[Zur Naturwissenschaft überhaupt. Zweiten Bandes erstes Heft. 1823]
Eine höchst wichtige Betrachtung in der Geschichte der Wissenschaften ist die, daß sich aus den ersten Anfängen einer Entdeckung manches in den Gang des Wissens heran- und durchzieht, welches den Fortschritt hindert, sogar öfters lähmt.
Die Gelegenheit der Entdeckung ist freilich höchst wichtig, und die Anfänge geben zu Benennungen Anlaß, die an und für sich selbst nicht schädlich sind. Elektrizität erhielt vom Bernstein ihren Namen, und zwar ganz mit Recht; weil aber hierdurch dem Bernstein diese Eigenschaft zugeeignet wurde, so dauerte es lange, bis man ihm das Glas an die Seite und entgegensetzte.
So hat auch jeder Weg, durch den wir zu einer neuen Entdeckung gelangen, Einfluß auf Ansicht und Theorie. Wir erwehren uns kaum zu denken: was uns zu einer Erscheinung geleite, sei auch der Beginn, die Ursache derselben; dabei beharren wir, anstatt von der umgekehrten Seite heranzugehen und die Probe auf unsere erste Ansicht zu machen, um das Ganze zu gewinnen.
Was würden wir von dem Architekten sagen, der durch eine Seitentüre in den Palast gekommen wäre und nun, bei Beschreibung und Darstellung eines solchen Gebäudes, alles auf diese erste untergeordnete Seite beziehen wollte? und doch geschieht dies in den Wissenschaften jeden Tag. In der Geschichte müssen wir es zugeben, schwer aber wird uns zu bekennen, daß wir selbst noch in solchen Dunkelheiten befangen sind.
Gespräche Eckermann
Alle Schriften Goethes zur Wissenschaften
Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen-
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen