Es ist keinem Zweifel ausgesetzt, daß derjenige, der in Geschäften arbeitet und um der Menschen willen manches unternimmt, auch mit Menschen umgehen, Gleichgesinnte aufsuchen und sich, indem er ihnen nutzt, auch ihrer zu seinen Zwecken bedienen müsse.
Bei Künsten und Wissenschaften hingegen fällt es nickt so sehr in die Augen, daß auch diese der Geselligkeit nicht entbehren können. Es scheint, als bedürfe der Dichter nur sein
selbst und horche am sichersten in der Einsamkeit auf die Eingebung der Musen; man überredet sich manchmal, als seien die trefflichsten Werke dieser Art von einsamen Menschen hervorgebracht worden. Man hört oft, daß ein bildender Künstler, in seine Werkstatt geschlossen, gleich einem
andern Prometheus oder Pygmalion von seiner angebornen
Kraft getrieben, unsterbliche Werke hervorbringe und keinen
Ratgeber brauche außer seinen Genius.
Es möchte dieses alles aber wohl nur Selbstbetrug sein: denn
was wären Dichter und bildende Künstler, wenn sie nicht
die Werke aller Jahrhunderte und aller Nationen vor sich hätten, unter welchen sie wie in der auserlesensten Gesellschaft ihr Leben hinbringen und sich bemühen, dieses Kreises würdig zu werden? Was kommen für Werke zum Vorschein, wenn der Künstler nicht das edelste Publikum kennt und
immer vor Augen hat?
Und jene so verdient gepriesenen Alten, haben sie sich nicht eben auch darum auf den Gipfel der Kunst gesetzt, weil an
ihrem Bestreben ganze Nationen teilnahmen, weil sie Gelegenheit hatten, sich nach und mit ihresgleichen zu bilden, weil ein edler Wetteifer einen jeden nötigte, mit der äußersten Anstrengung dasjenige zu leisten, dessen unsre Natur
fähig ist?
Die Freunde der Wissenschaften stehen auch oft sehr einzeln und allein, obgleich der ausgebreitete Bücherdruck und die schnelle Zirkulation aller Kenntnisse ihnen den Mangel von
Geselligkeit unmerklich macht.
Auch in diesem Felde, wo das Gefühl der größten eintreten sollte, tritt gar zu oft der beschränkte Begriff
seines eigenen Selbst, seiner Schule hervor und verdunkelt das
übrige. Streitigkeiten zerstören die gesellige Wirksamkeit,
und wechselseitige Entfernung ist gewöhnlich die Folge von
gemeinsamen Studien. Glücklich, daß die Wissenschaften wie
alles, was ein echtes reines Fundament hat, ebenso viel durch
Streit als durch Einigkeit, ja oft mehr gewinnen! Aber auch
der Streit ist Gemeinschaft, nicht Einsamkeit, und so werden
wir selbst durch den Gegensatz hier auf den rechten Weg
geführt.
Wir verdanken daher dem Bücherdruck und der Freiheit desselben undenkbares Gute und einen unübersehbaren Nutzen; aber noch einen schönem Nutzen, der zugleich mit
der größten Zufriedenheit verknüpft ist, danken wir dem
lebendigen Umgang mit unterrichteten Menschen und der
Freimütigkeit dieses Umgangs. Oft ist ein Wink, ein Wort,
eine Warnung, ein Beifall, ein Widerspruch zur rechten Zeit
fähig, Epoche in uns zu machen, und wenn wir oft soldie heilsame Einflüsse durch den Zufall einem längst abgeschiedenen
Schriftsteller zu danken haben, so ist es doch zehnfach angenehm, einem lebenden, gefühlvollen, vernünftigen Freunde
dafür Dank abstatten zu können.
Man gibt nicht mit Unrecht großen Städten deshalb den Vorzug, weil sie so vieles Notwendige versammeln und einem
jeden die Auswahl für sein Bedürfnis oder seine Liebhaberei
überlassen. Aber auch ein kleiner Ort kann in gewissem
Sinne dergestalt begünstigt sein, daß er wenig zu wünschen
übrig läßt.
Wo in mehreren Menschen ein natürlicher, unüberwindlicher
Trieb zu Bearbeitung gewisser Fächer sich regt, wo dieser Trieb durch die Lage und äußere Verhältnisse immer aufs neue angefeuert wird; wo an dem Platze selbst so viel Gelegenheit, Aufmunterung und Unterstützung stattfindet, so daß alles gleichsam von selbst gerät; wo so manche Schätze
der echten Kunst aufbewahret, so manche Kenntnisse von
Reisenden zusammengebracht werden; wo die Nachbarschaft
tätige Männer in allen Fächern versammelt; wo neue Bücher
sowohl als Privatkorrespondenz den Gedankenkreis immer
in einer frischen Bewegung erhalten — an einem solchen Orte
scheint es natürlich, daß man gewisse festliche Tage auszeichne, um sich gemeinschaftlich des Guten zu erfreuen, das man so bequem findet und genießt.
Der Gewinst der Gesellschaft, die sich heute zum erstenmal versammelt, wird die Mitteilung desjenigen sein, was man
von Zeit zu Zeit hier erfährt, denkt und hervorbringt. Jede Bemühung wird lebhafter, wenn eine Zeit bestimmt ist, wo
man mitten unter den Zerstreuungen des Lebens sich des Anteils geschätzter Menschen an dem, was man unternimmt, zum voraus versprechen kann.
Der Ort, an dem wir Zusammenkommen, die Zeit, in der wir
uns zum erstenmal versammeln, die aufmerksame Gegenwart dererjenigen, denen wir im einzelnen und im ganzen
so vieles schuldig sind, alle vereinigten Umstände lassen uns
hoffen, daß diese nur auf eine Zeitlang verbundene Gesellschaft ihre Dauer auf mehrere Jahre nützlich erstrecken werde.
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