> Gedichte und Zitate für alle: J.W.v.Goethe: Farbenlehre: Johann Theophilus Desaguliers geboren 1683 (219)

2020-01-16

J.W.v.Goethe: Farbenlehre: Johann Theophilus Desaguliers geboren 1683 (219)


Johann Theophilus Desaguliers geboren 1683 



Die Philosophen des Altertums, welche sich mehr 
für den Menschen als für die übrige Natur interessierten, 
betrachteten diese nur nebenher und theoretisierten 
nur gelegentlich über dieselbe. Die Erfahrungen 
nahmen zu, die Beobachtungen wurden genauer und 
die Theorie eingreifender; doch brachten sie es nicht 
zur Wiederholung der Erfahrung, zum Versuch. 
Im sechzehnten Jahrhundert, nach frischer Wiederbelebung 
der Wissenschaften, erschienen die bedeutenden 
Wirkungen der Natur noch unter der Gestalt 
der Magie, mit vielem Aberglauben umhüllt, in welchen 
sie sich zur Zeit der Barbarei versenkt hatten. Im 
siebzehnten Jahrhundert wollte man, wo nicht erstaunen, 
doch sich immer noch verwundern, und die angestellten 
Versuche verloren sich in seltsame Künsteleien.
Doch war die Sache immer ernsthafter geworden. 
Wer über die Natur dachte, wollte sie auch schauen. 
Jeder Denker machte nunmehr Versuche, aber auch 
noch nebenher. Gegen das Ende dieser Zeit traten 


immer mehr Männer auf, die sich mit einzelnen Teilen 
der Naturwissenschaft beschäftigten und vorzüglich 
diese durch Versuche zu ergründen suchten.

Durch diese lebhafte Verbindung des Experimentierens und Theoretisierens entstanden nun diejenigen Personen, welche man, besonders in England, Natural - und Experimentalphilosophen nannte, so wie es denn auch eine Experimentalphilosophie gab. Ein jeder, der die Naturgegenstände nur nicht gerade aus der Hand zum Mund, wie etwa der Koch, behandelte, wer nur einigermaßen konsequent aufmerksam auf die Erscheinungen war, der hatte schon ein gewisses Recht zu jenem Ehrennamen, den man freilich in diesem Sinne vielen beilegen konnte. Jedes allgemeine Räsonnement, das tief oder flach, zart oder krud, zusammenhängend oder abgerissen, über Naturgegenstände vorgebracht wurde, hieß Philosophie. Ohne diesen Mißbrauch des Wortes zu kennen, bliebe es unbegreiflich, wie die Londner Sozietät den Titel Philosophische Transaktionen für die unphilosophischeste aller Sammlungen hätte wählen können. Der Hauptmangel einer solchen unzulänglichen Behandlung blieb daher immer, daß die theoretischen Ansichten so vieler Einzelnen vorwalteten und dasjenige, was man sehen sollte, nicht einem jeden gleichmäßig erschien. Uns ist bekannt, wie sich Boyle, Hooke und Newton benommen.

Durch die Bemühungen solcher Männer, besonders aber der Londner Sozietät, ward inzwischen das Interesse immer allgemeiner. Das Publikum wollte nun auch sehen und unterrichtet sein. Die Versuche sollten zu jeder Zeit auf eines jeden Erfordern wieder dargestellt werden, und man fand nun, daß Experimentieren ein Metier werden müsse.

Dies ward es zuerst durch Hawksbee. Er machte in London öffentliche Versuche der Elektrizität, Hydrostatik und Luftlehre, und enthielt sich vielleicht am reinsten von allem Theoretischen. Keill ward sein Schüler und Nachfolger. Dieser erklärte sich aber schon für Newtons Theorie. Hätte er die Farbenlehre behandelt, wie Hauksbee die Lehre von der Elektrizität, so würde alles ein anderes Ansehen gewonnen haben. Er wirkte in Oxford bis 1710. Auf Keill folgte Desaguliers, der von ihm, seinem Meister, die Fertigkeit, Newtonische Experimente rezeptgemäß nach zubilden, sowie die Neigung zu dieser Theorie geerbt hatte, und dessen Kunstfertigkeit man anrief, wenn man Versuche sichten, durch Versuche etwas beweisen wollte.

Desaguliers ward berühmt durch sein Geschick zu experimentieren. s'Gravesande sagt von ihm: cuius peritia in instituendis experimentis nota est. Er hatte hinreichende mathematische Kenntnisse sowie auch genugsame Einsicht in das, was man damals Naturphilosophie nannte.



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