Verdienstliche derselben aufhören, dafür sogleich die Sentimentalität bei den Protestanten eintrete.

b.

Bei den Weibern zählt einer wenigstens mit, wiegt er auch nicht mit. Sie schätzen die Courmacher nach der Zahl, nicht nach dem Gewichte.


1809, 23. December. 
Mit Wilhelm Grimm 


Noch war die Erledigung der beiden Hauptsachen [die Verleihung der Handschriften von Minneliedern in den Bibliotheken zu Jena und Weimar an J. Grimm nach Cassel] keinen Schritt vorwärts gerückt. Er [W. Grimm] ging zu Goethe und berichtete ihm die Mißerfolge seiner Jenaer Reise. Betreffs der Weimarer Manuscripte erhielt er nun eine bestimmte Antwort, die ›wie vieles in Goethes Wesen‹, auf ein ›formelles, förmliches‹ Verfahren eingerichtet war. Jakob sollte in seinem amtlichen Charakter und als Bibliothekar an ihn schreiben und förmlich um die Mittheilung der Handschriften bitten, auch der anderen Herren erwähnen, welche mit zu disponiren hätten. Dann wollte Goethe »davon reden«; die Handschriften würden mit der Post nach Cassel abgehen .....

Die Hoffnung auf eine Förderung der Uebersetzungen aus dem Dänischen und Schottischen zerrann dagegen gänzlich. Goethe, der sich nach dem Tagebuch auch Henriette Schubart's Balladen hatte geben lassen, nahm selbst oder durch Grimm's und Riemer's Vortrag Einblick in diese Poesien. »Sie sind wunderbar, und wir haben dergleichen nicht gemacht; wir müssen davor erstaunen,« äußerte er, als er die Manuscripte zurückgab.


1809, 27. December. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer

»Wenn wir nicht so ehrliche rechtschaffene Leute wären, so möchten wir wohl (auch) solche Schelme sein wie ihr.«

Das ist ohngefähr das Apophthegma aller der sogenannten Patrioten, die um der Lumpe willen sich für diese aufopfern.

Wer über den Egoismus, Selbstsucht u.s.w. klagt, Dinge, die dem Egoismus des dunkeln großen Haufens entgegenstehen, ist in dem Fall, daß er den Egoismus der Gescheidten beneidet, weil Gott weiß was ihn abhält, ebenso gescheidt zu sein.


1809, 31. December. 
Mit Friedrich Wilhelm Riemer


»Das Publicum besonders das deutsche, ist eine närrische Carricatur des Demos. Es bildet sich wirklich ein, eine Art von Instanz, von Senat auszumachen und im Leben und Lesen dieses oder jenes wegvotiren zu können, was ihm nicht gefällt. Dagegen ist kein Mittel als ein Mittel Ausharren.«


1809 (?). 
Über die »Wahlverwandschaften«

a. 

Das Werk wird von den einen zu übermäßig gelobt, von den andern vielleicht zu scharf getadelt, auch gehört es von Einer Seite unter die besten, von der andern unter die tadelnswürdigsten Producte seines genialischen, aber das Publicum gar zu sehr verachtenden Urhebers. Das Buch muß (wie Goethe selbst sagt) dreimal gelesen werden, und ich zweifle nicht, wenn Du [Charlotte Geßner geb. Wieland] es zum dritten Mal, folglich mit ganz ruhiger Besonnenheit gelesen hast, so wird Dein eignes Urtheil mit dem meinigen ziemlich zusammenstimmen.

b. 

»Ich kann dieses Buch durchaus nicht billigen, Herr von Goethe; es ist wirklich unmoralisch, und ich empfehle es keinem Frauenzimmer.«

Darauf hat Goethe eine Weile ganz ernsthaft geschwiegen und endlich mit vieler Innigkeit gesagt: »Das thut mir leid, es ist doch mein bestes Buch. Glauben Sie nicht, daß es die Grille eines alten Mannes ist – ja, man liebt das Kind am meisten, welches aus der letzten Ehe, aus der spätesten Zeit unserer Zeugungskraft stammt. Aber Sie thun mir und dem Buche Unrecht. Das Gesetz in dem Buche ist wahr, das Buch ist nicht unmoralisch, Sie müssen's nur vom größeren Gesichtspuncte betrach ten; der gewöhnliche moralische Maßstab kann bei solchem Verhältniß sehr unmoralisch auftreten.«

c. 

