Über Glasmalerei. Fortsetzung
Tübingen, den 11 September 1797.In dem Chor der Tübinger Kirche befinden sich bunte 20 Fenster, welche ich beobachtete und folgende Bemerkungen machte:
Den Grund betreffend
Derselbe ist bräunlich, scheint gleich aufgetragen zu sein und in einem trockenen Zustande mit Nadeln ausgerissen. Bei den hohen Lichtern ist der Grund scharf weggenommen, die übrige Haltung aber mit kleinen Strichlein hervorgebracht, wie man auf einem dunkeln Grund mit Kreide höhen würde. Auf diese Weise ist die Haltung bewirkt, und das Bild befindet sich auf der Seite die nach innen gekehrt ist. Der Grund ist rauh und unschmelzbar, und muß durch ein großes Feuer in das Glas gebrannt sein; die feinsten Nadelzüge stehen in ihrer völligen Schärfe da; es konnte damit auf weißen und allen andern Gläsern operiert werden. Hier sind Vögel und Tierarten auf gelbem Grunde mit unglaublicher Geschicklichkeit radiert; sowohl die Umrisse als die tiefsten Schatten scheinen mit dem Pinsel gemacht zu sein, so daß der erste Grund doch gleichsam schon als eine starke Mitteltinte anzusehen ist.
Die Färbung betreffend
Man kann hierüber bei den Tübinger Scheiben wenig lernen, weil sie äußerst zusammengesetzt sind. Sie haben zwar sehr gelitten und sind mitunter höchst ungeschickt geflickt; aber man sieht doch, daß sie gleich von Anfang aus sehr kleinen Stücken zusammengesetzt waren, z. B. selbst die einzelnen Teile eines Harnisches, der doch völlig einfarbig ist.
Wenn hier auf einem Glas zwei, ja drei Farben vorkommen, so ist es durch das Ausschleifen geleistet. Es sieht sehr gut aus, wenn eine weiße Stickerei auf einem farbigen Kleide ausgeschliffen ist. Dieses Ausschleifen ist vorzüglich bei Wappen gebraucht. Die weiße Wäsche neben den Gewändern so auszuschleifen, würde einen sehr guten Effekt tun. Durch dieses Mittel können z. B. viererlei Farben auf einmal dargestellt werden, ja mehrere. Eine Purpurschicht wird auf ein weißes Glas geschmolzen, das Schwarze wird auf den Purpur gemalt, das Übrige wird herausgeschliffen und man kann auf der Rückseite des Weißen wieder Farben anbringen, welche man will. Sehr dünner Purpur tut einen herrlichen Effekt, und würde bei dem geschmackvollsten Kolorit seinen Platz gehörig einnehmen. Eben so könnte gelb auf Purpur geschmolzen und eine Farbe ausgeschliffen werden.
Das Schwarze habe ich hier auf der innern Seite sehr dicht aufgemalt gesehen. Es sind auf diese Weise teils die schwarzen Teile der Wappen, teils große Zierraten auf farbige Scheiben aufgetragen. Zu Holz, Stein und anderem Nebenwesen gibt es sehr artige Töne, die aus dem Grünen, Roten, Gelben und Violetten ins Braune spielen. Man müßte damit, bei geschmackvollerer Malerei, seine Gründe sehr sanft halten können.
Die Fleischfarbe ist nun freilich am wenigsten gut, sie steigt vom Gelben bis zum Rotgelben; ja ich habe an Nebenfiguren ein violettlich Braun bemerkt. Wollte man überhaupt wieder etwas in dieser Art versuchen, so müßte man sich einen gewissen Styl machen, und nach den mechanischen Möglichkeiten die Arbeiten behandeln.
Die Hauptfarben sind alle da, und zwar in ihrer höchsten Energie und Sattheit.
Ein Dunkelblau ist vortrefflich. Ein Hellblau scheint neuer. Eine Art von Stahlblau, vielleicht von hinten durch eine graue Schmelzfarbe hervorgebracht. Gelb vom hellsten bis ins Orange, ja Ziegelrot, Smaragdgrün, Gelbgrün, Violett, und zwar ein blauliches und ein rötliches, beides sehr schön. Purpur in allen Tönen, des hellen und dunkeln, von der größten Herrlichkeit.
