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2020-02-20

J.W.v.Goethe: Aphorismen-Ursache und Wirkung




Ursache und Wirkung

Man hüte sich, Ursache und Wirkung zu verwechseln . . . Worauf man aber höchst aufmerksam zu sein Ursache hat, das sind die Korrelate, die Bezüge, die sich als Resultate neben- und zusammenwirkender Tätigkeiten hervortun.

Wirkung und Ursache. Koinzidenz bei allen lebendigen Wesen, so daß man ein lebendiges Wesen nennen kann, bei dem Wirkung und Ursache koinzidiert und, weil der Zweck zwischen Ursache und Wirkung fällt, das seinen Zweck in sich selbst hat.

Gleiche oder wenigstens ähnliche Wirkungen werden auf verschiedene Weise durch Naturkräfte hervorgebracht.

Es ist nichts schädlicher, als den Geist einseitig zu gewöhnen, im Erklären und Ableiten der Phänomene immer ein herkömmliches Kredo zu wiederholen. Die Natur, in ihren Wirkungen höchst mannigfaltig, vermag Ähnliches, Gleichscheinendes auf ganz verschiedenen Wegen hervorzubringen. Eins der größten Rechte und Befugnisse der Natur ist: dieselben Zwecke durch verschiedene Mittel erreichen zu können, dieselben Erscheinungen durch mancherlei Bezüge zu veranlassen. Allgemeines Kausalverhältnis, das der Beobachter aufsucht und ähnliche Erscheinungen einer allgemeinen Ursache zuschreibt; an die nächste wird selten gedacht.

Lebhafte Frage nach der Ursache, Verwechselung von Ursache und Wirkung, Beruhigung in einer falschen Theorie sind von großer nicht zu entwickelnder Schädlichkeit.

Der Mensch findet sich mitten unter Wirkungen und kann sich nicht enthalten, nach den Ursachen zu fragen; als ein bequemes Wesen greift er nach der nächsten als der besten und beruhigt sich dabei; besonders ist dies die Art des allgemeinen Menschenverstandes.

Sieht man ein Übel, so wirkt man unmittelbar darauf, d. h. man kuriert unmittelbar aufs Symptom los.

Der denkende Mensch irrt besonders, wenn er sich nach Ursache und Wirkung erkundigt: sie beide zusammen machen das unteilbare Phänomen. Wer das zu erkennen weiß, ist auf dem rechten Wege zum Tun, zur Tat.

Der eingeborenste Begriff, der notwendigste, von Ursach und Wirkung wird in der Anwendung die Veranlassung zu unzähligen sich immer wiederholenden Irrtümern.

Ein großer Fehler, den wir begehen, ist, die Ursache der Wirkung immer nahe zu denken, wie die Sehne dem Pfeil, den sie fortschnellt; und doch können wir ihn nicht vermeiden, weil Ursache und Wirkung immer zusammengedacht und also im Geiste angenähert werden.

Die nächsten faßlichen Ursachen sind greiflich und eben deshalb am begreiflichsten; weswegen wir uns gern als mechanisch denken, was höherer Art ist.

Das Zurückführen der Wirkung auf die Ursache ist bloß ein historisches Verfahren, z. B. die Wirkung, daß ein Mensch getötet, auf die Ursache der losgefeuerten Büchse.

Es ist eine schlimme Sache, die doch manchem Beobachter begegnet, mit einer Anschauung sogleich eine Folgerung zu verknüpfen und beide für gleichgeltend zu achten.

Man sagt gar gehörig: das Phänomen ist eine Folge ohne Grund, eine Wirkung ohne Ursache. Es fällt dem Menschen so schwer, Grund und Ursache zu finden, weil sie so einfach sind, daß sie sich dem Blick verbergen.

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