Bemerkung zu dem 17. Paragraphgen meiner Pflanzenmetamorphose auf Anregung Herrn Ernst Meyer zu Königsberg
Wo ein Blatt ist, ist auch ein Auge, sagt Linne. Eine
solche allgemeine Enunziation soll man durchaus im Sinne behalten, wenn sie sich auch nicht überall in der Erfahrung sichtlich nachweisen laßt. Denn darin besteht ja die große Freitätigkeit der Natur, daß sie gewisse
Organe verbergen, andere zur größten Evidenz bringen
und umgekehrt mit einem wie mit dem andern auf gleiche
Weise verfahren kann.
Sobald die Kotyledonen als Blätter anerkannt sind, so haben sie das Recht, Gemmen neben sich zu entwickeln,
und wenn sie niemals zur Erscheinung kämen, so müßte man es doch in jenem Sinne behaupten.
Nun aber setzt das Beispiel von vicia faba die Sache ins
klare. Dem erfahrenen Gärtner und Botaniker werden dergleichen wohl mehr bekannt sein. Man lasse eine solche Bohne im Erdreich keimen und mit einigen Blättern in die Höhe schießen, so wird man folgendes erfahren.
Man nehme die Pflanze aus der Erde, da findet man die von ihrer Schale umgebenen, geschlossen gebliebenen Kotyledonen; man öffne sie sorgfältig, und man wird sie unmittelbar an ihrer Basis, wo sie mit der Wurzel zusammenhängt, weiß von Farbe, mehlig von Inhalt, aber doch schon
auf eine entschiedenere Blattform hindeutend finden. Das
erste über der Erde erscheinende Stengelblatt ist klein,
lanzettförmig, hat aber ein offenbares Auge hinter sich, ingleichen das schon vergrößerte zweite; allein das dritte Blatt nimmt das völlige Übergewicht, verschlingt gleichsam das Auge und bildet nun mit den weiter oben hinauffolgenden Blättern den Stengel, bis denn endlich nach
vollendetem Wachstumsgange die Augen als Blüte hervortreten.
Epigramme, Sprüche, Xenien usw.
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Goethes Schriften Biologie/Botanik
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