> Gedichte und Zitate für alle: J.W.v.Goethe: Farbenlehre- Eduard Hussey Delaval (270)

2020-01-24

J.W.v.Goethe: Farbenlehre- Eduard Hussey Delaval (270)




Eduard Hussey Delaval


Versuch und Bemerkungen über die Ursache der dauerhaften Farben undurchsichtiger Körper. Übersetzt und herausgegeben von Crell. Berlin und Stettin 1788. 8°.

Der eigentliche Gehalt dieser Schrift, ob er gleich in der Farbenlehre von großer Bedeutung ist, läßt sich doch mit wenigen Worten aussprechen. Des Verfassers Hauptaugenmerk ruht auf dem skieron, auf der dunklen Eigenschaft der Farbe, wohin wir auch wiederholt gedeutet haben.

Er behandelt vorzüglich färbende Stoffe aus dem Mineralreiche, sodann auch aus dem vegetabilischen und animalischen; er zeigt, daß diese Stoffe in ihrem feinsten und konzentriertesten Zustande keine Farbe bei auffallendem Lichte sehen lassen, sondern vielmehr schwarz erscheinen.

Auch in Feuchtigkeiten aufgelöste reine Farbestoffe sowie farbige Gläser zeigen, wenn ein dunkler Grund hinter ihnen liegt, keine Farbe, sondern nur, wenn ein heller hinter ihnen befindlich ist. Alsdann aber lassen sie ihre farbige Eigenschaft ebensogut als bei durchfallendem Lichte sehen.

Was sich auch vielleicht gegen des Verfassers Verfahrungsart bei seinen Versuchen einwenden läßt, so bleibt doch das Resultat derselben für denjenigen, der sie nachzuahmen und zu vermannigfaltigen weiß, unverrückt stehen, in welchem sich das ganze Fundament der Färberei und Malerei ausdrückt.

Des Verfassers Vortrag hingegen ist keiner von den glücklichsten. Seine Überzeugung trifft mit der Newtonischen nicht zusammen, und doch kann er sich von dieser nicht losmachen, so wenig als von der Terminologie, wodurch sie sich ausspricht. Man sieht ferner durch seine Deduktion wohl den Faden durch, an welchen er sich hält, allein er verschlingt ihn selbst und macht dadurch den Leser verworren.

Da er vorzüglich in dem chemischen Felde arbeitet, so steht ihm freilich die Vorstellungsart seiner Zeit und die damalige Terminologie entgegen, wo das Phlogiston so wunderbar Widersprechendes wirken sollte. Die Kenntnis der verschiedenen Luftarten ist auf dem Wege; aber der Verfasser entbehrt noch die großen Vorzüge der neuern französischen Chemie und ihres Sprachgebrauchs, wodurch wir denn freilich gegenwärtig viel weiter reichen. Es gehört daher eine Überzeugung von seinem Hauptgrundsatze und ein guter Wille dazu, um das Echte und Verdienstliche seiner Arbeit auszuziehen und anzuerkennen. Wir haben ihn seit langen Jahren geschätzt und daher auch schon (E. 572 ff.) seine Überzeugung, verbunden mit der unsern, aufgeführt.

Bei den Pflanzen gerät es ihm am besten. Er entzieht ihnen das Färbende und es bleibt eine weiße Struktur übrig. Dieses ausgezogene Färbende verflüstert sich immer mehr beim Verdichten, manifestiert seine schattenhafte Natur, nähert sich dem Schwarzen, Ununterscheidbaren, und kann wieder einer andern weißen Fläche mitgeteilt und in seiner vorigen Spezifikation und Herrlichkeit dargestellt werden. Im Tierreich ist es schon schwieriger. Im Mineralreiche finden sich noch mehr Hindernisse, wenn man den Grundsatz durchführen will. Jedoch beharrt er fest bei demselben und wendet ihn, wo er empirisch anwendbar ist, glücklich an.

In der Vorrede sind zwei kurze Aufsätze, die jedoch dem Verfasser nicht besonders günstig sind, vom Herausgeber eingeschaltet, der eine von Klügel, der andere von Lichtenberg. In dem ersten finden wir einen gemütlichen und redlichen, in dem zweiten einen geistreichen und gewandten Skeptizismus. Wir mögen hierbei eine Bemerkung äußern, welche wohl verdiente, gesperrt gedruckt zu werden: daß nämlich auf eine solche Weise, wie von beiden Männern hier geschehen, alle Erfahrungswissenschaft vernichtet werden könne: denn weil nichts, was uns in der Erfahrung erscheint, absolut angesprochen und ausgesprochen werden kann, sondern immer noch eine limitierende Bedingung mit sich führt, so daß wir Schwarz nicht Schwarz, Weiß nicht Weiß nennen dürften, insofern es in der Erfahrung vor uns steht: so hat auch jeder Versuch, er sei, wie er wolle, und zeige, was er wolle, gleichsam einen heimlichen Feind bei sich, der dasjenige, was der Versuch a potiori ausspricht, begrenzt und unsicher macht. Dies ist die Ursache, warum man im Lehren, ja sogar im Unterrichten, nicht weit kommt; bloß der Handelnde, der Künstler entscheidet, der das Rechte ergreift und fruchtbar zu machen weiß.

Der Delavalischen Überzeugung, die wir kennen, wird die Lehre von Newtons Lamellen an die Seite gesetzt, und freilich sind sie sehr verwandt. Bei Newton kommt auch die Farbe nicht von der Oberfläche, sondern das Licht muß durch eine Lamelle des Körpers eindringen und dekomponiert zurückkehren. Bei Delaval ist die Farbe dieser Lamelle spezifiziert und wird nicht anders gesehen, als wenn hinter ihr ein heller, weißer Grund sich befindet, von dem das Licht alsdann gleichfalls spezifisch gefärbt zurückkehrt. Merkwürdig ist besonders in dem Lichtenbergischen Aufsatz, wie man der Newtonischen Lehre durch chemische Hülfstruppen in jener Zeit wieder beigestanden. Man hatte eine latente Wärme ausgemittelt, warum sollte es nicht auch ein latentes Licht geben? und warum sollten die nach der Theorie dem Licht angehörigen farbigen Lichter nicht auch der Reihe nach Versteckens spielen, und wenn es den gelben beliebte hervorzugucken, warum sollten die übrigen nicht neckisch im Hinterhalte lauschen können? Zwei merkwürdige, unserer Überzeugung günstige Stellen aus gedachtem Aufsatz jedoch, wovon wir die eine schon früher angeführt (E. 584), mögen hier Platz nehmen:

»Ich bemerke hier im Vorbeigehen, daß vielleicht die Lehre von den Farben eben deswegen bisher so viele Schwierigkeiten hatte, weil alles auf einem Wege, zum Beispiel Brechung, erklärt werden sollte.« Wir haben oft genug wiederholt, daß alles auf den Weg ankommt, auf welchem man zu einer Wissenschaft gelangt. Newton ging von einem Phänomen der Brechung aus, von einem abgeleiteten Komplizierten. Dadurch ward Brechung das Hauptaugenmerk, das Hauptkunstwort, und was bei einem einzelnen Falle vorging, die Grundregel, das Grundgesetz fürs Allgemeine. Hatte man hier mehrere, ja unzählige Grundfarben angenommen, so bedurften die, welche von der Malerei und Färberei herkamen, nur drei Farben; noch mehr Aufpassende und Sondernde gar nur zwei, und so veränderte sich alles nach den verschiedenen Ansichten.

Carvalho und der Franzose H. F. T. fanden die farbigen Schatten höchst bedeutend und legten den ganzen Grund der Farbenlehre dahin. Aber alle diese Phänomene, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, haben ein gleiches Recht, Grundphänomene zu sein. Die von uns aufgeführten physiologischen, physischen, chemischen Farben sind alle gleich befugt, die Aufmerksamkeit der Beobachtenden und Theoretisierenden anzusprechen. Die Natur allein hat den wahren republikanischen Sinn, da der Mensch sich gleich zur Aristokratie und Monarchie hinneigt, und diese seine Eigenheit überall, besonders auch theoretisierend, stattfinden läßt.

»Auch scheint es mir aus andern Gründen wahrscheinlich, daß unser Organ, um eine Farbe zu empfinden, etwas von allem Licht (weißes) zugleich mit empfangen müsse.«

Was hier Lichtenberg im Vorbeigehen äußert, ist denn das etwas anderes, als was Delaval behauptet? nur daß dieser das Helle hinter das Dunkle bringt und die Spezifikation des Dunklen dadurch erscheinen macht, und daß jener das Helle unter das Dunkle mischt, welches ja auch nichts weiter ist als daß eins mit und durch das andre erscheint. Ob ich ein durchsichtiges Blau über Gelb lasiere oder ob ich Gelb und Blau vermische, ist in gewissem Sinne einerlei: denn auf beide Weise wird ein Grün hervorgebracht. Jene Behandlungsart aber steht viel höher, wie wir wohl nicht weiter auszuführen brauchen.

Übrigens wird Delavals Vortrag, besonders indem er auf die trüben Mittel gelangt, unsicher und unscheinbar. Erkehrt zu der Newtonischen Lehre zurück, ohne sie doch in ihrer ganzen Reinheit beizubehalten; dadurch entsteht bei ihm, wie bei so vielen andern, ein unglückliches eklektisches Schwanken. Denn man muß sich zu Newton ganz bekennen oder ihm ganz entsagen.



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