XVIII. Wiederholung
112. Ich wünsche, daß gegenwärtiger Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären, zu Auflösung dieser Zweifel einiges beitragen, und zu weiteren Bemerkungen und Schlüssen Gelegenheit geben möge. Die Beobachtungen, worauf er sich gründet, sind schon einzeln gemacht, auch gesammlet und gereihet worden4; und es wird sich bald entscheiden, ob der Schritt, den wir gegenwärtig getan, sich der Wahrheit nähere. So kurz als möglich fassen wir die Hauptresultate des bisherigen Vortrags zusammen.
113. Betrachten wir eine Pflanze insofern sie ihre Lebenskraft äußert, so sehen wir dieses auf eine doppelte Art geschehen, zuerst durch das Wachstum, indem sie Stengel und Blätter hervorbringt, und sodann durch die Fortpflanzung, welche in dem Blütenund Fruchtbau vollendet wird. Beschauen wir das Wachstum näher, so sehen wir, daß, indem die Pflanze sich von Knoten zu Knoten, von Blatt zu Blatt fortsetzt, indem sie sproßt, gleichfalls eine Fortpflanzung geschehe, die sich von der Fortpflanzung durch Blüte und Frucht, welche auf einmal geschiehet, darin unterscheidet, daß sie sukzessiv ist, daß sie sich in einer Folge einzelner Entwickelungen zeigt. Diese sprossende, nach und nach sich äußernde Kraft ist mit jener, welche auf einmal eine große Fortpflanzung entwickelt, auf das genauste verwandt. Man kann unter verschiedenen Umständen eine Pflanze nötigen, daß sie immerfort sprosse, man kann dagegen den Blütenstand beschleunigen. Jenes geschieht, wenn rohere Säfte der Pflanze in einem größeren Maße zudringen; dieses, wenn die geistigeren Kräfte in derselben Überwiegen.
115. Es mag nun die Pflanze sprossen, blühen oder Früchte bringen, so sind es doch nur immer dieselbigen Organe, welche, in vielfältigen Bestimmungen und unter oft veränderten Gestalten, die Vorschrift der Natur erfüllen. Dasselbe Organ, welches am Stengel als Blatt sich ausgedehnt und eine höchst mannigfaltige Gestalt angenommen hat, zieht sich nun im Kelche zusammen, dehnt sich im Blumenblatte wieder aus, zieht sich in den Geschlechtswerkzeugen zusammen, um sich als Frucht zum letztenmal auszudehnen.
123. Und auf diese Weise habe ich mich bemüht, eine Meinung, welche viel Überzeugendes für mich hat, so klar und vollständig, als es mir möglich sein wollte, darzulegen. Wenn solche demohngeachtet noch nicht völlig zur Evidenz gebracht ist; wenn sie noch manchen Widersprüchen ausgesetzt sein, und die vorgetragne Erklärungsart nicht überall anwendbar scheinen möchte: so wird es mir desto mehr Pflicht werden, auf alle Erinnerungen zu merken, und diese Materie in der Folge genauer und umständlicher abzuhandeln, um diese Vorstellungsart anschaulicher zu machen, und ihr einen allgemeinern Beifall zu erwerben, als sie viel leicht gegenwärtig nicht erwarten kann.
Fußnoten
1 Hedwig, in des Leipziger Magazins drittem Stück.
2 Gaertner de fructibus et seminibus plantarum. Cap.
3 Ferber, in Praefatione Dissertationis secundae de
Prolepsi Plantarum.
4 Batsch, Anleitung zur Kenntnis und Geschichte der
Pflanzen. 1. Teil, 19. Kapitel.
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