Unterredung mit Napoleon 2. Oktober 1808
September
In der Hälfte des Monats bestätigt sich die Nachricht von der Ankunft der Monarchen in Erfurt,
Den 23. marschierten französische Truppen dahin,
Den 24. kommt Großfürst Konstantin in Weimar an.
Den 25. Kaiser Alexander,
Den 27. die Herrschaften nach Erfurt, Napoleon kommt bis Münchenholzen entgegen.
Den 29. berief mich der Herzog nach Erfurt, Abends „,Andromache“‘,
Den 30. bei demselben große Tafel. Abends „Britannicus‘‘,
Sodann bei Frau von Reck großer Tee, Minister Maret.
1. Oktober
Levet.
Statthalterei, Treppe, Vorsaal und Zimmer,
Geschwirre durchaus.
Das allbekannte Lokale und neues Personal.
Gemisch,
Alt’ und neue Bekannte,
Dichter als Prophet.
Scherzhaft angeregt.
Der Fürst von Dessau blieb zur Audienz,
Viele versammelten sich im Geleitshause,
Der Fürst kommt zurück und erzählt eine Szene zwischen dem Kaiser und Talma, welche Mißdeutung und Geklatsch veranlassen konnte.
Speiste bei Champagny.
Mein Tischnachbar war Bourgoing.
2. Oktober
Marschall Lannes und Minister Maret mochten günstig von mir gesprochen haben. Ersterer kannte mich seit 1806. Ein dicker Kammerherr, Pole, kündigte mir an zu verweilen.
Die Menge entfernte sich.
Präsentation an Savary und Talleyrand.
Ich werde hereingerufen.
In demselben Augenblicke meldet sich Daru, welcher sogleich eingelassen wird,
Ich zaudere deshalb,
Werde nochmals gerufen.
Trete ein,
Der Kaiser sitzt an einem großen runden Tische frühstückend; zu seiner Rechten steht etwas entfernt vom Tische Talleyrand, zu seiner Linken ziemlich nah Daru, mit dem er sich über die Kontributionsangelegenheiten unterhält. Der Kaiser winkt mir heranzukommen.
Ich bleibe in schicklicher Entfernung vor ihm stehen, Nachdem er mich aufmerksam angeblickt, sagte er: „Vous etes un homme.“ Ich verbeuge mich.
Er fragt: „Wie alt seid Ihr?“
„Sechzig Jahr.“
Ihr habt Euch gut erhalten —
Ihr habt Trauerspiele geschrieben.“
Ich antwortete das Notwendigste.
Hier nahm Daru das Wort, der, um den Deutschen, denen er so wehe tun mußte, einigermaßen zu schmeicheln, von deutscher Literatur Notiz genommen, wie er denn überhaupt in der lateinischen wohlbewandert und selbst Herausgeber des Horaz war,
Er sprach von mir, wie etwa meine Gönner in Berlin mochten gesprochen haben, wenigstens erkannt ich daran ihre Denkweise und ihre Gesinnung.
Er fügte sodann hinzu, daß ich auch aus dem Französischen übersetzt habe und zwar Voltaires ,, Mahomet“,
Der Kaiser versetzte: „Es ist kein gutes Stück‘, und legte sehr umständlich auseinander wie unschicklich es sei, daß der Weltüberwinder von sich selbst eine so ungünstige Schilderung mache.
Er wandte sodann das Gespräch auf den „Werther“, den er durch und durch mochte studiert haben, Nach verschiedenen ganz richtigen Beobachtungen bezeichnete er eine gewisse Stelle und sagte: „Warum habt Ihr das getan? es ist nicht naturgemäß“; welches er weitläufig und vollkommen richtig auseinander setzte."
Ich hörte ihm mit heiterem Gesichte zu und antwortete mit einem vergnügten Lächeln, daß ich zwar nicht wisse, ob mir jemand denselben Vorwurf gemacht habe; aber ich finde ihn ganz richtig und gestehe, daß an dieser Stelle etwas Unwahres nachzuweisen sei. Allein, setzte ich hinzu, es wäre dem Dichter vielleicht zu verzeihen, wenn er sich eines nicht leicht zu entdeckenden Kunstgriffs bediene, um gewisse Wirkungen hervor zu bringen, die er auf einem einfachen natürlichen Wege nicht hätte erreichen können.
Der Kaiser schien damit zufrieden, kehrte zum Drama zurück und machte sehr bedeutende Bemerkungen, wie einer der die tragische Bühne mit der größten Aufmerksamkeit gleich einem Kriminalrichter betrachtet, und dabei das Abweichen des französischen 'Theaters von Natur und Wahrheit sehr tief empfunden hatte.
So kam er auch auf die Schicksalsstücke, die er mißbilligte, Sie hätten einer dunklern Zeit angehört: „Was“, sagte er, „„will man jetzt mit dem Schicksal, die Politik ist das Schicksal,“
Er wandte sich sodann wieder zu Daru und sprach mit ihm über die großen Kontributionsangelegenheiten; ich trat etwas zurück und kam gerade an den Erker zu stehen, in welchem ich vor mehr als dreißig Jahren zwischen mancher frohen auch manche trübe Stunde
verlebt, und hatte Zeit zu bemerken, daß rechts von mir, nach der Eingangstüre zu, Berthier, Savary und: sonst noch jemand stand. Talleyrand hatte sich entfernt.
Marschall Soult ward gemeldet.
Diese große Gestalt, mit stark behaartem Haupte, trat herein, der Kaiser fragte scherzend über einige unangenehme Ereignisse in Polen, und ich hatte Zeit mich im Zimmer umzusehen und der Vergangenheit zu gedenken.
Auch hier waren es noch die alten Tapeten. Aber die Porträte an den Wänden waren verschwunden Hier hatte das Bild der Herzogin Amalia gehangen, im Redoutenanzug eine schwarze Halbmaske in der Hand, die übrigen Bildnisse von Statthaltern und Familiengliedern fehlten alle.
Der Kaiser stand auf, ging auf mich los und schnitt mich durch eine Art Manceuvre von den übrigen Gliedern der Reihe ab, in der ich stand, Indem er jenen den Rücken zukehrte und mit gemäßigter Stimme zu mir sprach, fragte er: ob ich verheiratet sei, Kinder habe? und was sonst Persönliches zu interessieren pflegt. Eben so auch über meine Verhältnisse zu dem fürstlichen Hause, nach Herzogin Amalia, dem Fürsten, der Fürstin und sonst; ich antwortete ihm auf eine natürliche Weise. Er schien zufrieden und übersetzte sichs in seine Sprache, nur auf eine etwas entschiedenere Art, als ich mich hatte ausdrücken können,
Dabei muß ich überhaupt bemerken, daß ich im ganzen Gespräch die Mannigfaltigkeit seiner Beifallsäußerungen zu bewundern hatte; denn selten hörte er unbeweglich zu, entweder er nickte nachdenklich mit dem Kopfe oder sagte „oui!“ oder gar „c’est bien“, oder dergleichen;
auch darf ich nicht vergessen zu bemerken, daß, wenn er ausgesprochen hatte, er gewöhnlich hinzufügte:
„Qwen dit Mr. Göt.“
Und so nahm ich Gelegenheit, bei dem Kammerherrn durch eine Gebärde anzufragen ob ich mich beurlauben könne? die er erwiderte, und ich dann ohne weiteres meinen Abschied nahm.
Den 3. Mancherlei Beredung wegen einer in Weimar zu gebenden Vorstellung. Abends „Ödip‘‘.
Den 4. nach Weimar wegen Einrichtung des Theaters,
Den 6. große Jagd. Die Schauspieler kommen an mit ihrem Direktor. Abends „Tod des Cäsars“, Gelegenheit zur Aufforderung einen „Brutus“ zu schreiben. Minister Maret und Angehörige logierten bei mir.
Den 7. Marschall Lannes und Minister Maret, umständliches Gespräch wegen der bevorstehenden spanischen Expedition.
Von der Jenaisch-Apoldischen Jagd alles zurück und weiter. Hofrat Sartorius und Frau.
Den 14. Orden der Ehrenlegion, Talma und Frau und Sekretär Le Lorgne,
Ende
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