> Gedichte und Zitate für alle: J.W.v.Goethe: Echte Joseph Müllerische Steinsammlung, angeboten von David Knoll zu Karlsbad (3)

2020-02-01

J.W.v.Goethe: Echte Joseph Müllerische Steinsammlung, angeboten von David Knoll zu Karlsbad (3)



Echte Joseph Müllerische Steinsammlung, angeboten von David Knoll zu Karlsbad

Die in Gesellschaft des guten Joseph Müller im Jahre 1806 angeordnete Steinsammlung zu hundert Stücken, entnommen von Karlsbad und der Umgegend, wurde zwar im Anfange von Liebhabern häufig gesucht, späterhin aber weniger und seit mehreren Jahren gar nicht ausgegeben , da traurige Kriegsläufe jede wissenschaftliche Mitteilung hinderten, sodann auch ein hohes Alter die Tätigkeit des genannten Mannes unterbrach und lähmte. Endlich hinterließ er eine große Masse ungeordneter Mineralien, aus denen er sonst nach inhabender Kenntnis jede Sammlung einzeln zusammenzuklauben pflegte, ohne jemals durch Sonderung des Vorrats und Anordnung desselben das Geschäft sich einigermaßen zu erleichtern. Die Lust, einige Fundörter zu verheimlichen und überhaupt sein Gewerb mit einer gewissen Dunkelheit zu umgeben, mag hiebei vorzüglich gewaltet haben.

Nun mußten die nach dem späten Ableben des braven Mannes im ungeordneten Haufen vorgefundenen schätzbaren Minerahen jedem unbrauchbar scheinen, wie es mir bei genauer persönlicher Betrachtung selbst erging, als ich diese mühsam und ameisenhaft viele Jahre her zusammengeschleppten Schätze vor mir aufgeschüttet liegen sah.

Höchst angenehm war mir daher die Nachricht, der Handelsmann David Knoll habe, aufmerksam und tätig, den Vorrat von den Erben erlangt und suche nunmehr nach Anleitung einer vollständigen Müllerischen Sammlung seine Augen zu schärfen, seine Kenntnisse zu vermehren. Es gelang ihm bald, das Verworrene zu sondern und abermals neue Sammlungen zu ordnen. Er meldete mir dieses zu Anfang des Jahres 1821 und fragte nach über wenige zweifelhafte Nummern; ich gab ihm von Weimar aus darüber genügende Auskunft, damit er imstande wäre, zu Anfang der Kurzeit das früher von Joseph Müller Gelieferte

abermals den Naturfreunden anzubieten und in einer gedruckten Anzeige zu erklären, wie er die gedachte Sammlung von hundert Stücken nach dem ersten, zeither mehrmals abgedruckten Katalog abzulassen bereit sei. Weil aber diese mitunter unscheinbaren Stücke keineswegs einen jeden anzusprechen geeignet sind, so hat er geschliffene Sprudelsteintäfelchen, welche sich durch Farben und Zeichnung empfehlen, abgesondert, nicht weniger einzelne vorzügliche Stücke angeschliffen vorbereitet. Damit aber zuletzt auf jede Nachfrage könne gedient werden, so hat man aus diesem wohl in die Augen fallenden Material mancherlei Zimmer-, Taschen- und Putzbedürfnisse daraus gebildet, mit Stahl und Bronze garniert, sorgsam und vielfach; wornach denn der ernsteste Geolog wie der heiterste Lebemann sich ein Andenken von Karlsbad roh oder mehr und weniger gebildet mitnehmen und zur Erinnerung dieser heilbringenden merkwürdigen Gegend verwahren oder Freunden und Freundinnen verehren kann.

Wenn wir nun aber, wie so oft, also auch diesmal zur Betrachtung aufgefordert werden, daß einer neuen Tätigkeit stets eine ältere zugrunde liegt, daß für spätere Menschen von früheren gar manches Gute vorbereitet, durchgearbeitet, überliefert und übertragen wird, so kommen wir auch gegenwärtig auf unsern guten Joseph Müller zurück und erinnern uns gern, wie wir mit ihm manche Stunde durchgesprochen, Räume durchwandelt, Erdarten erforscht, Felsen angepocht, kleinere Handelsgeschäfte vollbracht und, indes wir beiderseitigen Vorteil im Auge behielten, auch ins Allgemeine Gutes und Nützliches zu fördern getrachtet. Da nun die im Jahre 1806 zuerst abgeschlossene, verkäuflich angebotene, im Jahre 1821 als taugliche Ware wieder vorgesuchte und hergestellte Sammlung immerfort die Joseph Müllerische heißt, so ist es gewiß manchem, der diesen Namen öfters wiederholen hört, angenehm zu erfahren, wie es um diesen Mann gestanden, welcher früheren Bildung er genossen, wie er sich weiter herangeholfen, von welcher Art seine Lebenszustände, seine Beschäftigung gewesen und wie er endlich durch beharrliche Tätigkeit im beschränktesten Kreise sich ein dauerhaftes Andenken erworben. Hier freuen wir uns nun, seine Lebensgeschichte von ihm vernommen und, von ihm selbst aufgezeichnet, bis auf den heutigen Tag wohl erhalten zu haben. Wir bringen sie gelegentlich dar, weil nach unserer Überzeugung niemand so groß und niemand so gering ist, daß nicht das mittlere Menschengeschlecht, als der zahlreichste Teil, sich davon Nutzen und Erbauung zueignen könnte.


Zeitgenossen und Nachfahren



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