Voltaire geboren 1694, gestorben 1778
In der besten Zeit dieses außerordentlichen Mannes war es zum höchsten Bedürfnis geworden, Göttliches und Menschliches, Himmlisches und Irdisches vor das Publikum überhaupt, besonders vor die gute Gesellschaft zu bringen, um sie zu unterhalten, zu belehren, aufzuregen, zu erschüttern. Gefühle, Taten, Gegenwärtiges, Vergangnes, Nahes und Entferntes, Erscheinungen der sittlichen und der physischen Welt, von allem mußte geschöpft, alles, wenn es auch nicht zu erschöpfen war, oberflächlich gekostet werden. Voltairens großes Talent, sich auf alle Weise, sich in jeder Form zu kommunizieren, machte ihn für eine gewisse Zeit zum unumschränkten geistigen Herrn seiner Nation. Was er ihr anbot, mußte sie aufnehmen; kein Widerstreben half: mit aller Kraft und Künstlichkeit wußte er seine Gegner beiseitezudrängen, und was er dem Publikum nicht aufnötigen konnte, das wußte er ihm aufzuschmeicheln, durch Gewöhnung anzueignen.
Als Flüchtling fand er in England die beste Aufnahme und jede Art von Unterstützung. Von dorther zurückgekehrt, machte er sich's zur Pflicht, das Newtonische Evangelium, das ohnehin schon die allgemeine Gunst erworben hatte, noch weiter auszubreiten und vorzüglich die Farbenlehre den Gemütern recht einzuschärfen. Zu diesen physischen Studien scheint er besonders durch seine Freundin, die Marquise Du Châtelet, geführt worden zu sein, wobei jedoch merkwürdig ist, daß in ihren Institutions physiques, Amsterdam 1742, nichts von den Farben vorkommt. Es ist möglich, daß sie die Sache schon durch ihren Freund für völlig abgetan gehalten, dessen Bemühungen wir jedoch nicht umständlich rezensieren, sondern nur mit wenigem einen Begriff davon zu geben suchen.
Elémens de la philosophie de Newton mis à la portée de tout le monde. Amsterdam 1738. In der Epistel an die Marquise Du Châtelet heißt es: Il déploye à mes yeux par une main savante De l'Astre des Saisons la robe étincelante. L'émeraude, l'azur, le pourpre, le rubis, Sont l'immortel tissu dont brillent ses habits. Chacun de ses rayons dans sa substance pure, Porte en soi les couleurs dont se peint la Nature, Et confondus ensemble, ils éclairent nos yeux, Ils animent le Monde, ils emplissent les Cieux.Der Vortrag selbst ist heiter, ja mitunter drollig, wie es sich von Voltairen erwarten läßt, dagegen aber auch unglaublich seicht und schief. Eine nähere Entwickelung wäre wohl der Mühe wert. Fakta, Versuche, mathematische Behandlung derselben, Hypothese, Theorie sind so durcheinander geworfen, daß man nicht weiß, was man denken und sagen soll, und das heißt zuletzt triumphierende Wahrheit. Die beigefügten Figuren sind äußerst schlecht. Sie drücken als Linearzeichnungen allenfalls die Newtonischen Versuche und Lehren aus; die Fensterchen aber, wodurch das Licht hereinfällt, und die Puppen, die zusehen, sind ganz sinn- und geschmacklos.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen