Und besonders auf die Frauen mag das Epigramm zielen :
„Schiller macht sich der Schwärmer genug und rühret die Menge,
Wenn der vernünftige Mann einzelne Liebende zählt.
Wunderthätige Bilder sind meist nur schlechte Gemälde ;
Werke des Geists und der Kunst sind für den Pöbel nicht da."
,,Die Weiber, auch die gebildetsten, haben mehr Appetit als Geschmack," notiert aus Goethes Munde der etwas gallige Riemer, der allerdings gerade die Urteile über die Frauen noch versäuert zu haben scheint. „Sie möchten lieber alles ankosten, es zieht sie das Neue an. Sie unterscheiden nicht zwischen dem, was anzieht, was gefällt, was man billigt; sie werfen das alles in eine Masse. Was nur nicht gegen ihren konventionellen Geschmack anstöfst, es mag noch so hohl, leer, seicht, schlecht sein: es gefällt. Es mifsfällt ihnen aber oft etwas, was blofs gegen diese ihre Konvention anstöfst, sei es an sich noch so vortrefflich."
,,Was die Weiber lieben und hassen,
Das wollen wir ihnen gelten lassen;
Wenn sie aber urteilen und meinen.
Da will's oft wunderlich erscheinen."
Auch Eckermann erzählt uns, wie Goethe seine Damen zurechtwies, weil sie einen Dilettanten gerade wegen eines Fehlers lobten. Es handelte sich um ein Porträt eines jungen Malers; die Damen rühmten, dafs er „alles von selbst gelernt" hätte, Goethe bemerkte an der unrichtigen Zeichnung aber auch, dafs der Maler einen gehörigen Unterricht nicht gesucht hatte.
„Man sieht," sagte er, „der junge Mann hat Talent; allein dafs er alles von selbst gelernt hat, deswegen soll man ihn nicht loben, sondern schelten. Ein Talent wird nicht geboren, um sich selbst überlassen zu bleiben, sondern sich zur Kunst und guten Meistern zu wenden, die denn etwas aus ihm machen. Ich habe dieser Tage einen Brief von Mozart gelesen, wo er einem Baron, der ihm Kompositionen zugesendet hatte, etwa Folgendes schreibt: ,Euch Dilettanten mufs man schelten, denn es finden bei Euch gewöhnlich zwei Dinge statt: entweder Ihr habt keine eigenen Gedanken, und da nehmt Ihr fremde; oder wenn Ihr eigene Gedanken habt, so wifst Ihr nicht damit umzugehen'. Ist das nicht himmlisch ? Und gilt dieses grofse Wort, was Mozart von der Musik sagt, nicht von allen übrigen Künsten?"
Ein andermal war bei Tisch von Walter Scotts Roman ,Das schöne Mädchen von Perth' die Rede. „Die Engländer", sagte die Schwiegertochter Ottilie, „lieben besonders den Charakter des Henry Smith, und Walter Scott scheint ihn auch zum Helden des Buchs gemacht zu haben. Mein Favorit ist er nicht; mir könnte der Prinz gefallen,"
„Der Prinz", meinte Eckermann, ,,bleibt bei aller Wildheit immer noch liebenswürdig genug, und er ist vollkommen so gut gezeichnet wie irgend ein anderer." „Wie er zu Pferde sitzend," sagte Goethe, „das hübsche Zithermädchen auf seinen Fufs treten läfst, um sie zu einem Kufs zu sich heranzuheben, ist ein Zug von der verwegensten englischen Art. Aber ihr Frauen habt unrecht, wenn ihr immer Partei macht; ihr leset gewöhnlich ein Buch, um darin Nahrung für euer Herz zu finden, einen Helden, den ihr lieben könntet! So soll man aber eigentlich nicht lesen, und es kommt gar nicht darauf an, dafs euch dieser oder jener Charakter gefalle, sondern dafs euch das Buch gefalle."
„Wir Frauen sind nun einmal so, Heber Vater," sagte Frau von Goethe, indem sie über den Tisch neigend ihm die Hand drückte. — „Man mufs euch schon in euerer Liebenswürdigkeit gewähren lassen," erwiderte Goethe.
So mufs man schliefslich auch die männlichen Dilettanten gewähren lassen. Sie werden zu allen Zeiten da sein; wenn sie aber in bedrohlichen Schwärmen auf- treten, so hat das besondere Ursachen und ist dann auch nicht von Dauer. Man mufs solche Moden von der Warte der Jahrhunderte betrachten, wie Goethe im Januar 1808 in Worten, die er zu Riemer sprach:
„Der Kunstgenius produziert zu allen Zeiten, in mehr oder minder geschmeidigem Stoff, wie die Vorwelt Homer, Aeschylos, Sophokles, Dante, Ariost, Calderon und Shakespeare gesehen hat; es ist nur dies der Unterschied, dafs jetzt auch die Mittelmäfsigkeit und die sekundären Figuren dran kommen und alle unteren Kunsteigenschaften, die zur Technik gehören. Es wird nun auch im Thale licht, statt dafs sonst nur die hohen Berggipfel Sonne trugen. So ist es auch mit anderen Stimmungen des Geistes, mit der religiösen, amourösen, bellikosen und anderen. In einzelnen Individuen sind sie zu allen Zeiten gewesen und noch. Aber allgemein verbreitet nur zu gewissen Zeitaltern, und immer sind sie der Kometenschwanz irgend eines in diesen Dingen ausgezeichneten Mannes oder mehrerer, in denen, wie an der Spitze der Berge, zuerst diese Morgenröte schimmerte. Jede solche Stimmung lebt einen Tag, hat ihren Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. So ist's mit der Kunst, so wird es auch mit der Poesie werden,, die jetzt im Nachmittag ist."
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