So waren sie nach und nach auf einen freiern Platz
gelangt, der zur Vorstadt hinführte, wo am Ende vieler
kleiner Buden und Kramstände ein größeres Brettergebäude
in die Augen fiel, das sie kaum erblickten,
als ein ohrzerreißendes Gebrülle ihnen entgegentönte.
Die Fütterungsstunde der dort zur Schau stehenden
wilden Tiere schien herangekommen; der Löwe ließ
seine Wald- und Wüstenstimme aufs kräftigste hören,
die Pferde schauderten, und man konnte der Bemerkung
nicht entgehen, wie in dem friedlichen Wesen
und Wirken der gebildeten Welt der König der Einöde
sich so furchtbar verkündige. Zur Bude näher gelangt,
durften sie die bunten, kolossalen Gemälde
nicht übersehen, die mit heftigen Farben und kräftigen
Bildern jene fremden Tiere darstellten, welche der
friedliche Staatsbürger zu schauen unüberwindliche
Lust empfinden sollte. Der grimmig ungeheure Tiger
sprang auf einen Mohren los, im Begriff ihn zu zerreißen,
ein Löwe stand ernsthaft majestätisch, als wenn er keine Beute seiner würdig vor sich sähe; andere
wunderliche, bunte Geschöpfe verdienten neben diesen
mächtigen weniger Aufmerksamkeit.
»Wir wollen«, sagte die Fürstin, »bei unserer
Rückkehr doch absteigen und die seltenen Gäste
näher betrachten!« - »Es ist wunderbar,« versetzte
der Fürst, »daß der Mensch durch Schreckliches
immer aufgeregt sein will. Drinnen liegt der Tiger
ganz ruhig in seinem Kerker, und hier muß er grimmig
auf einen Mohren losfahren, damit man glaube,
dergleichen inwendig ebenfalls zu sehen; es ist an
Mord und Totschlag noch nicht genug, an Brand und
Untergang: die Bänkelsänger müssen es an jeder Ecke
wiederholen. Die guten Menschen wollen eingeschüchtert
sein, um hinterdrein erst recht zu fühlen,
wie schön und löblich es sei, frei Atem zu holen.«
Was denn aber auch Bängliches von solchen
Schreckensbildern mochte übriggeblieben sein, alles
und jedes war sogleich ausgelöscht, als man, zum
Tore hinausgelangt, in die heiterste Gegend eintrat.
Der Weg führte zuerst am Flusse hinan, an einem
zwar schmalen, nur leichte Kähne tragenden Wasser,
das aber nach und nach als größter Strom seinen
Namen behalten und ferne Länder beleben sollte.
Dann ging es weiter durch wohlversorgte Frucht- und
Lustgärten sachte hinaufwärts, und man sah sich nach
und nach in der aufgetanen, wohlbewohnten Gegend um, bis erst ein Busch, sodann ein Wäldchen die Gesellschaft
aufnahm und die anmutigsten Örtlichkeiten
ihren Blick begrenzten und erquickten. Ein aufwärts
leitendes Wiesental, erst vor kurzem zum zweiten
Male gemäht, sammetähnlich anzusehen, von einer
oberwärts lebhaft auf einmal reich entspringenden
Quelle gewässert, empfing sie freundlich, und so
zogen sie einem höheren, freieren Standpunkt entgegen,
den sie, aus dem Walde sich bewegend, nach
einem lebhaften Stieg erreichten, alsdann aber vor
sich noch in bedeutender Entfernung über neuen
Baumgruppen das alte Schloß, den Zielpunkt ihrer
Wallfahrt, als Fels- und Waldgipfel hervorragen
sahen. Rückwärts aber - denn niemals gelangte man
hierher, ohne sich umzukehren - erblickten sie durch
zufällige Lücken der hohen Bäume das fürstliche
Schloß links, von der Morgensonne beleuchtet, den
wohlgebauten höhern Teil der Stadt, von leichten
Rauchwolken gedämpft, und so fort nach der Rechten
zu die untere Stadt, den Fluß in einigen Krümmungen
mit seinen Wiesen und Mühlen, gegenüber eine weite
nahrhafte Gegend.
Nachdem sie sich an dem Anblick ersättigt oder
vielmehr, wie es uns bei dem Umblick auf so hoher
Stelle zu geschehen pflegt, erst recht verlangend geworden
nach einer weitern, weniger begrenzten Aussicht,
ritten sie eine steinige, breite Fläche hinan, wo ihnen die mächtige Ruine als ein grüngekrönter Gipfel
entgegenstand, wenig alte Bäume tief unten um
seinen Fuß; sie ritten hindurch, und so fanden sie sich
gerade vor der steilsten, unzugänglichsten Seite.
