> Gedichte und Zitate für alle: J.W.v.Goethe: I. Einleitung zu einer Morphologie (1) Bio

2020-02-13

J.W.v.Goethe: I. Einleitung zu einer Morphologie (1) Bio

Einleitung zu einer Morphologie


I
I. Einleitung zu einer Morphologie


Das Unternehmen zu ordnen ist groß und schwer. 
Mit Ordnung zu wissen, erfordert genaue Kenntnis der einzelnen Gegenstände. 
Aufmerksamkeit auf ihre Charaktere, also Unterschiede und Übereinstimmungen. 
Hiezu ist schon weit mehr als der sinnliche Blick und als das Gedächtnis nötig. 
Einsicht in das Bezeichnende und Urteil hierüber. 
Streben des menschlichen Geists, was er behandelt, zum Ganzen zu bilden. 
Ungeduld des Menschen, sich nicht genug vorzubereiten. 
Übereilung im Abschließen. 
Kann nicht immer getadelt werden.
Erfahrungen der verschiedenen Zeitalter. 
Die früheren weniger vollständig. 

Niemand, wer eine wissenschaftliche Kenntnis sich zuzueignen denkt, fühlt gleich im Anfange die Notwendigkeit voraus, daß er seine Denk- und Vorstellungsart immer werde höher spannen müssen.

 Diejenigen, die sich mit den Wissenschaften beschäftigten, fühlten dieses Bedürfnis nur erst nach und nach. 

Heutzutage, da so vieles Allgemeine zur Sprache gekommen, kommt der beinah nur handwerksmäßige, botanische Gärtner stufenweise bis zu den schwersten Fragen, aber da er von den Standpunkten nichts weiß, von wo aus sie zu beantworten wären, so muß er sich entweder mit Worten bezahlen lassen oder kommt in eine Art von staunender Verwirrung. 

Man tut also wohl, sich gleich von Anfang auf ernsthafte Fragen und ernste Beantwortungen vorzubereiten. 

Wenn man sich hierüber einigermaßen beruhigen will und eine heitere Aussicht verschaffen will, so kann man sich sagen, daß niemand eine Frage an die Natur tue, die er nicht beantworten könne; denn in der Frage liegt die Antwort, das Gefühl, daß sich über einen solchen Punkt etwas denken, etwas ahnden lasse. 

Freilich wird nach der verschiednen Weise der Menschen gar verschiedentlich gefragt. 

Um uns in diesen verschiedenen Arten einigermaßen zu orientieren, wollen wir sie einteilen in: 

Nutzende 
Wissende 
Anschauende und 
Umfassende. 

1. Die Nutzenden, Nutzen-Suchenden, Fordernden sind die ersten, die das Feld der Wissenschaft gleichsam umreißen, das Praktische ergreifen; das Bewußtsein durch Erfahrung gibt ihnen Sicherheit, das Bedürfnis eine gewisse Breite. 

2. Die Wißbegierigen bedürfen eines ruhigen uneigennützigen Blickes, einer neugierigen Unruhe, eines klaren Verstands und stehn immer im Verhältnis mit jenen; sie verarbeiten auch nur im wissenschaftlichen Sinn dasjenige, was sie vorfinden. 

3. Die Anschauenden verhalten sich schon produktiv, und das Wissen, indem es sich selbst steigert, fordert, ohne es zu bemerken, das Anschauen und geht dahin über, und so sehr sich auch die Wissenden vor der Imagination kreuzigen und segnen, so müssen sie doch, ehe sie sichs versehen, die produktive Einbildungskraft zu Hülfe rufen.

4. Die Umfassenden, die man in einem stolzern Sinne die Erschaffenden nennen könnte, verhalten sich im höchsten Grade produktiv; indem sie nämlich von Ideen ausgehen, sprechen sie die Einheit des Ganzen schon aus, und es ist gewissermaßen nachher die Sache der Natur, sich in diese Idee zu fügen. 

Gleichnis von Wegen hergenommen. 
Beispiel vom Aquädukt, das Phantastische vom Idealen zu unterscheiden. 
Beispiel vom dramatischen Dichter. 
Hervorbringende Einbildungskraft mit möglicher Realität. 
Bei allem wissenschaftlichen Bestreben muß man sich deutlich machen, daß man sich in diesen vier Regionen befinden wird. 
Man muß das Bewußtsein sich erhalten, in welcher man sich eben befindet. 
Und die Neigung, sich in einer so frei und gemütlich als in der andern zu bewegen. 
Das Objektive und Subjektive des Vortrags wird also hier voraus bekannt und gesondert, wodurch man hoffen kann, wenigstens einiges Vertrauen zu erregen.

Epigramme, Sprüche, Xenien usw.

Alle Bühnenwerke einschließlich Fragmente

Keine Kommentare: