XXVI
Apparat, vierfach gesteigert
Was man bei allen Experimenten beobachten sollte, wollten wir, wie sonst auch geschehen, bei dem unsrigen zu leisten suchen. Zuerst sollte das Phänomen in seiner ganzen Einfalt erscheinen, sein Herkommen aussprechen und auf die Folgerung hindeuten.
Unser einfachster Apparat (V) besteht aus einer entoptischen Glastafel horizontal auf einen dunklen Grund gelegt und gegen die klare Atmosphäre in verschiedenen Richtungen gehalten; da sich denn der ätherische Ursprung der Erscheinungen und die Wirkung des direkten und obliquen Widerscheins sogleich ergibt, dergestalt daß, wenn wir dies recht eingesehen, wir keiner ferneren Versuche bedürften.
Aber es ist nötig, daß wir weiter gehen, die Abhängigkeit von äußeren Umständen zu mindern suchen, um das Phänomen bequemer, auffallender und nach Willen öfter darstellen zu können.
Hierzu bahnt nun unser zweiter Versuch (VI) den Weg, wir bedienen uns eines entoptischen Kubus und eines schwarzen Spiegels; durch jenen lassen wir die atmosphärische Wirkung hindurchgehen und erblicken die farbigen Bilder außerhalb demselben auf dem Spiegel, allein hierbei sind wir immer noch von der Atmosphäre abhängig; ohne einen völlig reinblauen Himmel bringen wir die Erscheinung nicht hervor.
Wir schreiten daher zu dem dritten, zusammengesetzteren Apparat (XVII). Wir richten zwei Spiegel gegeneinander, von welchen der untere die allseitige Atmosphäre vorstellt, der obere hingegen die jedesmalige besondere Richtung, sie sei direkt, obliq, oder in der Diagonale. Hier verbirgt sich nun schon das wahre Naturverhältnis, das Phänomen als Phänomen ist auffallender; aber wenn man von vornherein nicht schon fundiert ist, so wird man schwerlich rückwärts zur wahren anschauenden Erkenntnis gelangen. Indessen dient uns dieser Apparat täglich und stündlich und wird uns deshalb so wert, weil wir die Zusammenwirkung desselben mit den natürlichen Körpern und ihr wechselseitiges Betragen höchst belehrend finden.
Nun aber haben wir noch einen vierten Apparat, dessen zu erwähnen wir nun Gelegenheit nehmen, er ist zwar der bequemste und angenehmste, dagegen verbirgt er aber noch mehr das Grundphänomen, welches sich niemand rückwärts daraus zu entwickeln unternehmen würde. Er ist höchst sauber und zierlich gearbeitet, von dem Glasschleifer Niggl in München, und durch die Gunst des Herrn Professor Schweigger in meinen Besitz gekommen; er besteht aus vier Spiegeln, welche, sich aufeinander beziehend, sämtliche Phänomene leicht und nett hervorbringen. Der erste Spiegel außerhalb des Apparats, fast horizontal gelegen, nimmt das Tageslicht unmittelbar auf und überliefert solches dem zweiten, welcher, innerhalb des Instrumentes schief gestellt, wie der untere erste Spiegel des vorigen Apparats das empfangene Licht aufwärts schickt; unmittelbar über ihm wird der entoptische Kubus eingeschoben, auf welchen man, perpendikular, durch ein Sehrohr hinunterblickt; in diesem nun sind, statt des Okulars, zwei Spiegel angebracht, wovon der eine das Bild des Kubus von unten aufnimmt, der andere solches dem Beschauer ins Auge führt. Kehrt man nun die mit den beiden verbundenen Spiegeln zusammen bewegliche Hülse in die direkte oder Seitenstellung, so verwandeln sich die Bilder gar bequem und erfreulich Färb und Form nach, und um desto auffallender, da durch das viermal wiederholte Abspiegeln das Licht immer mehr gedämpft und gemäßigt worden. Noch ein anderes höchst erfreuendes Phänomen läßt sich zugleich darstellen, wenn man nämlich an die Stelle des Okulars ein kleines Prisma von Doppelspat setzt, wodurch man die gleichzeitige Erhellung und Verdunkelung, bei fortgesetzter Kreisbewegung der Hülse, höchst angenehm und überraschend beschauen und wiederholen kann.
Sieht man nun zurück und vergegenwärtigt sich Schritt vor Schritt, wie jene Steigerung vorgegangen, was dazu beigetragen, was sie uns aufgeklärt, was sie verbirgt, so kann man uns in diesem ganzen Felde nichts Neues mehr vorzeigen, indem wir mit den Augen des Leibes und Geistes ungehindert methodisch vor- und rückwärts blicken.
XXVII
Warnung
Wie nahe wir, durch unsern vierfach gesteigerten Apparat, an den Punkt gekommen, wo das Instrument, anstatt das Geheimnis der Natur zu entwickeln, sie zum unauflöslichen Rätsel macht, möge doch jeder naturliebende Experimentator beherzigen. Es ist nichts dagegen zu sagen, daß man, durch mechanische Vorrichtung, sich in den Stand setze, gewisse Phänomene bequemer und auffallender, nach Willen und Belieben vorzuzeigen; eigentliche Belehrung aber befördern sie nicht, ja es gibt unnütze und schädliche Apparate, wodurch die Naturanschauung ganz verfinstert wird, worunter auch diejenigen gehören, welche das Phänomen teilweise oder außer Zusammenhang vorstellen. Diese sind es eigentlich, worauf Hypothesen gegründet, wodurch Hypothesen Jahrhunderte lang erhalten werden; da man aber hierüber nicht sprechen kann, ohne ins Polemische zu fallen, so darf davon bei unserm friedlichen Vortrag die Rede nicht sein.