Mächtige Felsen standen von Urzeiten her, jedem
Wechsel unangetastet, fest, wohlgegründet voran, und
so türmte sichs aufwärts; das dazwischen Herabgestürzte
lag in mächtigen Platten und Trümmern unregelmäßig
übereinander und schien dem Kühnsten
jeden Angriff zu verbieten. Aber das Steile, Jähe
scheint der Jugend zuzusagen; dies zu unternehmen,
zu erstürmen, zu erobern, ist jungen Gliedern ein
Genuß. Die Fürstin bezeigte Neigung zu einem Versuch,
Honorio war bei der Hand, der fürstliche
Oheim, wenn schon bequemer, ließ sichs gefallen und
wollte sich doch auch nicht unkräftig zeigen; die Pferde
sollten am Fluß unter den Bäumen halten, und man
wollte bis zu einem gewissen Punkte gelangen, wo ein
vorstehender mächtiger Fels einen Flächenraum darbot,
von wo man eine Aussicht hatte, die zwar schon
in den Blick des Vogels überging, aber sich doch
noch malerisch genug hintereinander schob.
Die Sonne beinahe auf ihrer höchsten Stelle, verlieh
die klarste Beleuchtung; das fürstliche Schloß mit
seinen Teilen, Hauptgebäuden, Flügeln, Kuppeln und
Türmen erschien gar stattlich, die obere Stadt in ihrer
völligen Ausdehnung; auch in die untere konnte man bequem hineinsehen, ja durch das Fernrohr auf dem
Markte sogar die Buden unterscheiden. Honorio war
immer gewohnt, ein so förderliches Werkzeug überzuschnallen;
man schaute den Fluß hinauf und hinab,
diesseits das bergartig terassenweis unterbrochene,
jenseits das aufgleitende flache und in mäßigen Hügeln
abwechselnde Land, Ortschaften unzählige; denn
es war längst herkömmlich, über die Zahl zu streiten,
wieviel man deren von hier oben gewahr werde.
Über die große Weite lag eine heitere Stille, wie es
am Mittag zu sein pflegt, wo die Alten sagten, Pan
schlafe und alle Natur halte den Atem an, um ihn
nicht aufzuwecken.
»Es ist nicht das erstemal,« sagte die Fürstin, »daß ich auf so hoher, weitumschauender Stelle die Betrachtung mache, wie doch die klare Natur so reinlich und friedlich aussieht und den Eindruck verleiht, als wenn gar nichts Widerwärtiges in der Welt sein könne, und wenn man denn wieder in die Menschenwohnung zurückkehrt, sie sei hoch oder niedrig, weit oder eng, so gibts immer etwas zu kämpfen, zu streiten, zu schlichten und zurechtzulegen.« Honorio, der indessen durch das Sehrohr nach der
Stadt geschaut hatte, rief: »Seht hin! seht hin! auf dem
Markte fängt es an zu brennen!« Sie sahen hin und
bemerkten wenigen Rauch; die Flamme dämpfte der
Tag. »Das Feuer greift weiter um sich!« rief man, immer durch die Gläser schauend; auch wurde das
Unheil den guten, unbewaffneten Augen der Fürstin
bemerklich. Von Zeit zu Zeit erkannte man eine rote
Flammenglut, der Dampf stieg empor, und Fürst
Oheim sprach: »Laßt uns zurückkehren! Das ist nicht
gut! Ich fürchtete immer, das Unglück zum zweiten
Male zu erleben.« Als sie, herabgekommen, den Pferden
wieder zugingen, sagte die Fürstin zu dem alten
Herrn: »Reiten Sie hinein, eilig, aber nicht ohne den
Reitknecht! Lassen Sie mir Honorio! Wir folgen sogleich.
« Der Oheim fühlte das Vernünftige, das Notwendige
dieser Worte und ritt, so eilig als der Boden
erlaubte, den wüsten, steinigen Hang hinunter.
