ZUR ERÖFFNUNG DES GEWERKENTAGES den 7. ]uni 1791
Das Geschäft, das uns hierher zusammenruft, hat ein Unternehmen zum Gegenstand, das von mehr als einer Seite wichtig ist, und es muß uns desto mehr erfreuen, diese Versammlung vor uns zu sehen und erfahrne Männer aus mehrern Gegenden willkommen zu heißen, welche durch Einsicht in die gegenwärtige Lage des Ilmenauer Bergbaues in den Stand gesetzt werden, ihren Beirat zu künftigen Operationen zu geben und durch ihre Beistimmung dem Werke ein neues Leben,
ja eine unzerstörliche Dauer zu verleihen.
Es siehet sich die zu diesem Geschäfte gnädigst verordnete
Kommission heute in dem Fall, in den sie sich seit mehrern
Jahren öfters gewünscht und manchmal gesehen, nämlich an dem Orte selbst mit sachverständigen Männern das Beste des Werks zu überlegen. Bei dieser Zusammenkunft, die aus Personen besteht, welche teils selbst bei dem Werke interessiert
sind, teils von einer ansehnlichen Gewerkschaft Aufträge erhalten haben, werden sich viel leichter Entwürfe machen,
Plane prüfen, Entschließungen nehmen lassen als sonst, wenn
man, gegen sein eigen Urteil mißtrauisch, mit dem besten und
lebhaftesten Willen oft dem Zweifel ausgesetzt bleibt.
Die Wichtigkeit des Geschäfts für die Gewerkschaft fällt am
meisten in die Augen. Bei der ersten Übernahme des Werks
war sie überzeugt, daß schon dasjenige, was ihr damals überliefert wurde, ein ansehnliches Besitztum sei. Ein Schacht, ein Stollen, ein schon eingeleiteter Graben, Gebäude, Plätze,
Gerechtsame, das alles konnte die Hoffnungen sichern, die man sich damals machte, und die Entschließung zu einem ansehnlichen Aufwande befördern, zu dem man sich verstand. Gegenwärtig, da durch die bisherigen Bemühungen die Arbeit dem Punkte ganz nahe gebracht worden, welchen man sich zuerst vorsetzte, ist eine genaue Prüfung des Zustandes, eine Überlegung der Mittel, wie nunmehr weiter zu verfahren
wäre, ein Entschluß für die Zukunft von der größten Wichtigkeit; ja, man kann wohl sagen, daß es ein entscheidender Augenblick sei.
Mit welchen Gesinnungen die wohlmeinenden Ilmenauer
Einwohner uns deswegen hier versammelt sehen, läßt sich leicht schließen. Dieser Ort, der seine Entstehung dem Bergbau zu danken hat, verkennt nicht, daß er einen großen Teil
seines jetzigen Wohlstandes, den erneuerten Bemühungen
schuldig ist, und verdankt denselben einer ansehnlichen Gewerkschaft.
Dieser Zeitpunkt ist auch in doppeltem Sinn unserm gnädigst
regierenden Herrn interessant, welcher ebensowohl wünscht,
daß ein unter seinem Schutze unternommenes Werk das Vertrauen dererjenigen belohnen möge, die sich dabei interessiert haben, als daß seinen Untertanen ein natürlicher und billiger
Nutzen davon zufließen möge. Dadurch allein werden diesem
verehrungswürdigen Fürsten die Bemühungen, Kosten und
Aufopferungen, welche er seit dem Antritt seiner Regierung
auf dieses Werk gewendet und die noch immer fortdauren, belohnt werden.
Auch die übrigen höchsten teilnehmenden Häuser haben
durch bisherige günstige Mitwirkung gezeigt, daß ihr Interesse nicht von dem diesseitigen getrennt ist und daß auch sie Erwartungen und Hoffnungen von dieser Unternehmung
fassen.
Sehr wichtig muß auch dieser Zeitpunkt für die Kommission
selbst sein, indem erst gegenwärtig das Detail ihrer Bemühungen der Gewerkschaft bekannt werden kann.
Die Schwierigkeiten, welche mit diesem Geschäfte verknüpft
sein würden, konnten ihr vom Anfänge an nicht unbemerkt
bleiben, ob sich gleich dieselben mit dem Fortgange des Werks
immer vermehrten. Ein Werk wieder aufzunehmen, das so lange stillgestanden, wozu man sich nur gewissermaßen vorbereiten konnte, wo alles erst zu bilden, ja gleichsam erst zu
schaffen war, wo man in Herbeiziehung und Wahl der in fremden Landen oft zu suchenden Personen an Sorgfalt, bei Prüfung der Vorschläge an Überlegung, bei Ausführung derselben an Genauigkeit, bei Abstellung der sich zeigenden
Mängel an Sorge und an Behendigkeit nichts wollte fehlen
lassen, war es gewiß keine geringe Last, die auf derselben lag
und welche durch die Entfernung vom Orte noch oft in einem
hohen Grade vermehrt wurde.