XXVIII
Von der innern Beschaffenheit des entoptischen Glases
Wir haben vorhin, indem wir von den entoptischen Eigenschaften gewisser Gläser gesprochen, welche in ihrem Innern Formen und Farben zeigen, uns nur ans Phänomen gehalten, ohne weiter darauf einzugehen, ob sich ausmitteln lasse, wodurch denn diese Erscheinung eigentlich bewirkt werde. Da wir nun jedoch erfahren, daß gleiche Phänomene innerhalb natürlicher Körper zu bemerken sind, deren integrierende Teile, durch eigentümliche Gestalt und wechselseitige Richtung, gleichfalls Formen und Farben hervorbringen, so dürfen wir nun auch weitergehen und aufsuchen: welche Veränderung innerhalb der Glasplatten, bei schnellem Abkühlen, sich ereignen und ihnen jene bedeutend-anmutige Fähigkeit erteilen möchte.
Es läßt sich beobachten, daß in Glastafeln, indem sie erhitzt werden, eine Undulation vorgehe, die bei allmählichem Abkühlen verklingt und verschwindet. Durch einen solchen geruhigen Übergang erhält die Masse eine innere Bindung, Konsistenz und Kraft, um, bis auf einen gewissen Grad, äußerer Gewalt widerstehen zu können. Der Bruch ist muschlig, und man könnte diesen Zustand, wenn auch uneigentlich, zäh nennen.
Ein schnelles Abkühlen aber bewirkt das Gegenteil, die Schwingungen scheinen zu erstarren, die Masse bleibt innerlich getrennt, spröde, die Teile stehen nebeneinander, und obgleich vor wie nach durchsichtig, behält das Ganze et- was, das man Punktualität genannt hat. Durch den Demant geritzt, bricht die Tafel reiner als eine des langsam abgekühlten Glases, sie braucht kaum nachgeschliffen zu werden.
Auch zerspringen solche Gläser entweder gleich oder nachher, entweder von sich selbst oder veranlaßt. Man kennt jene Flaschen und Becher, welche durch hineingeworfene Steinchen rissig werden, ja zerspringen.
Wenn von geschmolzenen Glastropfen, die man, zu schnellster Verkühlung, ins Wasser fallen ließ, die Spitze abgebrochen wird, zerspringen sie und lassen ein pulverartiges Wesen zurück; darunter findet ein aufmerksamer Beobachter einen noch zusammenhängenden kleinen Bündel stänglicher Kristallisation, die sich um das in der Mitte eingeschlossene Luftpünktchen bildete. Eine gewisse Solutio continui ist durchaus zu bemerken.
Zugleich mit diesen Eigenschaften gewinnt nun das Glas die Fähigkeit, Figuren und Farben in seinem Innern sehen zu lassen. Denke man sich nun jene beim Erhitzen beobachteten Schwingungen unter dem Erkalten fixiert, so wird man sich, nicht mit Unrecht, dadurch entstehende Hemmungspunkte, Hemmungslinien einbilden können und dazwischen freie Räume, sämtlich in einem gewissen Grade trüb, so daß sie, bezugsweise, bei veränderter Lichteinwirkung, bald hell, bald dunkel erscheinen können.
Kaum aber haben wir versucht, uns diese wundersame Naturwirkung einigermaßen begreiflich zu machen, so werden wir abermals weiter gefordert; wir finden unter andern, veränderten Bedingungen wieder neue Phänomene. Wir erfahren nämlich, daß diese Hemmungspunkte, diese Hemmungslinien in der Glastafel nicht unauslöschlich fixiert und für immer befestigt dürfen gedacht werden: denn obschon die ursprüngliche Figur der Tafel vor dem Glühen den Figuren und Farben, die innerhalb erscheinen sollen, Bestimmung gibt, so wird doch auch, nach dem Glühen und Verkühlen, bei veränderter Form die Figur verändert. Man schneide eine viereckte Platte mitten durch und bringe den parallelepipedischen Teil zwischen die Spiegel, so werden abermals vier Punkte in den Ecken erscheinen, zwei und zwei weit voneinander getrennt und, von den langen Seiten herein, der helle oder dunkle Raum viel breiter als von den schmalen. Schneidet man eine viereckte Tafel in der Diagonale durch, so erscheint eine Figur derjenigen ähnlich, die sich fand, wenn man Dreiecke glühte.
Suchten wir uns nun vorhin mit einer mechanischen Vorstellungsart durchzuhelfen, so werden wir schon wieder in eine höhere, in die allgemeine Region der ewig lebenden Natur gewiesen; wir erinnern uns, daß das kleinste Stück eines zerschlagenen magnetischen Eisensteins ebensogut zwei Pole zeigt als das Ganze.
XXIX
Umsicht
Wenn es zwar durchaus rätlich, ja höchst notwendig ist, das Phänomen erst an sich selbst zu betrachten, es in sich selbst sorgfältig zu wiederholen und solches von allen Seiten aber und abermals zu beschauen, so werden wir doch zuletzt angetrieben, uns nach außen zu wenden und, von unserm Standpunkte aus, allenthalben umherzublicken, ob wir nicht ähnliche Erscheinungen zugunsten unseres Vornehmens auffinden möchten, wie wir denn soeben an den so weit abgelegenen Magneten zu gedenken unwillkürlich genötigt worden.
