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2020-01-29

J.W.v.Goethe: Der Verfasser teilt die Geschichte seiner botanischen Studien mit (24)






Der Verfasser teilt die Geschichte seiner botanischen Studien mit

Um die Geschichte der Wissenschaften aufzuklären, um den Gang derselben genau kennen zu lernen, pflegt man sich sorgfältig nach ihren ersten Anfängen zu erkundigen; man bemüht sich zu forschen: wer zuerst irgendeinem Gegenstand seine Aufmerksamkeit zugewendet, wie er sich dabei benommen, wo und zu welcher Zeit man zuerst gewisse Erscheinungen in Betracht gezogen, dergestalt, daß von Gedanke zu Gedanken neue Ansichten sich hervorgetan, welche durch Anwendung allgemein bestätigt endlich die Epoche bezeichnen, worin das, was wir eine Entdeckung, eine Erfindung nennen, unbezweifelt zutage gekommen: eine Erörterung, welche den mannigfachsten Anlaß gibt, die menschlichen Geisteskräfte zu kennen und zu schätzen.

Vorstehender kleinen Schrift hat man die Auszeichnung erwiesen, sich nach ihrer Entstehung zu erkundigen; man hat zu erfahren gewünscht: wie ein Mann von mittlerem Alter, der als Dichter etwas galt und außerdem von mannigfaltigen Neigungen und Pflichten bedingt erschien, sich habe können in das grenzenloseste Naturreich begeben und dasselbe in dem Maße studieren, daß er fähig geworden eine Maxime zu fassen, welche, zur Anwendung auf die mannigfaltigsten Gestalten bequem, die Gesetzlichkeit aussprach, der zu gehorchen Tausende von Einzelnheiten genötigt sind.

Der Verfasser gedachten Werkchens hat hierüber schon in seinen morphologischen Heften Nachricht gegeben, in dem er aber hier am Orte das Nötige und Schickliche bei bringen möchte, bittet er sich die Erlaubnis aus, in der ersten Person einen bescheidenen Vortrag zu eröffnen.

In einer ansehnlichen Stadt geboren und erzogen, gewann ich meine erste Bildung in der Bemühung um alte und neuere Sprachen, woran sich früh rhetorische und poetische Übungen anschlossen. Hiezu gesellte sich übrigens alles, was in sittlicher und religiöser Hinsicht den Menschen auf sich selbst hinweist. Eine weitere Ausbildung hatte ich gleichfalls größeren Städten zu danken, und es ergibt sich hieraus, daß meine Geistestätigkeit sich auf das gesellig Sittliche beziehen mußte und in Gefolg dessen auf das Angenehme, was man damals schöne Literatur nannte. Von dem hingegen, was eigentlich äußere Natur heißt, hatte ich keinen Begriff, und von ihren sogenannten drei Reichen nicht die geringste Kenntnis. Von Kindheit auf war ich gewohnt, in wohleingerichteten Ziergärten den Flor der Tulpen, Ranunkeln und Nelken bewundert zu sehen; und wenn außer den gewöhnlichen Obstsorten auch Aprikosen, Pfirschen und Trauben wohl gerieten, so waren dies genügende Feste den Jungen und den Alten. An exotische Pflanzen wurde nicht gedacht, noch viel weniger daran, Naturgeschichte in der Schule zu lehren.

Die ersten von mir herausgegebenen poetischen Versuche wurden mit Beifall aufgenommen, welche jedoch eigentlich nur den innern Menschen schildern, und von den Gemütsbewegungen genugsame Kenntnis voraussetzen. Hie und da mag sich ein Anklang finden von einem leidenschaftlichen Ergötzen an ländlichen Natur-Gegenständen, sowie von einem ernsten Drange das ungeheure Geheimnis, das sich in stetigem Erschaffen und Zerstören an den Tag gibt, zu erkennen, ob sich schon dieser Trieb in ein unbestimmtes, unbefriedigtes Hinbrüten zu verlieren scheint. In das tätige Leben jedoch sowohl als in die Sphäre der Wissenschaft trat ich eigentlich zuerst, als der edle Weimarische Kreis mich günstig aufnahm; wo außer andern unschätzbaren Vorteilen mich der Gewinn beglückte, Stuben- und Stadtluft mit Land-, Wald- und Garten-Atmosphäre zu vertauschen. Schon der erste Winter gewährte die raschen geselligen Freuden der Jagd, von welchen ausruhend man die langen Abende nicht nur mit allerlei merkwürdigen Abenteuern der Wildbahn, sondern auch vorzüglich mit Unterhaltung über die nötige Holzkultur zubrachte. Denn die Weimarische Jägerei bestand aus trefflichen Forstmännern, unter welchen der Name Sckell in Segen bleibt. Eine Revision sämtlicher Waldreviere, gegründet auf Vermessung, war bereits vollbracht, und für lange Zeit eine Einteilung der jährlichen Schläge vorgesehn.

