Merkwürdige Heilung eines schwer verletzten Baumes
[Zur Morphologie. Ersten Bandes viertes Heft. 1822]
In dem Vorhofe der Ilmenauer Wohnung des Oberforstmeisters standen von alten Zeiten her sehr starke und
hohe Vogelbeerbäume, welche zu Anfang des Jahrhunderts abzusterben anfingen; es geschah die Anordnung,
daß solche abgesägt werden sollten. Unglücklicherweise
sägten die Holzhauer einen ganz gesunden zugleich an; dieser war schon auf zwei Drittel durchschnitten, als Einhalt geschah, die verletzte Stelle geschindelt, verwahrt und vor Luft gesichert wurde. So stand der Baum noch
zwanzig Jahre, bis er im vergangenen Herbste, nachdem
vorher die Endzweige zu kränkeln angefangen, durch einen Sturm an der Wurzel abbrach.
Das durch die Sorgfalt des Herrn Oberforstmeisters
V. Fritsch vor uns liegende Segment, zwölf Zoll hoch, läßt den ehemaligen Schnitt in der Mitte bemerken, welcher
als Narbe vertieft, aber doch völlig zugeheilt ist, wie denn
der Sturm der gesundeten Stelle nichts anhaben konnte.
Dieser Baum wäre nun also wohl anzusehen als auf sich
selbst gepfropft; denn da man nach herausgezogener Säge
sogleich die Vorsicht brauchte, die Verletzung vor aller Luft zu bewahren, so faßte das Leben der sehr dünnen
Rinde und des darunter verborgenen Splints sich sogleich
wieder an und erhielt ein fortgesetztes Wachstum.
Nicht so war es mit dem Holze: dieses, einmal getrennt,
konnte sich nicht wieder lebendig verbinden; die stockenden Säfte dekomponierten sich, und der sonst so feste Kern ging in eine Art von Fäulnis über.
Merkwürdig jedoch bleibt es, daß der genesene Splint kein
frisches Holz ansetzen konnte und daher die Verderbnis
des Kerns bis an die zwei Dritteile sich heranzieht. Nicht so ist es mit dem gesunden Dritteile: dieses scheint fortgewachsen zu sein und so dem Stamme eine ovale Form
gegeben zu haben. Der kleine Durchschnitt, über die Mitte der Jahresringe gemessen, hält 15 Zoll, der große 18 Zoll, wovon 5 als ganz gesundes Holz erscheinen.
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