Hier dürfen wir also die Analogie, als Handhabe, als Hebel die Natur anzufassen und zu bewegen gar wohl empfehlen und anrühmen. Man lasse sich nicht irremachen, wenn Analogie manchmal irreführt, wenn sie, als zu weit gesuchter willkürlicher Witz, völlig in Rauch aufgeht. Verwerfen wir ferner nicht ein heiteres humoristisches Spiel mit den Gegenständen, schickliche und unschickliche Annäherung, ja Verknüpfung des Entferntesten, womit man uns in Erstaunen zu setzen, durch Kontrast auf Kontrast zu überraschen trachtet. Halten wir uns aber zu unserm Zweck an eine reine methodische Analogie, wodurch Erfahrung erst belebt wird, indem das Abgesonderte und entfernt Scheinende verknüpft, dessen Identität entdeckt und das eigentliche Gesamtleben der Natur auch in der Wissenschaft nach und nach empfunden wird.
Die Verwandtschaft der entoptischen Figuren mit den übrigen physischen haben wir oben schon angedeutet, es ist die nächste, natürlichste und nicht zu verkennen. Nun
müssen wir aber auch der physiologischen gedenken, welche hier in vollkommener Kraft und Schönheit hervortreten. Hieran finden wir abermals ein herrliches Beispiel, daß alles im Universen zusammenhängt, sich aufeinander bezieht, einander antwortet. Was in der Atmosphäre vorgeht, begibt sich gleichfalls in des Menschen Auge, und der entoptische Gegensatz ist auch der physiologe. Man schaue, in dem obern Spiegel des dritten Apparats, das Abbild des unterhegenden Kubus; man nehme sodann diesen schnell hinweg, ohne einen Blick vom Spiegel zu verwenden, so wird die Erscheinung, die helle wie die dunkle, als gespenstiges Bild, umgekehrt im Auge stehen und die Farben zugleich sich in ihre Gegensätze verwandeln, das Bräunlichgelb in Blau und umgekehrt, dem natursinnigen Forscher zu großer Freude und Kräftigung. Sodann aber wenden wir uns zur allgemeinen Naturlehre und versichern nach unserer Überzeugung Folgendes: sobald die verschiedene Wirkung des direkten und obliquen Widerscheins eingesehen, die Allgemeinheit jenes Gesetzes anerkannt sein wird, so muß die Identität unzähliger Phänomene sich alsobald betätigen; Erfahrungen werden sich aneinanderschließen, die man als unzusammenhängend bisher betrachtet und vielleicht mit einzelnen hypothetischen Erklärungsweisen vergebens begreiflicher zu machen gesucht. Da wir aber gegenwärtig nur die Absicht haben können, den Geist zu befreien und anzuregen, so blicken wir ringsumher, um näher oder ferner auf gewisse Analogien zu deuten, die sich in der Folge aneinanderschließen, sich aus- und gegeneinander entwickeln mögen. Weiter kann unser Geschäft nicht gehen, denn wer will eine Arbeit übernehmen, die der Folgezeit noch manche Bemühung zumuten wird.
XXX
Chladnis Tonfiguren
Alle geistreiche, mit Naturerscheinungen einigermaßen bekannte Personen, sobald sie unsern entoptischen Kubus zwischen den Spiegeln erblickten, riefen jedesmal die Ähnlichkeit mit den Chladnischen Figuren, ohne sich zu besinnen, lebhaft aus, und wer wollte sie auch verkennen? Daß nun diese äußeren auffallenden Erscheinungen ein gewisses inneres Verhältnis und in der Entstehungsart viel Übereinstimmung haben, ist gegenwärtig darzutun.
Mögen vorerst diese Bezüge hinreichen, um die Verwandtschaft im allgemeinen anzudeuten; gewiß wird dem Forscher nichts angenehmer sein als eine hierüber fortgesetzte Betrachtung. Ja die reale Vergleichung beider Versuche, die Darstellung derselben nebeneinander, durch zwei Personen, welche solchen Experimenten gewachsen wären, müßte viel Vergnügen geben und dem innern Sinn die eigentliche Vergleichung überlassen, die freilich mit Worten nie vollkommen dargestellt werden kann, weil das innere Naturverhältnis, wodurch sie, bei himmelweiter Verschiedenheit, einander ähnlich werden, immer von uns nur geahnet werden kann.
XXXI
Atmosphärische Meteore
Da nach unserer Überzeugung die nähere Einsicht in die Effekte des direkten und obliquen Widerscheins auch zur Erklärung der atmosphärischen Meteore das Ihrige beitragen wird, so gedenken wir derselben gleichfalls an dieser Stelle. Der Regenbogen, ob wir ihn gleich als durch Refraktion gewirkt anerkennen, hat doch das Eigene, daß wir die dabei entspringenden Farben eigentlich innerhalb der Tropfen sehen, denn auf dem Grunde derselben spiegelt sich die bunte Verschiedenheit.
Nun kommen die Farben des untern Bogens nach einem gewissen Gesetze zu unserm Auge und auf eine etwas kompliziertere Weise die Farben des oberen Bogens gleichfalls; sobald wir dies eingesehen, so folgern wir: daß aus dem Raum zwischen den zwei Bogen kein Licht zu unserm Auge gelangen könne, und dieses betätigt sich dem aufmerksamen Beobachter durch folgenden Umstand: Wenn wir auf einer reinen, vollkommen dichten Regenwand, welcher die Sonne klar und mächtig gegenübersteht, die beiden Bogen vollkommen ausgedrückt finden, so sehen wir den Raum zwischen beiden Bogen dunkelgrau, und zwar entschieden dunkler als über und unter der Erscheinung.