Auch die jüngeren Edelleute folgten wohlmeinend dieser vernünftigen Spur, von denen ich hier nur den Baron von Wedel nenne, welcher uns in seinen besten Jahren leider entrissen ward. Er behandelte sein Geschäft mit gradem Sinn und großer Billigkeit; auch er hatte schon in jener Zeit auf die Verringerung des Wildstandes gedrungen, überzeugt, wie schädlich die Hegung desselben nicht allein dem Ackerbau, sondern der Forstkultur selbst werden müsse.

Hier tat sich nun der Thüringer Wald in Länge und Breite vor uns auf; denn nicht allein die dortigen schönen Besitztümer des Fürsten, sondern, bei guten nachbarlichen Verhältnissen, sämtliche daranstoßenden Reviere waren uns zugänglich; zumal da auch die angehende Geologie in jugendlicher Bestrebsamkeit sich bemühte, Rechenschaft von dem Grund und Boden zu geben, worauf diese uralten Wälder sich angesiedelt. Nadelhölzer aller Art, mit ernstem Grün und balsamischem Dufte, Buchenhaine von freudigerm Anblick, die schwanke Birke und das niedere namenlose Gesträuch, jedes hatte seinen Platz gesucht und gewonnen. Wir aber konnten dies alles in großen, meilenweiten, mehr oder weniger wohlbestandenen Forsten überschauen und erkennen.

Auch wenn von Benutzung die Rede war, mußte man sich nach den Eigenschaften der Baumarten erkundigen. Die Harzscharre, deren Mißbrauch man nach und nach zu begrenzen suchte, ließ die feinen balsamischen Säfte in Betrachtung ziehn, die einen solchen Baum ins zweite Jahrhundert, von der Wurzel bis zum Gipfel begleiteten, ernährten, ewig grün, frisch und lebendig erhielten.

Hier zeigte sich denn auch die ganze Sippschaft der Moose in ihrer größten Mannigfaltigkeit; sogar den unter der Erde verborgenen Wurzeln wurde unsre Aufmerksamkeit zugewendet. In jenen Waldgegenden hatten sich nämlich, von den dunkelsten Zeiten her, geheimnisvoll nach Rezepten arbeitende Laboranten angesiedelt und vom Vater zum Sohn manche Arten von Extrakten und Geisten bearbeitet, deren allgemeiner Ruf von einer ganz vorzüglichen Heilsamkeit durch emsige sogenannte Balsamträger erneuert, verbreitet und genutzt ward. Hier spielte nun der Enzian eine große Rolle, und es war eine angenehme Bemühung, dieses reiche Geschlecht nach seinen verschiedenen Gestalten als Pflanze und Blüte, vorzüglich aber die heilsame Wurzel näher zu betrachten. Dieses war das erste Geschlecht, welches mich im eigentlichen Sinne anzog, dessen Arten kennen zu lernen ich auch in der Folgezeit bemüht war. Hiebei möchte man bemerken, daß der Gang meiner botanischen Bildung einigermaßen der Geschichte der Botanik selbst ähnelte; denn ich war vom augenfälligsten Allgemeinsten auf das Nutzbare, Anwendbare, vom Bedarf zur Kenntnis gelangt, und welcher Kenner wird bei obigem sich nicht jener Epoche der Rhizotomen lächelnd erinnern?