Als die Fürstin aufsaß, sagte Honorio: »Reiten
Euer Durchlaucht, ich bitte, langsam! In der Stadt wie
auf dem Schloß sind die Feueranstalten in bester Ordnung,
man wird sich durch einen so unerwartet außerordentlichen
Fall nicht irre machen lassen. Hier aber
ist ein böser Boden, kleine Steine und kurzes Gras,
schnelles Reiten ist unsicher; ohnehin, bis wir hineinkommen,
wird das Feuer schon nieder sein.« Die Fürstin
glaubte nicht daran; sie sah den Rauch sich verbreiten,
sie glaubte einen aufflammenden Blitz gesehen,
einen Schlag gehört zu haben, und nun bewegten
sich in ihrer Einbildungskraft alle die Schreckbilder,
welche des trefflichen Oheims wiederholte Erzählung
von dem erlebten Jahrmarktsbrande leider nur zu tief eingesenkt hatte.
Fürchterlich wohl war jener Fall, überraschend und
eindringlich genug, um zeitlebens eine Ahnung und
Vorstellung wiederkehrenden Unglücks ängstlich zurückzulassen,
als zur Nachtzeit auf dem großen, budenreichen
Marktraum ein plötzlicher Brand Laden
auf Laden ergriffen hatte, ehe noch die in und an diesen
leichten Hütten Schlafenden aus tiefen Träumen
geschüttelt wurden, der Fürst selbst als ein ermüdet
angeklagter, erst eingeschlafener Fremder ans Fenster
sprang, alles fürchterlich erleuchtet sah, Flamme nach
Flamme, rechts und links sich überspringend, ihm
entgegenzüngelte. Die Häuser des Marktes, vom Widerschein
gerötet, schienen schon zu glühen, drohend
sich jeden Augenblick zu entzünden und in Flammen
aufzuschlagen; unten wütete das Element unaufhaltsam,
die Bretter prasselten, die Latten knackten, Leinwand
flog auf, und ihre düstern, an den Enden flammend
ausgezackten Fetzen trieben in der Höhe sich
umher, als wenn die bösen Geister in ihrem Elemente,
um und um gestaltet, sich mutwillig tanzend verzehren
und da und dort aus den Gluten wieder auftauchen
wollen. Dann aber mit kreischendem Geheul rettete
jeder, was zur Hand lag; Diener und Knechte mit den
Herren bemühten sich, von Flammen ergriffene Ballen
fortzuschleppen, von dem brennenden Gestell
noch einiges wegzureißen, um es in die Kiste zu packen, die sie denn doch zuletzt den eilenden Flammen
zum Raube lassen mußten. Wie mancher
wünschte nur einen Augenblick Stillstand dem heranprasselnden
Feuer, nach der Möglichkeit einer Besinnung
sich umsehend, und er war mit aller seiner Habe
schon ergriffen; an der einen Seite brannte, glühte
schon, was an der andern noch in finsterer Nacht
stand. Hartnäckige Charaktere, willensstarke Menschen
widersetzten sich grimmig dem grimmigen
Feinde und retteten manches mit Verlust ihrer Augenbraunen
und Haare. Leider nun erneuerte sich vor dem
schönen Geiste der Fürstin der wüste Wirrwarr, nun
schien der heitere morgendliche Gesichtskreis umnebelt,
ihre Augen verdüstert; Wald und Wiese hatten
einen wunderbaren, bänglichen Anschein.
In das friedliche Tal einreitend, seiner labenden
Kühle nicht achtend, waren sie kaum einige Schritte
von der lebhaften Quelle des nahen fließenden Baches
herab, als die Fürstin ganz unten im Gebüsche des
Wiesentals etwas Seltsames erblickte, das sie alsobald
für den Tiger erkannte; heranspringend, wie sie
ihn vor kurzem gemalt gesehen, kam er entgegen, und
dieses Bild zu den furchtbaren Bildern, die sie soeben
beschäftigten, machte den wundersamsten Eindruck,
»Flieht! gnädige Frau,« rief Honorio, »flieht!« Sie
wandte das Pferd um, dem steilen Berg zu, wo sie
herabgekommen waren. Der Jüngling aber, dem Untier entgegen, zog die Pistole und schoß, als er sich
nahe genug glaubte. Leider jedoch war gefehlt; der
Tiger sprang seitwärts, das Pferd stutzte, das ergrimmte
Tier aber verfolgte seinen Weg aufwärts, unmittelbar
der Fürstin nach. Sie sprengte, was das
Pferd vermochte, die steile, steinige Strecke hinan,
kaum fürchtend, daß ein zartes Geschöpf, solcher Anstrengung
ungewohnt, sie nicht aushalten werde. Es
übernahm sich, von der bedrängten Reiterin angeregt,
stieß am kleinen Gerölle des Hanges an und wieder an
und stürzte zuletzt nach heftigem Bestreben kraftlos
zu Boden. Die schöne Dame, entschlossen und gewandt,
verfehlte nicht, sich strack auf ihre Füße zu
stellen, auch das Pferd richtete sich auf, aber der Tiger
nahte schon, obgleich nicht mit heftiger Schnelle; der
ungleiche Boden, die scharfen Steine schienen seinen
Antrieb zu hindern, und nur daß Honorio unmittelbar
hinter ihm herflog, neben ihm gemäßigt heraufritt,
schien seine Kraft aufs neue anzuspornen und zu reizen.