Wir schöpften daher die Vermutung, daß auch hier ein in gewissem Sinne obliquiertes Licht bewirkt werde, und richteten unseren zweiten entoptischen Apparat gegen diese Stelle, waren aber noch nicht so glücklich, zu einem entschiedenen Resultate zu gelangen. So viel konnten wir bemerken, daß, wenn der Regenbogen selbst durch unsern entoptischen Kubus durchfiel, das weiße Kreuz erschien und er sich also dadurch als direkten Widerschein erwies. Der Raum unmittelbar drüber, welcher nach der Vermutung das schwarze Kreuz hätte hervorbringen sollen, gab uns keine deutliche' Erscheinung, da wir, seit wir auf diesen Gedanken gekommen, keinen entschieden vollkommenen doppelten Regenbogen und also auch keinen gesättigten dunklen Raum zwischen beiden beobachten konnten. Vielleicht gelingt es andern Naturfreunden besser.
Die Höfe, in deren Mitte Sonne und Mond stehen, die Nebensonnen und anderes, erhalten durch unsere Darstellung gewiß in der Folge manche Aufklärung. Die Höfe, deren Diameter vierzig Grad ist, koinzidieren wahrscheinlich mit dem Kreise, in welchem man bei dem höchsten Stand der Sonne um sie her das schwarze Kreuz bemerkt, ehe die entoptische Erscheinung von dem gewaltsamen Lichte aufgehoben wird. Hier wäre nun der Platz, mit Instrumenten zu operieren; Zahlen und Grade würden sehr willkommen sein. Richtet sich dereinst die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf diese Punkte, gewinnt unser Vortrag sich mit der Zeit Vertrauen, so wird auch hiezu Rat werden, wie zu so vielem andern.
Ein auffallendes Meteor, welches offenbar durch direkten Widerschein hervorgebracht worden, beschreibt uns der aufmerksame Reisende Bory de St. Vincent folgendermaßen:
Le soir du 2. Germinal Van X nous vtmes un tres-beau phinotnhie hwiineux. Le ciel itait pur^ stirtout vers le couchant; et au moment oü le soleil approchait de rhorizon, on distin- gua du cbU diamitralement opposi cinq ou six faisceaux de rayons hwiineux. Ils partaietit, en divergeant, d'un demidisque pareil ä un grand globe, dont rhorizon sensible eüt cachi la moitii. Ce demi-disque itait de la couleur du ciel, quand son aziir brille du phis grand iclat. Les rayons paraissaient d''autant plus vifs, que le soleil itait le plus pris de disparatIre. Le couchant sHtant rempli de nuages, qui dirobaienl la wie du soleil, le phinomene lumineux ne cessa pas; Vinstatit oü ilfut le plus sensible, fut celui oü Fastre du jour düt etre descendu sous Phorizon; des-lors son Iclat diminua, et dis- parut peu-a-peu.
XXXII
Paradoxer Seitenblick auf die Astrologie
Ein phantastisches Analogen der Wirksamkeit unseres direkten und obliquen Widerscheins finden wir schon in der Astrologie, doch mit dem Unterschiede, daß von ihren Eingeweihten der direkte Widerschein, den wir als heilsam erkennen, für schädlich geachtet wird, mit dem Geviertschein jedoch, welcher mit unserm obliquierten zusammenfällt und den auch wir als deprimierend ansprechen, haben sie es getroffen, wenn sie denselben für widerwärtig und unglücklich erklärten. Wenn sodann der Gedrittschein und Gesechstschein, welchen wir für schwankend erklären, von ihnen als heilsam angenommen wird, so möchte dies allenfalls gelten, und würde die Erfahrung nicht sehr widersprechen: denn gerade an dem Schwankenden, Gleichgültigen beweist der Mensch seine höhere Kraft und wendet es gar leicht zu seinem Vorteil.
Durch diese Bemerkungen wollen wir nur so viel sagen, daß gewisse Ansichten der irdischen und überirdischen Dinge, dunkel und klar, unvollständig und vollkommen, gläubig und abergläubisch, von jeher vor dem Geiste der Menschen gewaltet, welches kein Wunder ist, da wir alle auf gleiche Weise gebaut sind und wohlbegabte Menschen sämtlich die Welt aus einem und demselben Sinne anschauen; daher denn, es werde entdeckt was da wolle, immer ein Analogon davon in früherer Zeit aufgefunden werden kann.
Und so haben die Astrologen, deren Lehre auf gläubige, unermüdete Beschauung des Himmels begründet war, unsere Lehre von Schein, Rück-, Wider- und Nebenschein vorempfunden, nur irrten sie darin, daß sie» das Gegenüber für ein Widerwärtiges erklärten, da doch der direkte Rück- und Widerschein für eine freundliche Erwiderung des ersten Scheins zu achten. Der Vollmond steht der Sonne nicht feindlich entgegen, sondern sendet ihr gefällig das Licht zurück, das sie ihm verlieh; es ist Artemis, die freundlich und sehnsuchtsvoll den Bruder anblickt.
Wollte man daher diesem Wahnglauben fernerhin einige Aufmerksamkeit schenken, so müßte man, nach unsern Angaben und Bestimmungen, bedeutende Horoskope, die schon in Erfüllung gegangen sind, rektifizieren und beachten, inwiefern unsere Auslegungsart besser als jene Annahme mit dem Erfolg übereintreffe.
So würde z. B. eine Geburt, die gerade in die Zeit des Vollmondes fiele, für höchst glücklich anzusehen sein: denn der Mond erscheint nun nicht mehr als Widersacher, den günstigen Einfluß der Sonne hemmend und sogar aufhebend, sondern als ein freundlich milder, nachhelfender Beistand, als Lucina, als Hebamme. Welche große Veränderung der Sterndeutekunst durch diese Auslegungsart erwüchse, fällt jedem Freund und Gönner solcher Wunderlichkeiten alsobald in die Augen.