Da nun aber gegenwärtig die Absicht bleibt zu melden, wie ich mich der eigentlichen wissenschaftlichen Botanik genähert, so hab' ich vor allen Dingen eines Mannes zu gedenken, welcher in jeder Hinsicht die Hochschätzung seiner Weimarischen Mitbürger verdiente. Dr. Buchholz, Besitzer der damals einzigen Apotheke, wohlhabend und lebenslustig, richtete mit ruhmwürdiger Lernbegierde seine Tätigkeit auf Naturwissenschaften. Er suchte sich zu seinen unmittelbaren pharmazeutischen Zwecken die tüchtigsten chemischen Gehülfen, wie denn der treffliche Göttling aus dieser Offizin als gebildeter Scheidekünstler hervorging. Jede neue, vom Aus- oder Inland entdeckte chemischphysische Merkwürdigkeit ward unter des Prinzipals Leitung geprüft, und einer wißbegierigen Gesellschaft uneigennützig vorgetragen. Auch in der Folge, daß ich dieses zu seinen Ehren vorausnehme, als die naturforschende Welt sich eifrig beschäftigte die verschiedenen Luftarten zu erkennen, versäumte er nicht, jederzeit das Neueste experimentierend vor Augen zu bringen. So ließ er denn auch eine der ersten Montgolfieren von unsern Terrassen, zum Ergötzen der Unterrichteten, in die Höhe steigen, indessen die Menge sich vor Erstaunen kaum zu fassen wußte, und in der Luft die verschüchterten Tauben scharenweise hin und wider flüchteten.

Hier aber habe ich vielleicht einem zu erwartenden Vorwurfe zu begegnen, daß ich nämlich fremde Beziehungen in meinen Vortrag mit einmische. Sei mir darauf zu erwidern erlaubt, daß ich von meiner Bildung im Zusammenhange nicht sprechen könnte, wenn ich nicht der frühen Vorzüge des Weimarischen, für jene Zeiten hochgebildeten Kreises dankbar gedächte, wo Geschmack und Kenntnis, Wissen und Dichten gesellig zu wirken sich bestrebten, ernste gründliche Studien und frohe rasche Tätigkeit unablässig miteinander wetteiferten.

Doch aber hängt, näher betrachtet, was ich hier zu sagen habe, mit dem Vorgemeldeten zusammen. Chemie und Botanik gingen damals vereint aus den ärztlichen Bedürfnissen hervor, und wie der gerühmte Dr. Buchholz von seinem Dispensatorium sich in die höhere Chemie wagte, so schritt er auch aus den engen Gewürzbeeten in die freiere Pflanzenwelt. In seinen Gärten hatte er nicht die offizinellen Gewächse nur, sondern auch seltenere, neu bekannt gewordene Pflanzen für die Wissenschaft zu pflegen unternommen. Dieses Mannes Tätigkeit lenkte der junge, schon früh den Wissenschaften sich hingebende Regent allgemeinerem Gebrauch und Belehrung zu, indem er große sonnige Gartenflächen, in der Nachbarschaft von schattigen und feuchten Plätzen, einer botanischen Anstalt widmete, wozu denn ältere wohlerfahrene Hofgärtner mit Eifer sogleich die Hand boten. Die noch vorhandenen Katalogen dieser Anstalt zeugen von dem Eifer, womit dergleichen Anfänge betrieben wurden.

Unter solchen Umständen war auch ich genötigt, über botanische Dinge immer mehr und mehr Aufklärung zu suchen. Linnés Terminologie, die Fundamente, worauf das Kunstgebäude sich stützen sollte, Johann Geßners Dissertationen zu Erklärung Linnéischer Elemente, alles in Einem schmächtigen Hefte vereinigt, begleiteten mich auf Wegen und Stegen; und noch heute erinnert mich ebendasselbe Heft an die frischen glücklichen Tage, in welchen jene gehaltreichen Blätter mir zuerst eine neue Welt aufschlossen. Linnés Philosophie der Botanik war mein tägliches Studium, und so rückte ich immer weiter vor in geordneter Kenntnis, indem ich mir möglichst anzueignen suchte, was mir eine allgemeinere Umsicht über dieses weite Reich verschaffen konnte. Besonderen Vorteil aber brachte mir, wie in allem Wissenschaftlichen, die Nähe der Akademie Jena, wo die Wartung offizineller Pflanzen seit geraumer Zeit mit Ernst und Fleiß behandelt wurde. Auch erwarben sich die Professoren Prätorius, Schlegel und Rolfink früher um die allgemeinere Botanik zeitgemäße Verdienste. Epoche machte jedoch Ruppes Flora Jenensis, welche 1718 erschien; hiernach wurde der bis jetzt auf einen engen klösterlichen Garten eingeschränkten, bloß zu ärztlichem Zwecke dienenden Pflanzenbetrachtung die ganze reiche Gegend eröffnet und ein freies frohes Naturstudium eingeleitet. Hieran von ihrer Seite Anteil zu nehmen beeiferten sich aufgeweckte Landleute aus der Gegend, welche schon für den Apotheker und Kräuter-Händler bisher sich tätig erwiesen hatten, und eine nunmehr neueingeführte Terminologie nach und nach einzulernen wußten. In Ziegenhain hatte sich besonders eine Familie Dietrich hervorgetan; der Stammvater derselben, sogar von Linné bemerkt, hatte von diesem hochverehrten Manne ein eigenhändiges Schreiben aufzuweisen, durch welches Diplom er sich wie billig in den botanischen Adelstand erhoben fühlte. Nach seinem Ableben setzte der Sohn die Geschäfte fort, welche hauptsächlich darin bestanden, daß die sogenannten Lektionen, nämlich Bündel der jede Woche blühenden Gewächse, Lehrenden und Lernenden von allen Seiten herangeschafft wurden. Die joviale Wirksamkeit des Mannes verbreitete sich bis nach Weimar, und so ward ich nach und nach mit der Jenaischen reichen Flora bekannt.