»Ob die ›Wahlverwandtschaften‹ wahr sind, ob sie auf Thatsächlichem beruhen? Jede Dichtung, die nicht übertreibt, ist wahr, und alles, was einen dauernden, tiefen Eindruck macht, ist nicht übertrieben. Übrigens soll es den Menschen gleichgültig sein; der bloßen Neugierde muß man nicht redestehen. Das Benutzen der Ergebnisse ist mir immer alles gewesen; das Erfinden aus der Luft war nicht meine Sache: ich habe die Welt stets für genialer gehalten, als mein Genie.«


1809 (?). 
Mit Friedrich von Müller


Einst, als in den ersten Jahren nach der Schlacht von Jena die große Freimüthigkeit der Herzogs in seinen politischen Urtheilen und Äußerungen und seine fortwährend höchst unverhehlte Anhänglichkeit an die Krone Preußen ernsthafte Besorgnisse erregten, beruhigte mich Goethe mit den Worten: »Sei'n wir unbesorgt! Der Herzog gehört zu den Urdämonen, deren granitartiger Charakter sich niemals beugt, und die gleichwohl nicht untergehen können. Er wird stets aus alten Gefahren unversehrt hervorgehen. Das weiß er recht gut selbst, und darum kann er so vieles wagen und versuchen, was jeden andern längst zugrunde gerichtet hätte.«


1809 (?). 
Über Heinrich von Kleist
und Gotthold Ephraim Lessing

Einst kam das Gespräch auf Kleist und dessen »Käthchen von Heilbronn«. Goethe tadelt an ihm die nordische Schärfe des Hypochonders; es sei einem gereiften Verstande unmöglich, in die Gewaltsamkeit solcher Motive, wie er sich ihrer als Dichter bediene, mit Vergnügen einzugehen. Auch in seinem »Kohlhaas«, artig erzählt und geistreich zusammengestellt, wie er sei, komme doch alles gar zu ungefüg. Es gehöre ein großer Geist des Widerspruches dazu, um einen so einzelnen Fall mit so durchgeführter, gründlicher Hypochondrie im Wettlaufe geltend zu machen. Es gebe ein Unschönes in der Natur, ein Beängstigendes, mit dem sich die Dichtkunst bei noch so kunstreicher Behandlung weder befassen, noch aussöhnen könne. Und wieder kam er zurück auf die Heiterkeit, auf die Anmuth, auf die fröhlich bedeutsame Lebensbetrachtung italienischer Novellen, mit denen er sich damals, je trüber die Zeit um ihn aussah, desto angelegentlicher beschäftigte.

Dabei brachte er in Erinnerung, daß die heitersten jener Erzählungen ebenfalls einem trüben Zeitraume, wo die Pest regierte, ihr Dasein verdankten. »Ich habe ein Recht,« fuhr er nach einer Pause fort, »Kleist zu tadeln, weil ich ihn geliebt und gehoben habe; aber sei es nun, daß seine Ausbildung, wie es jetzt bei vielen der Fall ist, durch die Zeit gestört wurde, oder was sonst für eine Ursache zum Grunde liege; genug, er hält nicht, was er zugesagt. sein Hypochonder ist gar zu arg; er richtet ihn als Menschen und Dichter zugrunde. Sie wissen, welche Mühe und proben ich es mir kosten ließ, seinen ›Wasserkrug‹ auf's hiesige Theater zu bringen. Daß es dennoch nicht glückte, lag einzig in dem Umstande, daß es dem übrigens geistreichen und humoristischen Stoffe an einer rasch durchgeführten Handlung fehlt.