XXXIII
Mechanische Wirkung
Sollten wir nun vielleicht den Vorwurf hören, daß wir mit Verwandtschaften, Verhältnissen, mit Bezügen, Analogien, Deutungen und Gleichnissen zu weit umhergegriffen, so erwidern wir, daß der Geist sich nicht beweglich genug erhalten könne, weil er immer fürchten muß, an diesem oder jenem Phänomen zu erstarren; doch wollen wir uns sogleich zur nächsten Umgebung zurückwenden und die Fälle zeigen, wo wir jene allgemeinen kosmischen Phänomene mit eigner Hand technisch hervorbringen und also ihre Natur und Eigenschaft näher einzusehen glauben dürfen. Aber im Grunde sind wir doch nicht, wie wir wünschen, durchaus gefördert, denn selbst was wir mechanisch leisten, müssen wir nach allgemeinen Naturgesetzen bewirken, und die letzten Handgriflfe haben immer etwas Geistiges, wodurch alles körperlich Greifbare eigentlich belebt und zum Unbegreiflichen erhoben wird.
Man spanne ein starkes Glastäfelchen, das keine entoptischen Eigenschaften hat, in einen metallnen Schraubstock dergestalt, daß zwei entgegengesetzte Punkte der Peripherie vorzüglich affiziert werden, man bringe diese Vorrichtung unter die Spiegel, so wird man eine von jenen bei den Punkten ausgehende Erscheinung erblicken, sie ist büschelförmig, teils hell, teils dunkel, nach dem Gesetz gefärbt, und sucht sich, durch eine ovale Neigung gegeneinander, zu verbinden. Durch den Druck geht also eine Veränderung der Textur der Bestandteile vor, ihre Lage gegeneinander wird verändert, und wir dürfen eine Solutio continui, wie bei dem schnell verkühlten Glase vorgeht, annehmen.
Eine ähnliche Erfahrung gibt uns hierüber abermals einiges Licht. Es fand sich ein knopfartig gearbeitetes Stück Bernstein, vollkommen klar, in der Mitte durchbohrt; zwischen die Spiegel gebracht, zeigten sich vier aus dem Mittelpunkt ausgehende weiße und bei der Umkehrung schwarze Strahlenbüschel. Hier scheint der Bohrer aus der Mitte gegen die Seite drückend ebendieselbe Wirkung hervorgebracht zu haben als die Zwinge auf die Seiten der Glastafel, nur daß hier immanent geblieben war, was bei der Glastafel, wenn die Zwinge geöffnet wird, sogleich vorüber ist. Wir ließen, um der Sache mehr beizukommen, einige Stücke Bernstein durchbohren, das Phänomen gelang aber nicht zum zweitenmal.
XXXIV
Damastweberei
Wo wir aber diese Erscheinung mit Händen greifen können, indem wir sie selbst technisch hervorbringen, ist bei dem Damastweben. Man nehme eine gefaltete Serviette von schön gearbeitetem, wohl gewaschenen und geglätteten Tafelzeuge und halte sie, flach, vor sich gegen das Licht; man wird Figuren und Grund deutlich unterscheiden. In einem Fall sieht man den Grund dunkel und die Figuren hell, kehrt man die Serviette im rechten Winkel nunmehr gegen das Licht, so wird der Grund hell, die Figuren aber dunkel erscheinen; wendet man die Spitze gegen das Licht, daß die Fläche diagonal erleuchtet wird, so erblickt man weder Figuren noch Grund, sondern das Ganze ist von einem gleichgültigen Schimmer erleuchtet. Diese Erscheinung beruht auf dem Prinzip der Damastweberei, wo das, nach Vorschrift, abwechselnde Muster darzustellen die Fäden auf eine eigene Weise übers Kreuz gerichtet sind, so daß die Gestalten hell erscheinen, wenn das Licht der Fadenlänge nach zu unserm Auge kommt, dunkel aber von denen Fäden, welche quer gezogen sind. Die auf den Beschauer gerichteten Fäden leiten das Licht bis zu den Augen und bringen solches direkt zur Erscheinung, die durchkreuzenden dagegen führen das Licht zur Seite und müssen daher als dunkel oder beschattet gesehen werden. In der Diagonale beleuchtet, führen sie beide das Licht vom Auge abwärts und können sich nur als gleichgültigen Schein manifestieren.
Hier geht nun eben dasselbe hervor, was sich am großen Himmel ereignet, und des Webers Geschicklichkeit verständiget uns über die Eigenschaften der Atmosphäre. Zu meinem Apparat ließ ich, durch eine geschickte Nähterin, erst ein Damenbrettmuster, woran sich die Erscheinung am entschiedensten zeigt, mit den zartesten Fäden sticken, sodann aber das entoptische Kreuz mit den Punkten in den Ecken, das man denn, je nachdem die Fläche gegen das Licht gerichtet ist, hell oder dunkel schauen kann.
XXXV
Ähnlende theoretische Ansicht
Da wir uns bemühen, in dem Erfahrungskreise analoge Erscheinungen aufzusuchen, so ist es nicht weniger wichtig, wenn wir auf Vorstellungsarten treffen, welche, theoretisch ausgesprochen, auf unsere Absicht einiges Licht werfen können.
