er lauscht den Erzählungen der Alten, von denen besonders Baucis mit beredtem Munde schildert wie es nicht mit rechten Dingen zuging. Auch ihr Gutchen wollte der neue Herr haben und ihnen ein besseres und gröfseres im neuen Lande dafür geben: aber Baucis mahnt: »Traue nicht dem Wasserboden Halt auf deiner Höhe Stand!« Nun treten sie in die Kapelle »Lafst uns läuten, knieen, beten. Und dem alten Gott "vertraun« Eben dieses Läuten, in dem die fromme Empfindung ihren Ausdruck findet bildet den Übergang zu der Weiterführung der Handlung, ja zur Herbeiführung der Entscheidung selbst.
Dieselben Schiffe, die Philemon in weitester Ferne gesehen hat, werden nun auch von dem Turmwächter erblickt, der wiederum den Fachnamen Lynkeus fuhrt . aus ihnen löst sich ein grofser Kahn heraus, der auf dem Kanal zum Schlosse heranfährt, und laut preist der Türmer das Glück des heimkehrenden Schiffes. Da ertönt das Läuten des Glöckchens von der Kapelle her und versetzt Faust in die bitterste Stimmung: er mufs die Erfahrung machen, dafs der Besitz nicht die Befriedigung bringt, da er immer Neues hinzuwünscht und auch das Kleinste, was fehlt, ihm die Lust am Vorhandenen verbittert: »Mein Hochbesitz, er ist nicht rein Der Lindenraum, die braune Baute, Das morsche Kirchlein ist nicht mein.« So sehnt er sich weit weg von hier. Und wie nun Mephistopheles mit seinen drei Gewaltigen als Bootsmann mit den Matrosen auttritt und reiche Beute mit heimbringt, wird er unwirsch empfangen: ihn selbst stört das nicht, aber seine Mannschaff mufs er beruhigen; so verweist er sie auf frohe Feste, und auch der klingende Lohn wird nicht ausbleiben: »Die bunten Vögel kommen morgen,« die Goldstücke, die ihnen als besondre Belohnung zu teil werden sollen.
Mephistopheles will nun Faust darauf hinweisen, dafs er seinen Wunsch erreicht habe und befriedigt sein müfste. Aber Faust ist es nicht, und fast schämt er sich zu bekennen, was ihm fehlt und ihn peinigt, dafs ihm der Nichtbesitz des Gütchens der Alten »Stich um Stich« im Herzen giebt: »Die Alten droben sollten weichen , Die Linden wünscht' ich mir zum Sitz , Die wenig Bäume , nicht mein eigen , Verderben mir den Weltbesitz.« Von dort will er mit einem Blick »des Menschengeistes Meisterstück« überschauen, »Bethätigend, mit klugem Sinn, Der Völker breiten Wohngewinn.« Damit hat der Drang, der ihn dazu führte, dem Meere neues Land abzugewinnen , eine höhere Stufe erreicht : zu dem Reize , das Element zu bekämpfen, kommt nun der Gedanke, für andre Menschen einen neuen Wohnsitz zu schaffen. Auf einer nochmals höheren Stufe bringt dann dieser Gedanke die letzte Entscheidung auf Erden herbei, die durch dieses allmähliche Wachsen nach und nach vorbereitet wird. Mephistopheles ist sofort bereit, die Alten wegzuschaffen : Faust ist damit einverstanden, dafs sie in das ihnen längst bestimmte schöne Gütchen gebracht werden. Mephistopheles bestätigt das Faust gegenüber: für sich aber weifs er, dafs »auch hier geschieht, was längst geschah, Denn Naboths Weinberg war schon da.« Das läfst Schlimmes erwarten, und Schlimmes geschieht: das Häuschen, die Kapelle, die Linden geraten in Brand, aber Faust tröstet sich beim Anblick damit, dafs das alte Paar »im Gefühl grofsmütiger Schonung Der späten Tage froh geniefst.' Es ist aber weit Schlimmeres geschehen, als er befürchtet. Mephistopheles fand Widerstand: ein Fremder — der Wanderer — ward »in wilden Kampfes kurzer Zeit« gestreckt, die Alten fielen vor Schreck entseelt hin. Da flucht ihm Faust: »Wart ihr für meine Worte taub ? Tausch wollt' ich , wollte keinen Raub. Dem unbesonnenen wilden Streich, Ihm fluch' ich, teilt es unter euch!«
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