Mir aber den Fall desselben zuzuschreiben, ja, mir sogar, wie es im Werte gewesen ist, eine Ausfoderung deßwegen nach Weimar schicken zu wollen, deutet, wie Schiller sagt, auf eine schwere Verirrung der Natur, die den Grund ihrer Entschuldigung allein in einer zu großen Reizbarkeit der Nerven oder in Krankheit finden kann. Das ›Käthchen von Heilbronn‹«, fuhr er fort, indem er sich zu mir wandte, »da ich Ihre gute Gesinnung für Kleist kenne, sollen Sie lesen und mir die Hauptmotive davon wiedererzählen. Nach diesem erst will ich einmal mit mir zurathe gehen, ob ich es auch lesen kann. Beim Lesen seiner ›Penthesilea‹ bin ich neulich gar zu übel weggekommen. Die Tragödie grenzt in einigen Stellen völlig an das Hochkomische, z.B. wo die Amazone mit Einer Brust auf dem Theater erscheint und das Publicum versichert, daß alle ihre Gefühle sich in die zweite, noch übriggebliebene Hälfte geflüchtet hätten, ein Motiv, das auf einem neapolitanischen Volkstheater im Munde einer Colombine, einem ausgelassenen Polichinell gegenüber, keine üble Wirkung auf das Publicum hervorbringen müßte, wofern ein solcher Witz nicht auch dort durch das ihm beigesellte widerwärtige Bild Gefahr liefe, sich einem allgemeinem Mißfallen auszusetzen.«

Von Lessing's Verdienst, Talent und Scharfsinn, und wie derselbe allem höhern dramatischen Bestreben in Deutschland, Friedrich dem Großen, Voltaire, Gottsched und allen Verehrern des französischen Theaters gegenüber, in seiner »Hamburgischen Dramaturgie« die Bahn brach und zugleich durch Einführung des Shakespeare eine neue Periode begründete, die mit dem künftigen Aufschwunge unserer Literatur auf's innigste zusammenhing, sprach Goethe mit der größten Anerkennung. Als Exposition habe vielleicht die ganze neue dramatische Kunst nichts so Unvergleichliches aufzuweisen, als die ersten beiden Aufzüge der »Minna von Barnhelm«, wo Schärfe des Charakters, ursprünglich deutsche Sitte mit einem raschen Gange in der Handlung auf's innigste verbunden sei. Nachher sinke freilich das Stück und vermöge kaum nach dem einmal angelegten Plane sich in solcher Höhe zu behaupten; das könne aber dies Lob weder schmälern, noch sollte man es deßhalb zurücknehmen. In der »Emilie Galotti« sei ebenfalls das Motiv meisterhaft und zugleich höchst charakteristisch, daß der Kammerherr dem Prinzen Emilie Galotti sicher auf seinem Wege zugeführt haben würde; daß aber der Prinz dadurch, daß er in die Kirche geht und in den Handel hineinpfuscht, dem Marinelli und sich selber das Spiel verdirbt. Nicht minder schön sei die Art, wie Lessing das Schicksal in der »Emilie Galotti« einführt. Ein Billet, das der Prinz an seine ehemalige Geliebte, die Gräfin Orsina, schrieb, und worin er sich ihren Besuch auf morgen verbittet, wird eben dadurch, daß es zufällig liegen blieb – wenn Zufall, wie die Gräfin selbst sogleich hinzusetzt, in solchen Dingen nicht Gotteslästerung genannt werden müßte – die gelegentliche Ursache, daß die gefürchtete Nebenbuhlerin, weil man ihr nicht abgesagt, gerade in demselben Augenblicke ankommt, wo Graf Apiani erschossen, die Braut in das Lustschloß des Fürsten durch Marinelli eingeführt und so dem Mörder ihres Bräutigams in die Hände geliefert wird. »Dieß sind Züge einer Meisterhand, welche hinlänglich beurkunden, wie diese Blicke Lessing in das Wesen der dramatischen Kunst vergönnt waren. Auch seid versichert, wir wissen recht wohl, was wir ihm und seinesgleichen, insbesonbere Winckelmann, schuldig sind.«