Noch einen größern Einfluß aber auf meine Belehrung hatte der Enkel Friedrich Gottlieb Dietrich. Als wohlgebauter Jüngling, von regelmäßig angenehmer Gesichtsbildung, schritt er vor, mit frischer Jugendkraft und Lust sich der Pflanzenwelt zu bemeistern; sein glückliches Gedächtnis hielt alle die seltsamen Benennungen fest, und reichte sie ihm jeden Augenblick zum Gebrauche dar; seine Gegenwart sagte mir zu, da ein offner freier Charakter aus Wesen und Tun hervorleuchtete, und so ward ich bewogen auf einer Reise nach Karlsbad ihn mit mir zu nehmen. In gebirgigen Gegenden immer zu Fuße brachte er mit eifrigem Spürsinn alles Blühende zusammen, und reichte mir die Ausbeute wo möglich an Ort und Stelle sogleich in den Wagen herein, und rief dabei nach Art eines Herolds die Linnéischen Bezeichnungen, Geschlecht und Art, mit froher Überzeugung aus, manchmal wohl mit falscher Betonung. Hiedurch ward mir ein neues Verhältnis zur freien herrlichen Natur, indem mein Auge ihrer Wunder genoß und mir zugleich wissenschaftliche Bezeichnungen des Einzelnen, gleichsam aus einer fernen Studierstube, in das Ohr drangen.

In Karlsbad selbst war der junge rüstige Mann mit Sonnenaufgang im Gebirge, reichliche Lektionen brachte er mir sodann an den Brunnen, ehe ich noch meine Becher geleert hatte; alle Mitgäste nahmen teil, die, welche sich dieser schönen Wissenschaft befleißigten, besonders. Sie sahen ihre Kenntnisse auf das anmutigste angeregt, wenn ein schmucker Landknabe, im kurzen Westchen, daherlief, große Bündel von Kräutern und Blumen vorweisend, sie alle mit Namen, griechischen, lateinischen, barbarischen Ursprungs, bezeichnend; ein Phänomen, das bei Männern, auch wohl bei Frauen, vielen Anteil erregte. Sollte vorgesagtes dem eigentlich wissenschaftlichen Manne vielleicht allzu empirisch vorkommen, so melde ich hienächst, daß gerade dieses lebhafte Benehmen uns die Gunst und den Anteil eines in diesem Fache schon geübteren Mannes erwerben konnte, eines trefflichen Arztes nämlich, der, einen reichen Vornehmen begleitend, seinen Badeaufenthalt eigentlich zu botanischen Zwecken zu nutzen gedachte. Er gesellte sich gar bald zu uns, die sich freuten ihm an Handen zu gehen. Die meisten von Dietrich früh eingebrachten Pflanzen trachtete er sorgfältig einzulegen, wo denn der Name hinzugeschrieben und auch sonst manches bemerkt wurde. Hiebei konnt' ich nicht anders als gewinnen. Durch Wiederholung prägten sich die Namen in mein Gedächtnis; auch im Analysieren gewann ich etwas mehr Fertigkeit, doch ohne bedeutenden Erfolg; Trennen und Zählen lag nicht in meiner Natur.