Da dieses Geschäft neben den übrigen ihr obliegenden Arbeiten ohne weitern eigenen Vorteil diese Jahre geführt und
bisher durch den Beifall ihres gnädigsten Herrn und das Zutrauen der Gewerkschaft belohnt worden, so hat sie bei der gegenwärtigen Epoche nur zu wünschen, daß ihr beides bleiben, auf die Zukunft gesichert und sie in den Stand gesetzt
werden möge, ihre aufrichtigen und wohlgemeinten Bemühungen auch fernerhin fortzusetzen.
Ebenso hoffen die bei dem Werke angestellten Personen, welche bisher mit Eifer, Treue, Fleiß, ja mit Leidenschaft gearbeitet, künftighin ihre Bemühungen ununterbrochen fortzusetzen. Ja, es kann nur ein allgemeiner übereinstimmender
Wunsch sein, daß wir den rechten Punkt treffen, das Beste wählen und beschließen mögen.
Bedenkt man nun noch, daß die Aufmerksamkeit eines großen Publikums auf uns gerichtet ist, so wird die natürliche Neigung eines jeden, dieses Geschäft ernsthaft und reiflich zu
überlegen, auf alle Weise gemehrt werden.
Durch die Publizität, womit man die Sache von jeher betrieben hat, sind auch die entfernten Gewerken in den Fall gesetzt worden, das Geschehene zu beurteilen, und man findet diese gegenwärtige Zusammenkunft um desto erwünschter, als man dasjenige im Detail vorlegen kann, was man dort nur allgemein anführte, und dasjenige umständlich bekannt
machen kann, was dort nur anzudeuten war.
Diejenigen der gegenwärtigen Herren Abgeordneten, welche noch nicht mit dem Werke bekannt sind, werden ersucht, sich mit dem Lokal überhaupt und dessen gebirgischer Natur, mit
dem, was von dem alten Werke herstammt und was von daher auf die neue Gewerkschaft übergekommen, mit dem, was
indessen planmäßig geschehen, mit dem Punkte, worauf wir
uns gegenwärtig befinden, gefällig bekannt zu machen.
Sie werden sich dadurch in den Stand setzen, die neuesten Vorschläge zu beurteilen und zu prüfen und ihren Rat und
Beistimmung mit Überzeugung abzugeben, auch in der Folge
abwesend die Fortschritte des Werks genau zu beurteilen und
der Kommission das Vergnügen zu verschaffen, mit so vielen zerstreuten Gewerken durch Mittelspersonen in Verbindung
zu bleiben. Sie werden nicht verkennen, daß die Gewerkschaft für die verwendete Summe sich in einem ansehnlichen
Besitze befindet, daß man sich mit der bisherigen Arbeit dem
Zwecke planmäßig immer mehr genähert, daß, wenn auch
der Erfolg nicht ganz erwünscht gewesen, doch nichts vergebens unternommen worden noch das Unternommene ohne
merkliche Wirkung geblieben.
Der Zustand des Schachtes, des Stollens, des Grabens, die Kräfte der Maschinen, die übrigen vorkommenden Umstände
können auf der Stelle geprüft und der Punkt, wo sich gegenwärtig das Werk befindet, deutlich eingesehen werden.
Verschiedene Vorschläge zu Fortsetzung des Werks werden
mit Planen und Anschlägen zur Beurteilung vorgelegt
werden.
Das genau geführte Gewerkenbuch wird das Personal der Gewerkschaft, die Rechnungen, wie die Verwendung der Gelder bisher geschehen, und den Zustand der Kasse deutlich machen; sodann werden die Mittel nebst dem künftigen Aufwand dasjenige sein, was unsere Beratschlagungen vorzüglich
beschäftigen wird.
Wir können nichts mehr wünschen, als daß sämtliche gegenwärtige Herren Abgeordnete uns in diesem Geschäfte, welchem die nächsten Tage gewidmet sind, gefällig beistehen und uns helfen mögen, alles auf die möglichste Klarheit und
Bestimmtheit zu bringen, damit man nicht durch Mehrheit
der Stimmen, sondern einmütig einen Entschluß fassen, sämtliche Gewerkschaft beruhigen und sowohl ihr als denenjenigen, die sich mit der Ausführung weiter zu beschäftigen
haben, für die Folge Mut zusprechen könne.
Soviel möchte zur Einleitung des Geschäfts hinreichen, und
wir werden die verschiedenen Punkte desselben in den folgenden Sessionen nach ihrer Ordnung vorzulegen nicht verfehlen.
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Goethe auf meiner Seite
Testamente, Reden, Persönlichkeiten
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