1809 (?). 
Über Johann Wilhelm Ritter


Dr. Wilhelm Ritter starb 23. Januar 1810 zu München; der geistvolle Physiker von welchem Goethe sagte: »Im Vergleich mit diesem Ritter sind wir andern nur Knappen.«


1809, Ende.(?) 
Über »Die Wahlverwandtschaften«

General v. Rühle erzählte mir [Varnhagen v. Ense], Goethe selbst habe ihm einmal gesagt: er habe die erste Anregung zu den ›Wahlverwandtschaften‹ durch Schelling erhalten, wie Kapp in seinem Buche [Friedrich Wilhelm Joseph v. Schelling – Ein Beitrag zur Geschichte des Tages von einem vieljährigen Beobachter] richtig bemerkt. In der Charlotte wollte man die Herzogin Luise erkennen, in dem Hauptmann den Freiherrn v. Müffling, jetzigen Gouverneur von Berlin, [1842] in Luciane einzelne Züge der Fräulein v. Reitzenstein, und so noch andere; in dem Maler einen jungen Künstler aus Kassel. Goethe sagte einmal zu Rühle: »Ich heidnisch? Nun ich habe doch Gretchen hinrichten und Ottilie verhungern lassen; ist das den Leuten nicht christlich genug? Was wollen sie noch Christlicheres?«

Das erinnert an die empörte Antwort, die er Knebeln wegen der sittlichen Bedenken desselben gegen die ›Wahlverwandtschaften‹ gab: »Ich hab's auch nicht für Euch, ich hab's für die jungen Mädchen geschrieben.«


1809 . (?) 
Mit Louis Spohr und einem Operndichter

In dieser Zeit [1808] trug mir ein junger Dichter, ein Candidat der Theologie, der in Gotha seiner Anstellung harrte, eine von ihm gedichtete Oper zur Composition an, und ich ergriff mit Freude diese Gelegenheit, mich nochmals und, wie ich hoffte, nun mit besserem Erfolge in der dramatischen Composition zu versuchen. Die Oper hieß »Alruna die Eulenkönigin«, war nach einer alten Volkssage bearbeitet und hatte dem Stoffe nach viel Aehnlichkeit mit dem »Donauweibchen«, das damals so allgemeines Aufsehen erregte. Ich begann sogleich meine Arbeit mit großem Eifer und vollendete die drei Acte der Oper noch ehe das Jahr zu Ende ging. Da einige Nummern daraus, die ich im Hofconcerte zu hören gab, großen Beifall fanden, so ermuthigte mich dies, mein Werk dem Hoftheater zu Weimar zur Aufführung anzubieten. Ich reiste selbst dahin, um Herrn v. Goethe, den Intendanten des Theaters, und Frau v. Heygendorff, die erste Sängerin und Geliebte des Herzogs, günstig dafür zu stimmen. Ersterem überreichte ich das Buch, der letzteren die Partitur der Oper. Da sie darin für sich und ihren Günstling Stromeyer brillante Partien fand, so versprach sie die Annahme der Oper zu befürworten, und da ich wußte, daß diese nur von ihr abhing, kehrte ich mit den besten Hoffnungen nach Gotha zurück. Doch bedurfte es noch mancher Erinnerung von meiner Seite, und es vergingen Monate darüber, bis es endlich zum Einstudiren der Oper kam. Als dieses dann soweit gediehen war, daß eine große Orchesterprobe stattfinden konnte, lud Frau v. Heygendorff mich ein, diese zu dirigiren. Ich reiste daher zumzweitenmal nach Weimar, dießmal in Begleitung des Dich ters. – Da ich nach Vollendung der Oper schon wieder allerlei Neues geschrieben hatte, so war sie meinem Gedächtniß ziemlich entschwunden, und ich glaubte sie deshalb nun um so unbefangener beurtheilen zu können. Ich war daher sehr gespannt auf den Eindruck, den sie auf mich machen würde. Die Probe fand in einem Saale bei Frau v. Heygendorff statt. Es hatten sich außer dem Intendanten Herrn v. Goethe auch die Musikfreunde der Stadt, unter diesen Wieland, zum Zuhören eingefunden. Die Sänger hatten ihre Partien gut studirt; da auch das Orchester bereits eine Vorprobe gehalten hatte, so wurde die Oper unter meiner Leitung recht gut executirt. Sie gefiel allgemein und man überhäufte den Componisten mit Lobsprüchen. Auch Herr v. Goethe sprach sich lobend darüber aus.