Beide Renner errreichten zugleich den Ort, wo
die Fürstin am Pferde stand; der Ritter beugte sich
herab, schoß und traf mit der zweiten Pistole das Ungeheuer
durch den Kopf, daß es sogleich niederstürzte
und ausgestreckt in seiner Länge erst recht die Macht
und Furchtbarkeit sehen ließ, von der nur noch das
Körperliche übriggeblieben dalag. Honorio war vom
Pferde gesprungen und kniete schon auf dem Tiere, dämpfte seine letzten Bewegungen und hielt den gezogenen
Hirschfänger in der rechten Hand. Der Jüngling
war schön, er war herangesprengt, wie ihn die
Fürstin oft im Lanzen- und Ringelspiel gesehen hatte.
Ebenso traf in der Reitbahn seine Kugel im Vorbeisprengen
den Türkenkopf auf dem Pfahl gerade unter
dem Turban in die Stirne, ebenso spießte er, flüchtig
heransprengend, mit dem blanken Säbel das Mohrenhaupt
vom Boden auf. In allen solchen Künsten war
er gewandt und glücklich, hier kam beides zustatten.
»Gebt ihm den Rest,« sagte die Fürstin; »ich fürchte,
er beschädigt Euch noch mit den Krallen.« - »Verzeiht!
« erwiderte der Jüngling, »er ist schon tot
genug, und ich mag das Fell nicht verderben, das
nächsten Winter auf Eurem Schlitten glänzen soll.« -
»Frevelt nicht!« sagte die Fürstin; »alles, was von
Frömmigkeit im tiefen Herzen wohnt, entfaltet sich in
solchem Augenblick.« - »Auch ich«, rief Honorio,
»war nie frömmer als jetzt eben; deshalb aber denk
ich ans Freudigste; ich blicke dieses Fell nur an, wie
es Euch zur Lust begleiten kann.« - »Es würde mich
immer an diesen schrecklichen Augenblick erinnern.«
versetzte sie. »Ist es doch«, erwiderte der Jüngling mit
glühender Wange, »ein unschuldigeres Triumphzeichen,
als wenn die Waffen erschlagener Feinde vor
dem Sieger her zur Schau getragen wurden.« - »Ich
werde mich an Eure Kühnheit und Gewandtheit dabei erinnern und darf nicht hinzusetzen, daß ihr auf meinen
Dank und auf die Gnade des Fürsten lebenslänglich
rechnen könnt. Aber steht auf! Schon ist kein
Leben mehr im Tiere. Bedenken wir das Weitere! Vor
allen Dingen steht auf!« - »Da ich nun einmal kniee,«
versetzte der Jüngling, »da ich mich in einer Stellung
befinde, die mir auf jede andere Weise untersagt wäre,
so laßt mich bitten, von der Gunst und von der
Gnade, die Ihr mir zuwendet, in diesem Augenblick
versichert zu werden. Ich habe schon so oft Euren
hohen Gemahl gebeten um Urlaub und Vergünstigung
einer weiteren Reise. Wer das Glück hat, an Eurer
Tafel zu sitzen, wen Ihr beehrt, Eure Gesellschaft unterhalten
zu dürfen, der muß die Welt gesehen haben.