Diese Hauptfarben können, wie schon oben gesagt, wenn man wollte, getötet werden, und man müßte nicht allein diese lebhafte und heftige, sondern auch eine angenehme Harmonie hervorbringen können.
An Schiller
Tübingen, den 14 September 1797.Seit dem 4 September, an dem ich meinen letzten Brief abschickte, ist es mir durchaus recht gut gegangen. Ich blieb in Stuttgart noch drei Tage, in denen ich noch manche Personen kennen lernte und manches Interessante beobachtete. Als ich bemerken konnte, daß mein Verhältnis zu Rapp und Dannecker im Wachsen war, und beide manchen Grundsatz, an dem mir theoretisch so viel gelegen ist, aufzufassen nicht abgeneigt waren, auch von ihrer Seite sie mir manches Gute, Angenehme und Brauchbare mitteilten, so entschloß ich mich ihnen den Herrmann vorzulesen, das ich denn auch in einem Abend vollbrachte. Ich hatte alle Ursache mich des Effekts zu erfreuen, den er hervorbrachte, und es sind uns allen diese Stunden fruchtbar geworden.
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Nun bin ich seit dem 7ten in Tübingen, dessen Umgebungen ich die ersten Tage, bei schönem Wetter, mit Vergnügen betrachtete, und nun eine traurige Regenzeit, durch geselligen Umgang, um ihren Einfluß betrüge. Bei Cotta habe ich ein heiteres Zimmer, und, zwischen der alten Kirche und dem akademischen Gebäude, einen freundlichen, obgleich schmalen Ausblick ins Neckartal. Indessen bereite ich mich zur Abreise, und meinen nächsten Brief erhalten Sie von Stäfa. Meyer ist sehr wohl und erwartet mich mit Verlangen. Es läßt sich gar nicht berechnen, was beiden unsere Zusammenkunft sein und werden kann.
Je näher ich Cotta kennen lerne, desto besser gefällt er mir. Für einen Mann von strebender Denkart und unternehmender Handelsweise hat er so viel Mäßiges, Sanftes und Gefaßtes, so viel Klarheit und Beharrlichkeit, daß er mir eine seltene Erscheinung ist. Ich habe mehrere von den hiesigen Professoren kennen lernen, in ihren Fächern, Denkungsart und Lebensweise sehr schätzbare Männer, die sich alle in ihrer Lage gut zu befinden scheinen, ohne daß sie gerade einer bewegten akademischen Zirkulation nötig hätten. Die großen Stiftungen scheinen den großen Gebäuden gleich in die sie eingeschlossen sind; sie stehen wie ruhige Kolossen auf sich selbst gegründet und bringen keine lebhafte Tätigkeit hervor, die sie zu ihrer Erhaltung nicht bedürfen.
Sonderbar hat mich hier eine kleine Schrift von Kant überrascht, die Sie gewiß auch kennen werden:
Der Edelknabe und die Müllerin
Altenglisch
Edelknabe
Wohin? Wohin?
Schöne Müllerin!
Wie heißt du?
Müllerin
Lise.
Edelknabe
Wohin denn? wohin
Mit dem Rechen in der Hand?
Müllerin
Auf des Vaters Land,
Auf des Vaters Wiese!
Edelknabe
Und gehst so allein?
Müllerin
Das Heu soll herein,
Das bedeutet der Rechen;
Fangen die Birn' zu reifen an,
Und im Garten daran
Die will ich brechen.
Müllerin
Edelknabe
Ist nicht eine stille Laube dabei?
Sogar ihrer zwei
Und am heißen Mittag
An beiden Ecken.
Edelknabe
Ich komme dir nach,
Müllerin
Wollen wir uns drein verstecken.
Nicht wahr? im grünen vertraulichen Haus –
Mit nichten!
Das gäbe Geschichten.
Edelknabe
Ruhst du in meinen Armen aus?
Müllerin
Tät' mir leid
Denn wer die artige Müllerin küßt
Auf der Stelle verraten ist.
Ich liebe mir den Müller-Knecht
Euer schönes dunkles Kleid
So weiß zu färben.
Gleich und gleich! so allein ist's recht!
Darauf will ich leben und sterben.
An dem ist nichts zu verderben.
Briefwechsel Schiller und Goethe
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