Nun fand aber jenes fleißige Bemühen und Treiben in der großen Gesellschaft einige Gegner. Wir mußten öfters hören: die ganze Botanik, deren Studium wir so emsig verfolgten, sei nichts weiter als eine Nomenklatur, und ein ganzes auf Zahlen, und das nicht einmal durchaus, gegründetes System; sie könne weder dem Verstand noch der Einbildungskraft genügen, und niemand werde darin irgendeine auslangende Folge zu finden wissen. Ohngeachtet dieser Einwendung gingen wir getrost unsern Weg fort, der uns denn immer tief genug in die Pflanzenkenntnis einzuleiten versprach. Hier aber will ich nur kürzlich bemerken, daß der folgende Lebensgang des jungen Dietrich solchen Anfängen gleich blieb; er schritt unermüdet auf dieser Bahn weiter, so daß er, als Schriftsteller rühmlichst bekannt, mit der Doktorwürde geziert, den Großherzoglichen Gärten in Eisenach bis jetzt mit Eifer und Ehre vorsteht.

August Carl Batsch, der Sohn eines in Weimar durchaus geliebten und geschätzten Vaters, hatte seine Studienzeit in Jena sehr wohl benutzt, sich den Naturwissenschaften eifrig ergeben und es so weit gebracht, daß er nach Köstritz berufen wurde, um die ansehnliche Gräflich Reußische Naturaliensammlung zu ordnen und ihr eine Zeitlang vorzustehen. Sodann kehrte er nach Weimar zurück, wo ich ihn denn, im harten pflanzenfeindlichen Winter, auf der Schrittschuhbahn, damals dem Versammlungsort guter Gesellschaft, mit Vergnügen kennen lernte, seine zarte Bestimmtheit und ruhigen Eifer gar bald zu schätzen wußte, und in freier Bewegung mich mit ihm über höhere Ansichten der Pflanzenkunde und über die verschiedenen Methoden, dieses Wissen zu behandeln, freimütig und anhaltend besprach. Seine Denkweise war meinen Wünschen und Forderungen höchst angemessen, die Ordnung der Pflanzen nach Familien, in aufsteigendem, sich nach und nach entwickelnden Fortschritt, war sein Augenmerk. Diese naturgemäße Methode, auf die Linné mit frommen Wünschen hindeutet, bei welcher französische Botaniker theoretisch und praktisch beharrten, sollte nun einen unternehmenden jüngeren Mann zeitlebens beschäftigen, und wie froh war ich meinen Teil daran aus der ersten Hand zu gewinnen.

Aber nicht allein von zwei Jünglingen, sondern auch von einem bejahrten vorzüglichen Manne sollte ich unbeschreiblich gefördert werden. Hofrat Büttner hatte seine Bibliothek von Göttingen nach Jena gebracht, und ich, durch das Vertrauen meines Fürsten, der diesen Schatz sich und uns angeeignet hatte, beauftragt, Anordnung und Aufstellung, nach dem eigenen Sinne des im Besitz bleibenden Sammlers, einzuleiten, unterhielt mit demselben ein fortwährendes Verkehr. Er, eine lebendige Bibliothek, bereitwillig auf jede Frage umständliche, auslangende Antwort und Auskunft zu geben, unterhielt sich über Botanik mit Vorliebe.

Hier verleugnete er nicht, sondern bekannte vielmehr sogar leidenschaftlich, daß er, als Zeitgenosse Linnés, gegen diesen ausgezeichneten, die ganze Welt mit seinem Namen erfüllenden Mann in stillem Wetteifer, dessen System niemals angenommen, vielmehr sich bemüht habe, die Anordnung der Gewächse nach Familien zu bearbeiten, von den einfachsten fast unsichtbaren Anfängen in das Zusammengesetzteste und Ungeheuerste fortschreitend. Ein Schema hiervon zeigte er gern, mit eigner Hand zierlich geschrieben, worin die Geschlechter nach diesem Sinne gereiht erschienen, mir zu großer Erbauung und Beruhigung. Vorgesagtem nachdenkend, wird man die Vorteile nicht verkennen, die mir meine Lage zu dergleichen Studien gewährte: große Gärten, sowohl an der Stadt als an Lustschlössern, hie und da in der Gegend Baum- und Gebüsch-Anlagen nicht ohne botanische Rücksicht, dazu die Beihülfe einer in der Nachbarschaft längst durchgearbeiteten wissenschaftlichen Lokalflora, nebst der Einwirkung einer stets fortschreitenden Akademie, alles zusammengenommen gab einem aufgeweckten Geiste genugsame Fördernis zur Einsicht in die Pflanzenwelt. Indessen sich dergestalt meine botanischen Kenntnisse und Einsichten in lebenslustiger Geselligkeit erweiterten, ward ich eines einsiedlerischen Pflanzenfreundes gewahr, der mit Ernst und Fleiß sich diesem Fache gewidmet hatte.



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