Nicht so gut kam der Dichter weg. Goethe hatte allerlei an dem Buche auszusetzen und verlangte besonders, daß die Dialoge, die in Jamben geschrieben waren, erst in schlichte Prosa umgesetzt und bedeutend abgekürzt werden müßten, bevor die Oper zur Aufführung kommen könne. Dieß Verlangen war dem Dichter besonders schmerzlich, da er sich auf seine metrischen Dialoge viel einbildete. Er erklärte sich gegen mich demungeachtet bereit, die verlangte Abänderung vorzunehmen, könnte aber wegen anderer bringender Arbeit nicht sogleich dazu kommen. Mir war dieß lieb; denn mit Ausnahme weniger Nummern hatte mir meine Musik bei der Probe in Weimar nicht genügt, so sehr sie auch dort gefiel, und es quälte mich vonneuem der Gedanke, daß ich für dramatische Musik kein Talent besitze. Die Oper wurde mir daher immer gleichgültiger, und ich sah es gern, daß sich die Aufführung verzögerte. Endlich wurde mir der Gedanke, sie aufgeführt und veröffentlicht zu sehen, so fatal, daß ich die Partitur zurücknahm.


1809 . (?) 
Mit Friederike Juliane Griesbach


Ich [Abeken] kam einmal, meine Gönnerin, die Geheime Kirchenräthin Griesbach führend, an Goethe's Haus, wo wir die zum Stalle führende Thür offen fanden. Der Hausherr betrachtete eine eben erworbene neue Waschmaschine. Er rief die Freundin herein und setzte ihr in seiner beredten Weise die Zweckmäßigkeit und Vorzüge der Maschine auseinander. In dem Augenblick konnte man an den Dichter und den Minister nicht denken. – Derselben Freundin, die ich begleitete, begegnete er im Park. »Ist mir doch« – sagte sie – »als ob wir uns, wie vor acht Jahren, in der Pyrmonter Allee begegneten.«... »Ja,« – erwiederte er, »und es ist auch noch derselbe Oberrock, mit dem bekleidet ich Ihnen Morgens in der Allee begegnete.«


1809 . (?) 
Mit Bernhard Rudolf Abeken

Ich gedenke.. des »Hamlet«,.. weil ich wagte, das Resultat meines Nachdenkens, in der Form von Briefen niedergeschrieben, Goethe'n mitzutheilen. Er nahm das Uebersandte freundlich auf, doch erinnere ich aus einem Gespräche mit ihm nur der Mahnung: ich solle den Humor, der durch die Tragödie walte, nicht aus der Acht lassen. Was er Humor nannte, mochte dasselbe sein, was von meinem Freunde Solger durch das Wort Ironie bezeichnet ward.

– – – – – – – – – – – – – –Ich kann mich nicht enthalten, eine eigentlich nicht hierher gehörige Bemerkung, die ich aus seinem Munde vernahm, mitzutheilen: Manche Scenen Shakespeare's seien den Holzschnitten gleich, die wir in alten Historienbüchern als den Text erläuternde finden.


Zwischen 1808-1810. 
Im Schauspielhaus


Einmal sah ich [Abeken] seine Ueberlegenheit, seine Gewalt über andre sich kundgeben. Im Theater wurde, da man, weil der Hof sich verspätet, den Vorhang aufzuziehen zögerte, das Publicum, unter dem sich auch Jenaische Studenten befinden mochten, ungeduldig und äußerte seine Ungeduld laut. Da erhob sich Goethe von seinem Sitz und rief mit mächtiger Stimme: »Wird's bald still?« Und es wurde still.

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