Ein geistreicher Forscher hat die entoptischen Erscheinungen, und die damit nahe verwandten Phänomene der doppelten Refraktion, dadurch aufzuklären getrachtet, daß er longitudinale und transversale Schwingungen des Lichtes annahm. Da wir nun in der Damastweberei den Widerschein des Lichtes durch Fäden bedingt sehen, welche teils der Länge, teils der Quere nach zu unserm Auge gerichtet sind, so wird uns niemand verargen, wenn wir in dieser Denkart eine Annäherung an die unsrige finden; ob wir gleich gern bekennen, daß wir jene Bedingungen nach unserer Weise nicht im Licht als Licht, sondern am Lichte, das uns nur mit der erfüllten Räumlichkeit, mit der zartesten und dichtesten Körperlichkeit zusammentreffend erscheinen kann, bewirkt finden.
XXXVI
Gewässertes Seidenzeug
Dieses wird erst in Riefen oder Maschen gewoben oder gestrickt, und alsdann, durch einen ungleich glättenden Druck, dergestalt geschoben, daß Höhen und Tiefen miteinander abwechseln, wodurch, bei verschiedener Richtung des Seidenzeuges gegen den Tag, der Widerschein bald unserm Auge zugewendet, bald abgewendet wird.
XXXVII
Gemodelte Zinnoberfläche
Hierher gehört gleichfalls die mannigfaltige und wunder- sam erfreuliche Erscheinung, wenn eine glatte Zinnoberfläche durch verdünnte Säuren angegriffen und dergestalt behandelt wird, daß dendritische Figuren darauf entstehen. Der Beobachter stelle sich mit dem Rücken gegen das Fenster und lasse das Licht von der einen Seite auf die vertikale Tafel fallen, so wird man den einen Teil der Zweige hell und erhöht, den andern dunkel und vertieft erblicken; nun kehre man sich leise herum, bis das Licht zur rechten Seite hereintritt: das erst Helle wird nun dunkel, das Dunkele hell, das Erhöhte vertieft und beschattet, das Vertiefte erhöht und erleuchtet in erfreulicher Mannigfaltigkeit erscheinen. Solche Bleche, mit farbigem Lackfirnis überzogen, haben sich durch ihren anmutigen Anblick zu mancherlei Gebrauch empfohlen. Auch an solchen lackierten Flächen läßt sich der Versuch gar wohl anstellen, doch ist es besser, beim entoptischen Apparat, der Deutlichkeit wegen ungefirnißte Bleche vorzuzeigen.
XXXVIII
Oberflächen natürlicher Körper
Alle diejenigen Steinarten, welche wir schillernde nennen, schließen sich hier gleichfalls an. Mehreres, was zum Feldspat gerechnet wird, Adular, Labrador, Schriftgranit, bringen das Licht durch Widerschein zum Auge, oder anders gerichtet, leiten sie es ab. Man schleift auch wohl dergleichen Steine etwas erhaben, damit die Wirkung auffallender und abwechselnder werde und die helle Erscheinung gegen die dunkle schneller und kräftiger kontrastiere. Das Katzenauge steht hier obenan; doch lassen sich Asbeste und Selenite gleichmäßig zurichten.
XXXIX
Rückkehr und Wiederholung
Nachdem wir nun die Bahn, die sich uns eröffnete, nach Kräften zu durchlaufen gestrebt, kehren wir zum Anfang, zum Ursprung sämtlicher Erscheinungen wieder zurück. Der Urquell derselben ist die Wirkung der Sonne auf die Atmosphäre, auf die unendliche blaue Räumlichkeit. In freister Welt müssen wir immer wieder unsere Belehrung suchen.
Bei heiterem Himmel, vor Aufgang der Sonne, sehen wir die Seite, wo sie sich ankündigt, heller als den übrigen Himmel, der uns rein und gleich blau erscheint, ebendasselbe gilt vom Untergange. Die Bläue des übrigen Himmels erscheint uns völlig gleich. Tausendmal haben wir das reine, heitere Gewölb des Himmels betrachtet, und es ist uns nicht in die Gedanken gekommen, daß es je eine ungleiche Beleuchtung heruntersenden könne, und doch sind wir hierüber nunmehr durch Versuche und Erfahrungen belehrt.
Da wir nun aber über diese Ungleichheit der atmosphärischen Wirkung schon aufgeklärt waren, versuchten wir mit Augen zu sehen, was wir folgern konnten: es müsse nämlich, im direkten Gegenschein der Sonne, der Himmel ein helleres Blau zeigen als zu beiden Seiten; dieser Unterschied war jedoch nie zu entdecken, auch dem Landschaftsmaler nicht, dessen Auge wir zum Beistand anriefen.
Daß aber die durch entoptische Gläser entdeckte ungleiche Beleuchtung für ein glücklich gebornes, geübtes Malerauge bemerklich sei, davon gibt Nachstehendes sichere Kunde,
XL
Wichtige Bemerkung eines Malers
Ein vorzüglicher, leider allzufrüh von uns geschiedener Künstler Ferdinand, Jagemann, dem die Natur, nebst andern Erfordernissen, ein scharfes Auge für Licht und Schatten, Farbe und Haltung gegeben, erbaut sich eine Werkstatt zu größeren und kleineren Arbeiten; das einzige hohe Fenster derselben wird nach Norden, gegen den freisten Himmel gerichtet, und nun dachte man allen Bedingungen dieser Art genug getan zu haben.