Reisende strömen von allen Orten her, und wenn von einer Stadt, von einem wichtigen Punkte irgendeines Weltteils gesprochen wird, ergeht an den Eurigen jedesmal die Frage, ob er daselbst gewesen sei. Niemanden traut man Verstand zu, als wer das alles gesehen hat; es ist, als wenn man sich nur für andere zu unterrichten hätte.«
»Steht auf!« wiederholte die Fürstin; »ich möchte
nicht gern gegen die Überzeugung meines Gemahls
irgend etwas wünschen und bitten; allein wenn ich
nicht irre, so ist die Ursache warum er Euch bisher
zurückhielt, bald gehoben. Seine Absicht war, Euch
zum selbständigen Edelmann herangereift zu sehen, der sich und ihm auch auswärts Ehre machte wie bisher
am Hofe, und ich dächte, Eure Tat wäre ein so
empfehlender Reisepaß, als ein junger Mann nur in
die Welt mitnehmen kann.«
Daß anstatt einer jugendlichen Freude eine gewisse Trauer über sein Gesicht zog, hatte die Fürstin nicht Zeit zu bemerken, noch er seiner Empfindung Raum zu geben; denn hastig den Berg herauf, einen Knaben an der Hand, kam eine Frau geradezu auf die Gruppe los, die wir kennen, und kaum war Honorio, sich besinnend, aufgestanden, als sie sich heulend und schreiend über den Leichnam herwarf und an dieser Handlung sowie an einer obgleich reinlich anständigen, doch bunten und seltsamen Kleidung sogleich erraten ließ, sie sei die Meisterin und Wärterin diese dahingestreckten Geschöpfes, wie denn der schwarzaugige, schwarzlockige Knabe, der eine Flöte in der Hand hielt, gleich der Mutter weinend, weniger heftig, aber tief gerührt neben ihr kniete.
Den gewaltsamen Ausbrüchen der Leidenschaft
dieses unglücklichen Weibes folgte, zwar unterbrochen,
stoßweise ein Strom von Worten, wie ein Bach
sich in Absätzen von Felsen zu Felsen stürzt. Eine natürliche
Sprache, kurz und abgebrochen machte, sich
eindringlich und rührend. Vergebens würde man sie
in unsern Mundarten übersetzen wollen; den ungefähren
Inhalt dürfen wir nicht verfehlen: »Sie haben dich ermordet, armes Tier! ermordet ohne Not! Du warst
zahm und hättest dich gern ruhig niedergelassen und
auf uns gewartet; denn deine Fußballen schmerzten
dich und deine Krallen hatten keine Kraft mehr! Die
heiße Sonne fehlte dir, sie zu reifen. Du warst der
Schönste deinesgleichen; wer hat je einen königlichen
Tiger so herrlich ausgestreckt im Schlaf gesehen, wie
du nun hier liegst, tot, um nicht wieder aufzustehen!
Wenn du des Morgens aufwachtest beim frühen Tagschein
und den Rachen aufsperrtest, ausstreckend die
rote Zunge, so schienst du uns zu lächeln, und wenn
schon brüllend, nahmst du doch spielend dein Futter
aus den Händen einer Frau, von den Fingern eines
Kindes! Wie lange begleiteten wir dich auf deinen
Fahrten, wie lange war deine Gesellschaft uns wichtig
und fruchtbar! Uns, uns ganz eigentlich kam die Speise
von den Fressern und süße Labung von den Starken.
So wird es nicht mehr sein! Wehe! Wehe!«
Sie hatte nicht ausgeklagt, als über die mittlere
Höhe des Bergs am Schlosse herab Reiter heransprengten,
die alsobald für das Jagdgefolge des Fürsten
erkannt wurden, er selbst voran. Sie hatten, in
den hintern Gebirgen jagend, die Brandwolken aufsteigen
sehen und durch Täler und Schluchten, wie
auf gewaltsam hetzender Jagd, den geraden Weg nach
diesem traurigen Zeichen genommen. Über die steinige
Blöße einhersprengend, stutzten und starrten sie, nun die unerwartete Gruppe gewahr werdend, die sich
auf der leeren Fläche merkwürdig auszeichnete. Nach
dem ersten Erkennen verstummte man, und nach einigem
Erholen ward, was der Anblick nicht selbst
ergab, mit wenigen Worten erläutert. So stand der
Fürst vor dem seltsamen, unerhörten Ereignis, einen
Kreis umher von Reitern und Nacheilenden zu Fuße.
Unschlüssig war man nicht, was zu tun sei; anzuordnen,
auszuführen war der Fürst beschäftigt, als ein
Mann sich in den Kreis drängte, groß von Gestalt,
bunt und wunderlich gekleidet wie Frau und Kind.
Und nun gab die Familie zusammen Schmerz und
Überraschung zu erkennen. Der Mann aber, gefaßt,
stand in ehrfurchtsvoller Entfernung vor dem Fürsten
uns sagte: »Es ist nicht Klagenszeit; ach, mein Herr
und mächtiger Jäger, auch der Löwe ist los, auch hier
nach dem Gebirg ist er hin, aber schont ihn, habt
Barmherzigkeit, daß er nicht umkomme wie dies gute
Tier!«
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