AUGUST VON GOETHES REDE BEI NIEDERLEGUNG VON SCHILLERS SCHÄDEL IN DER GROSSHERZOGLICHEN BIBLIOTHEK ZU WEIMAR
Teurer Freund,
verehrteste Anwesende!
Die erste Pflicht, welche ich heute zu erfüllen habe, ist die, meinen Vater zu entschuldigen, daß er diesem feierlichen, hochwichtigen Akt nicht selbst beiwohnen kann.
Es war früher sein fester Wille, dieses zu tun, doch am heutigen Morgen wurden in ihm alle die Gefühle mächtig rege, welche jene Vergangenheit vorüberführten, wo er mit seinem geliebten, unvergeßlichen Freunde Friedrich von Schiller die schönsten Tage verlebt, auch manche Trauer erduldet hatte,
einem Freunde und Zeitgenossen, dessen früher Tod einen Riß in das Leben meines Vaters brachte, welchen weder Zeit noch Mitwelt zu heilen imstande war. Auch uns Lebende, die Söhne der Unzertrennlichen, vertrautester Freund, trennte
das waltende Schicksal, indem es mich hier fesselte, dir aber
in der Ferne dein Los bereitete. Im Geist sind wir aber uns immer nah, und danken wollen wir der Leitung, die uns so
in dem größten Lebensmomente zusammenführt.
Wenn mir nun heute mein Vater auftrug, an seiner Stelle dieser Feier beizuwohnen, so fühle ich ganz die Wichtigkeit
und Ehre dieses Vertrauens und darf gewiß Ihnen sämtlich
nicht näher ausführen, wie mein Gemüt von allen den Gefühlen durchdrungen und erhoben ist, welche bei großen Gelegenheiten den Geist berühren, ja bestürmen.
Die zweite Pflicht, welche wir Anwesende sowohl als jeder
Weimaraner gewiß gern erfüllen wird, ist, den Dank auszusprechen gegen dich, geliebter Freund, und die übrigen
Hinterlassenen deines großen Vaters, wenn du heute das
teure Haupt eines Geliebten, Verehrten einem Lande, einer Stadt weihst, wo sein hoher Geist die schönsten Blüten entfaltete und die herrlichsten Früchte trug.
Doppelt aber muß unser Dank sein, da du außerdem noch
die von dem Professor Dannecker im Jahr 1805 mit so vieler Liebe als Kunst ausgeführte Marmorbüste des großen Mannes
unserem Durchlauchtigsten Landesfürsten und dieser Anstalt
überließest und so gleichsam den ernsten Tod mit dem heiteren Leben verbandest.
Was nun die Aufbewahrung dieses heiligen Überrestes anlangt, so soll derselbe in jenem Postament, auf welchem schon
die vorerwähnte Büste steht, in einer würdigen Hülle niedergelegt werden. Der Schlüssel zu diesem Behältnis soll stets in den Händen der Großherzoglichen Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst bleiben und nur solchen Personen die Anschauung des Verwahrten
gestattet sein, von denen man mit Gewißheit voraussetzen kann, daß nicht Neugier ihre Schritte leitet, sondern das Gefühl, die Erkenntnis dessen, was jener große Mann für Deutschland, für Europa, ja für die ganze kultivierte Welt
geleistet hat.
Und nun sei mir vergönnt, noch einen wichtigen Punkt zur Sprache zu bringen! Schon sind mit wohlempfundener Dankbarkeit die Bemühungen anerkannt, welche von wohlgesinnten Männern diesem Geschäft gewidmet worden, wir aber sehen uns in dem Falle, sie nochmals um geneigte Verwendung anzugehen.
Es ist nämlich zu vollkommenem Abschluß dieser Angelegenheit höchst wünschenswert, die noch außer diesem teuern Haupt vorhandenen Reste des zu früh Geschiedenen nach
erfolgter genauer Anerkennung ebenfalls solange hier aufbewahrt zu sehen, bis man über die Vorschläge zu schicklicher Beisetzung und zu würdiger Bezeichnung der Stelle sich vereinigt und worüber mein Vater seine Gesinnungen zu eröffnen sich vorbehält.
Und indem wir auf diese Weise dem auflösenden Moder
einen köstlichen Schatz entziehen, so gleichen wir darin den
frommen Alten, die nach erloschenem Holzstoß aus verglommenen Kohlen, aus unreinlicher Asche fromm das Uberbliebene sammelten, um solches, in würdiger Urne bewahrt,
mit langdauernden Monumenten zu schmücken.
Jetzt ersuche ich Sie, Herr Bibliothekar Professor Riemer,
die teuern Reste zu übernehmen, mir zu folgen, damit wir sie gemeinschaftlich und in Gegenwart dieser geehrten Versammlung an dem ihnen bestimmten Ort niederlegen.
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