Als unser Freund jedoch eine Zeitlang gearbeitet, wollte ihm, beim Porträt malen, scheinen, daß die Physiognomien, die er nachbildete, nicht zu jeder Stunde des Tags gleich glücklich beleuchtet seien, und doch war an ihrer Stellung nicht das mindeste verrückt, noch die Beschaffenheit einer vollkommen hellen Atmosphäre irgend verändert worden. Die Abwechselung des günstigen und ungünstigen Lichts hielt ihre Tagesperioden; am frühsten Morgen erschien es am widerwärtigsten grau und unerfreulich; es verbesserte sich, bis endlich, etwa eine Stunde vor Mittag, die Gegenstände ein ganz anderes Ansehen gewannen, Licht, Schatten, Farbe, Haltung, alles in seiner größten Vollkommenheit sich dem Künstlerauge darbot, so wie er es der Leinwand anzuvertrauen nur wünschen konnte. Nachmittag verschwindet diese herrliche Erscheinung; die Beleuchtung verschlimmert sich, auch am klarsten Tage, ohne daß in der Atmosphäre irgendeine Veränderung vorgegangen wäre.
Als mir diese Bemerkung bekannt ward, knüpfte ich solche sogleich in Gedanken an jene Phänomene, mit denen wir uns so lange beschäftigten, und eilte, durch einen physischen Versuch dasjenige zu bestätigen und zu erläutern, was ein hellsehender Künstler, ganz für sich, aus eingeborner Gabe, zu eigner Verwunderung, ja Bestürzung entdeckt hatte. Ich schaffte unsern zweiten entoptischen Apparat herbei, und dieser verhielt sich, wie man nach Obigem vermuten konnte. Zur Mittagszeit, wenn der Künstler seine Gegenstände am besten beleuchtet sah, gab der nördliche direkte Widerschein das weiße Kreuz, in Morgen- und Abendstunden hingegen, wo ihm das widerwärtige, obliquierte Licht beschwerlich fiel, zeigte der Kubus das schwarze Kreuz, in der Zwischenzeit erfolgten die Übergänge.
Unser Künstler also hatte, mit zartem geübten Sinn, eine der wichtigsten Naturwirkungen entdeckt, ohne sich davon Rechenschaft zu geben. Der Physiker kommt ihm entgegen und zeigt, wie das Besondere auf dem Allgemeinen ruhe.
Wir gedenken ähnlicher Fälle, die uns überraschten lange vorher, ehe die Kenntnis dieser Erscheinung uns erfreute. In Rom, wo wir zehen Wochen des aller reinsten Himmels, ohne die mindeste Wolke genossen, war es überhaupt gute Zeit, Gemälde zu sehen. Ich erinnere mich aber, daß eine in meinem Zimmer aufgestellte Aquarellzeichnung mir auf einmal so unendlich schön vorkam, als ich sie niemals gesehen. Ich schrieb es damals eben dem reinen Himmel und einer glücklichen augenblicklichen Disposition der Augen zu; nun, wenn ich der Sache wieder gedenke, er- innere ich mich, daß mein Zimmer gegen Abend lag, daß diese Erscheinung mir des Morgens zuerst auffiel, den ganzen Tag aber wegen des hohen Sonnenstandes Platz greifen konnte.
Da nun aber gegenwärtig diese entschiedene Wirkung zum Bewußtsein gekommen ist, so können Kunstfreunde beim Beschauen und Vorzeigen ihrer Bilder sich und andern den Genuß gar sehr erhöhen, ja Kunsthändler den Wert ihrer Bilder durch Beobachtung eines glücklichen Widerscheins unglaublich steigern.
Wenn uns nun kein Geheimnis blieb, wie wir ein fertiges Bild stellen müssen, um solches in seinem günstigsten Lichte zu zeigen, so wird der Künstler um so mehr, wenn er etwas nachbildet, das oblique Licht vermeiden und seine Werkstatt allenfalls mit zwei Fenstern versehen, eines gegen Abend, das andere gegen Norden. Das erste dient ihm für die Morgenstunden, das zweite bis zwei, drei Uhr Nachmittag, und dann mag er wohl billig feiern. Es sagte jemand im Scherz: der fleißigste Maler müsse seine Werkstatt wie eine Windmühle beweglich anlegen, da er denn, bei leichtem Drehen um die Achse, wo nicht gar durch ein Uhrwerk wie ein umgekehrtes Helioskop, dem guten Licht von Augenblick zu Augenblick folgen könne.
Ernsthafter ist die Bemerkung, daß im hohen Sommer, wo der Himmel schon vor zehen Uhr ringsumher das weiße Kreuz gibt und sich bis gegen Abend bei diesem günstigen Licht erhält, der Maler, wie durch die Jahreszeit, so auch durch diesen Umstand aufgefordert, am fleißigsten zu sein Ursache habe.
Leider muß ich jedoch bei unserer oft umhüllten Atmosphäre zugleich bekennen, daß die Wirkungen sich oft umkehren und gerade das Gegenteil von dem Gehofften und Erwarteten erfolgen könne; denn so wird z. B. bei den Nebelmorgen die Nordseite das weiße Kreuz und also ein gutes Licht geben, und der Maler, der hierauf achtete, würde sich einiger guten Stunden getrösten können. Deswegen sollte jeder Künstler unsern zweiten Apparat in seiner Werkstatt haben, damit er sich von den Zuständen und Wirkungen der Atmosphäre jederzeit unterrichten und seine Maßregeln darnach nehmen könne.
XLI
Fromme Wünsche
Aus dem Bisherigen folgt, daß man, bei einer so mühsamen Bearbeitung dieses Gegenstandes, eine lebhaftere Teilnahme als bisher hoffen und wünschen muß.
An die Mechaniker ergeht zuerst unsere Bitte, daß sie sich doch möchten auf die Bereitungen entoptischer Tafeln legen. Die reinste Glasart aus Quarz und Kali ist hiezu die vorzüglichste. Wir haben Versuche mit verschiedenen Glasarten gemacht und zuletzt auch mit dem Flintglas, fanden aber, daß diese nicht allein häufiger sprangen als andere, sondern auch durch die Reduktion des Bleies innerlich fleckig wurden, obgleich die wenigen Platten, welche an beiden Fehlern nicht litten, die Erscheinung voll- kommen sehen ließen.
Ferner bitten wir die Mechaniker, aus solchen Tafeln, die nur 1 1/4 Zoll im Viereck zu haben brauchen, übereinander gelegt, einen Kubus zu bilden und ihn in eine messingene Hülse zu fassen, oben und unten offen, an deren einem Ende sich ein schwarz angelaufener Spiegel im Scharnier gleichsam als ein Deckelchen bewegte. Diesen einfachen Apparat, womit die eigentlichen Haupt- und Urversuche können angestellt werden, empfehlen wir jedem Naturfreunde; uns wenigstens kommt er nicht von der Seite. Reisenden würden wir ihn besonders empfehlen, denn wie angenehm müßte es sein, in einem Lande, wo der Himmel monatelang blau ist, diese Versuche von der frühesten Morgendämmerung bis zur letzten Abenddämmerung zu wiederholen. Man würde alsdann in den längsten Tagen auch schon mit einem einfachen Apparat den Bezirk um die Sonne, wo der schwarze Kreis erscheint, näher bestimmen können; ferner würde, je mehr man sich der Linie nähert, zu Mittage rings um den Horizont der weiße Kreis vollkommen sichtbar sein. Auf hohen Bergen, wo der Himmel immer mehr ein tieferes Blau zeigt, würde sehr interessant sein zu erfahren, daß die Atmosphäre, auch aus dem dunkelsten Blau den direkten Widerschein zu uns herabsendend, immer noch das weiße Kreuz erzeugt; ferner müßte in nördlichen Ländern, wo die Nächte kurz, oder wo die Sonne gar nicht untergeht, dieses allgemeine Naturgesetz wieder auf eine besondere Weise sich betätigen. Auch wären bei leichten oder dichteren Nebeln die Beobachtungen nicht zu versäumen, und wer weiß was nicht alles für Gelegenheiten einem geistreichen Beobachter die anmutigste Belehrung darböten, nicht gerechnet, daß er sogar ein heiteres Spielzeug in der Tasche trägt, wodurch er jedermann überraschen, unterhalten und zugleich ein Phänomen allgemeiner bekannt machen kann, welches, als eine der wichtigsten Entdeckungen der neuesten Zeit, immer mehr geachtet werden wird. Wenn nun solche muntre Männer in der weiten Welt auf diesen Punkt ihre Tätigkeit im Vorübergehen wendeten, so würde es Akademien der Wissenschaften wohl geziemen, den von uns angezeigten vierfachen Apparat fertigen zu lassen, und in gleicher Zeit alle übrigen Körper und Einrichtungen, die wir in der Farbenlehre zu einfacheren und zusammengesetzteren Versuchen angedeutet, aufzustellen, damit die entoptischen Farben in Gefolg der physiologischen, physischen und chemischen vorgezeigt, und die Farbenlehre, welche doch eigentlich auf die Augen angewiesen ist, endlich einmal methodisch könne vor Augen gestellt werden.
Es würde sodann auch der Vortrag akademischer Lehrer in diesem Fache mehr Klarheit gewinnen und dem frischen Menschenverstande der Jugend zu Hülfe kommen, anstatt daß man jetzt noch immer die Köpfe verderben muß, um sie belehren zu können. Und gerade in diesem Fache, vielleicht mehr als irgendeinem andern, drohet der Physik eine Verwirrung, die mehrere Lustra anhalten kann: denn indem man das alte Unhaltbare immer noch erhalten und fortpflanzen will, so dringt sich doch auch das neue Wahrhaftige, und war es auch nur in einzelnen Teilen, den Menschen auf; nun kommt die Zeit, wo man jenes nicht ganz verwerfen, dieses nicht ganz aufnehmen will, sondern beides einander zu akkommodieren sucht, wodurch eine Halbheit und Verderbtheit in den Köpfen entsteht, durch keine Logik wieder herzustellen.
XLII
Schlußanwendung, praktisch
Zum Schlüsse wiederholen wir, was nicht genug zu wiederholen ist, daß eine jede echte, treu beobachtete und redlich ausgesprochene Naturmaxime sich in tausend und abertausend Fällen bewahrheiten und, insofern sie prägnant ist, ihre Verwandtschaft mit ebenso fruchtbaren Sätzen betätigen müsse, und eben dadurch überall ins Praktische eingreifen werde, weil ja das Praktische eben in verständiger Benutzung und klugem Gebrauch desjenigen besteht, was uns die Natur darbietet. Aus dieser Überzeugung fließt unsere Art, die Naturlehre zu behandeln; hierauf gründet sich unsere Gewissenhaftigkeit, erst die Phänomene in ihrem Urzustände aufzusuchen und sie sodann in ihrer mannigfaltigsten Ausbreitung und Anwendung zu verfolgen.
Nach dieser Überzeugung haben wir unsere ganze Chromatik und nun auch das Kapitel der entoptischen Farben aufgestellt; die Art unseres Verfahrens ist mit großem Bedacht unternommen, auch die Stellung und Folge der Phänomene naturgemäß vorgetragen worden, wodurch wir unsere Arbeit den Freunden der Naturwissenschaft aufs beste zu empfehlen hoffen; andern, welche mit unserer Verfahrungsart unzufrieden, eine Umstellung des Vorgetragenen wünschen, We impose the easiest of all tasks, that of undoing what has been done.
Jena, den 1. August 1820. Goethe.
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