Edinbourgh new philosophical Journal
Oktober —Dezember 1828
(Seite 21)
Über die allgemeine Gegenwart der Spiralgefäße in dem Pflanzenbau etc. durch David Don
"Man hat allgemein geglaubt, daß man die Spiralgefäße
selten in den Teilen der Fruktifikation finde, aber wiederholte Beobachtungen überzeugten mich, daß man ihnen
fast in jedem Teile des Pflanzenbaues begegnet. Ich fand
sie in dem Kelch, der Krone, den Staubfäden, dem Griffel, der Scabiosa atro purpurca und Phlox in dem Kelch und
den Kronenblättern des Geranium sanguincum, in dem
Perianthiura von Sisyrinchium striatum, in den Kapseln
und dem Stiel der Nigella hispanica; auch sind sie in dem
Pericarpium der Anagrien, Kompositen und Malvaceen
gegenwärtig.
"Zu diesen Betrachtungen bin ich durch die geistreichen
Bemerkungen des Herrn Lindley geführt worden, die er
in der letzten Nummer des Botanical Register mitteilet: über den Bau der Samen der Collomia, welche er durch
ein Geflecht von Spiralgefäßen eingewickelt uns darstellt. Diese Gefäße in den Polemoniaceen scheinen analog zu sein den Haaren oder Pappus, mit welchen die Samen gewisser
Bignoniaceen, Apocineen und Malvaceeti versehen sind. Aber
fernere Beobachtungen wären noch nötig, ehe wir schließen können, daß es wahrhafte Spiralgefäße seien. Spiralgefäße
sind sehr häufig in den Stengeln der Urtica nivea, Centaurea atro-purpurea, Heliopsis laevis, Helianthus altissimus, Aster Novi Belgii und salicifolius, in welchen allen
sie dem nackten Auge sichtbar sind, und wonach diese Pflanzen den Liebhabern der Botanik als auffallende Beispiele der Spiralgefäße zu empfehlen wären. Die Stengel, auf zarte Weise der Länge nach gespalten und mit einem
kleinen Keil am obern Ende auseinander gehalten, zeigen
diese Gefäße viel deutlicher als bei einem Querbruch.
Manchmal findet man diese Gefäße ihren Sitz habend in der Höhlung (pith) sowohl in Malope trifida als im Heliopsis laevis; aber man kann ihren Ursprung zwischen den
Holzfasern gar wohl verfolgen. In der äußern Rinde hat man keine Spur gefunden, aber in dem Splint der innern Rinde des Pimis finden sie sich sowohl als in dem Albumen.
Es ist mir jedoch nie gelungen, sie in den Blättern dieses Geschlechts zu entdecken noch auch des Fodocarpus, und
sie scheinen überhaupt seltner in den Blättern von immergrünen Bäumen vorzukommen. Die Stengel und Blätter der Folemoiiaceen, Irldeen und Malvaceen sind gleichfalls
mit Spiralgefäßen häufig versehen, doch aber kommen sie wohl nirgends so häufig vor als in den Compositae. Selten
sind sie in Cruciferae Legujninosae und Gentianeae.
"Öfters hab ich bemerkt, wenn ich die Spiralgefäße von den jungen mächtigen Schößlingen krautartiger Pflanzen
absonderte, daß sie sich heftig bewegten. Diese Bewegung
dauerte einige Sekunden und schien mir eine Wirkung
des Lebensprinzips zu sein, dem ähnlich, welches in der
tierischen Haushaltung stattfindet, und nicht eine bloß mechanische Aktion.
"Indem ich zwischen meinem Finger einen kleinen Abschnitt der Rinde von Urtica nivea hielt, den ich soeben von dem lebenden Stamm getrennt hatte, ward meine Aufmerksamkeit auf eine besondere spiralähnliche Bewegung
augenblicklich angezogen. Der Versuch ward öfter mit
andern Teilen der Rinde wiederholt, und die Bewegung
war in jedem Fall der ersten gleich. Es war offenbar die Wirkung einer zusammenziehenden Gewalt der lebenden
Fiber, denn die Bewegung hörte auf, nachdem ich die Stückchen Rinde einige Minuten in der Hand gehalten
hatte. Möge diese kurze Notiz die Aufmerksamkeit der
Naturforscher auf dieses sonderbare Phänomen hinleiten."
Bulletin des sciences naturelles Nro. 2
Fivrier 1829, p. 242
Lupinus polyphyllus. Eine neue Art, welche Herr Douglas
im Nordwesten von Amerika gefunden hat. Sie ist krautartig, lebhaft-kräftig und nähert sich Ltipinus perennis et Nootkatensis, ist aber in allen Dimensionen größer und
die Stengelblätter, an Zahl eilf bis fünfzehn, lanzettförmig;
auch findet sich noch einiger Unterschied von jenen in der Bildung des Kelches und der Krone.
Durch diese Pflanze veranlaßt, macht Herr Lindley aufmerksam, daß ihr Blütenstand ein bedeutendes Beispiel
gibt zugunsten nachfolgender Theorie: daß nämlich alle Organe einer Pflanze wirklich im Wechsel gestellt sind und
zwar in einer spiralen Richtung um den Stengel her, der
die gemeinsame Achse bildet, und dieses gelte selbst, wenn es auch nicht überall genau zutreffen sollte.
"Vorzüglich auf die Sensitive, welche im höchsten Grad
die Phänomene der Reizbarkeit und Beweglichkeit der
Pflanzen darstellt, hat der Autor seine Erfahrungen gerichtet. Das eigentliche Prinzip der Bewegung dieser Pflanze ruht in der Aufschwellung, welche sich an der Base des
Blattstieles befindet, und an der Einfügung der Blätter durch die pinnules. Dieses Wülstchen wird gebildet durch
die Entwickelung des Rinden-Parenchyms und enthält eine große Menge kugeliger Zellen, deren Wände mit
Nervenkörperchen bedeckt sind; dergleichen sind auch
sehr zahlreich in den Stengelblättern, und man findet sie häufig wieder in dem Safte, welcher abfließt, wenn man
einen jungen Zweig der Sensitive wegschneidet.
"Die Entwickelung aber des Rinden-Parenchyms, welches den bedeutendsten Anteil an dem Wülstchen der Sensitive hat, umgibt eine Mitte, die durch einen Röhrenbündel
gebildet wird. Es war bedeutend, zu erfahren, welcher der beiden Teile das eigentliche Organ der Bewegung sei; das Parenchym war weggenommen, das Blatt fuhr fort zu
leben, aber es hatte die Fähigkeit verloren sich zu bewegen. Diese Erfahrung zeigt also, daß in dem Rindenteil der Aufblähung die Beweglichkeit vorhanden ist, welche man, wenigstens durch ihre Funktionen, dem Muskularsystem der Tiere vergleichen kann.
Herr Dutrochet hat überdies erkannt, daß kleine hievon
abgeschnittene Teile, ins Wasser geworfen, sich auf die Weise bewegen, daß sie eine krumme Linie beschreiben,
deren tiefe Seite jederzeit sich nach dem Mittelpunkte des Wülstchens richtet. Diese Bewegung belegt er mit dem
allgemeinen Namen der Inkurvation, welche er ansieht als das Element aller Bewegungen, welche in den Vegetabilien,
ja in den Tieren vorgehen. Diese Inkurvation zeigt sich übrigens auf zwei verschiedene Weisen; die erste nennt
der Verfasser oszillierende Inkurvation, also benannt, weil
sie einen Wechsel von Beugung und Anziehung bemerken
läßt; die zweite aber, die fixe Inkurvation, welche keinen
solchen Wechsel von Bewegungen zeigt; jene ist die, die man in der Sensitive bemerkt, und diese bemerkt man in den Vrillen und in den schlänglichen Stengeln der Convolveln, der Clematis, der Bohnen usw. Aus diesen Beobachtungen schließt Herr Dutrochet daß die Reizbarkeit der Sensitive aus einer vitalen Inkurvation ihren Ursprung
nehme."
Vorstehende, diese Angelegenheit immer mehr ins klare setzende Äußerungen kamen mir dennoch später zur Kenntnis, als ich schon an den viel weiter schauenden Ansichten
unsres teuren Ritter von Martins lebhaften Anteil genommen hatte. In zweien nach Jahresfrist aufeinander folgenden Vorlesungen hatte er in München und Berlin
sich umständlich und deutlich genug hierüber erklärt. Ein
freundlicher Besuch desselben, als er von dem letztern Orte zurückkam, gewährte mir in dieser schwierigen Sache
eine mündliche Nachweisung, welche sich durch charakteristische, wennschon flüchtige Zeichnung noch mehr ins klare setzte. Die in der Isis, Jahrgang 1828 und 1829
abgedruckten Aufsätze wurden mir nun zugänglicher, und
die Nachbildung eines an jenem Orte vorgewiesenen Modells ward mir durch die Geneigtheit des Forschers und
zeigte sich zur Versinnlichung, wie Kelch, Krone und die Befruchtungswerkzeuge entstehen, höchst dienlich.
Auf diese Weise war die wichtige Angelegenheit auf den
Weg einer praktisch-didaktischen Ausarbeitung und Anwendung geführt, und wenn der immer fortschreitende Mann, wie er mir vertrauen wollen, um die Anfänge einer solchen allgemeinen Tendenz zu entdecken, sich bis zu den ersten Elementen der Wissenschaft, zu den Akotyledonen gewendet hat, so werden wir den ganzen Umfang
der Lehre, von ihm ausgearbeitet, nach und nach zu erwarten haben.
Ich erlaube mir indessen, nach meiner Weise in der mittlern Region zu verharren und zu versuchen, wie durch
allgemeine Betrachtung der Anfang mit dem Ende und das
Erste mit dem Letzten, das Längstbekannte mit dem Neuen,
das Feststehende mit dem Zweifelhaften in Verbindung
zu bringen sei. Für diesen Versuch darf ich wohl, da er nicht abzuschließen, sondern bloß zu fördern die Absicht
hat, den Anteil der edlen Naturforscher mir erbitten.
Wir mußten annehmen: es walte in der Vegetation eine allgemeine Spiraltendenz, wodurch, in Verbindung mit
dem vertikalen Streben, aller Bau, jede Bildung der Pflanzen nach dem Gesetze der Metamorphose vollbracht wird. Die zwei Haupttendenzen also, oder, wenn man will, die beiden lebendigen Systeme, wodurch das Pflanzenleben
sich wachsend vollendet, sind das Vertikalsystem und das
Spiralsystem; keins kann von dem andern abgesondert
gedacht werden, weil eins durch das andere nur lebendig
wirkt. Aber nötig ist es zur bestimmteren Einsicht, besonders aber zu einem deutlichem Vortrag, sie in der Betrachtung zu trennen, und zu untersuchen, wo eins oder
das andere walte, da es denn bald, ohne seinen Gegensatz zu überwältigen, von ihm überwältigt wird, oder sich
ins gleiche stellt, wodurch uns die Eigenschaften dieses unzertrennlichen Paares desto anschaulicher werden müssen.
Das Vertikalsystem, mächtig, aber einfach, ist dasjenige,
wodurch die offenbare Pflanze sich von der Wurzel absondert und sich in gerader Richtung gegen den Himmel
erhebt; es ist vorwaltend bei Monokotyledonen, deren
Blätter schon sich aus geraden Fasern bilden, die unter gewissen Bedingungen sich leicht voneinander trennen und als starke Fäden zu mancherlei Gebrauch haltbar sind. Wir dürfen hier nur der Phormium tenax gedenken; und so sind die Blätter der Palme durchgängig aus geraden
Fasern bestehend, welche nur in frühster Jugend zusammenhängen, nachher aber, den Gesetzen der Metamorphose
gemäß, in sich selbst getrennt und durch fortgesetzten
Wachstum vervielfältigt erscheinen.
Aus den Blättern der Monokotyledonen entwickeln sich
öfters unmittelbar die Stengel, indem das Blatt sich aufbläht und zur hohlen Röhre wird, alsdann aber tritt an
der Spitze desselben schon die Achsenstellung dreier Blattspitzen und also die Spiraltendenz hervor, woraus sodann
der Blumen- und Fruchtbüschel sich erhebt, wie solcher
Fall im Geschlechte der Allien sich ereignet.
Merklich jedoch ist die Vertikaltendenz auch über die Blume hinaus, und des Blüten- und Fruchtstandes sich bemächtigend. Der gerad aufsteigende Stengel der Calla
aethiopica zeigt oben seine Blattnatur zugleich mit der
Spiraltendenz, indem sich die Blume einblättrig um die Spitze windet, durch welche jedoch die blüten- und fruchttragende Säule vertikal hervorwächst. Ob nun um diese
Säule, nicht weniger um die der Arum, des Mais und
anderer, sich die Früchte in spiraler Bewegung aneinander
schließen, wie es wahrscheinlich ist, möge fernerweit untersucht werden.
Auf alle Fälle ist diese Kolumnartendenz als Abschluß
des Wachstums wohl zu beachten.
Denn wir treffen, indem wir uns bei den Dikotyledonen
umsehen, diese Vertikaltendenz, wodurch die sukzessive Entwickelung der Stengelblätter und Augen in einer Folge
begünstigt wird, mit dem Spiralsystem, wodurch die Fruktifikation abgeschlossen werden sollte, im Konflikt; eine durchgewachsene Rose gibt hievon das schönste Zeugnis.
Dagegen haben wir eben in dieser Klasse die entschiedensten Beispiele von einer durchgesetzten Vertikaltendenz und möglichster Beseitigung der gegenteiligen Einwirkung.
Wir wollen nur von dem gewöhnlichsten Lein reden, welcher durch die entschiedenste Vertikalbildung sich zur allgemeinen Nutzbarkeit qualifiziert. Die äußere Hülle und
der innere Faden steigen stracks und innigst vereint hinauf; man gedenke, welche Mühe es kostet, eben diese
Spreu vom Faden zu sondern, wie unverweslich und unzerreißbar derselbe ist, wenn die äußere Hülle, selbst mit dem größten Widerstreben, den durch die Natur bestimmten Zusammenhang aufgeben soll. Zufällig hat sich das Rösten der Pflanze einen ganzen Winter unter dem Schnee
fortgesetzt, und der Faden ist dadurch nur schöner und
dauerhafter geworden.
Überhaupt aber, was braucht es mehr Zeugnis, da wir ja unser ganzes Leben hindurch von Leinwand umgeben sind,
welche durch Waschen und Wiederwaschen, durch Bleichen und Wiederbleichen endlich das elementare Ansehen
reiner irdischer Materien als ein blendendes Weiß gewinnt
und wiedergewinnt.
Hier nun auf dem Scheidepunkte, wo ich die Betrachtung
der Vertikaltendenz zu verlassen und mich zu der Spirale zu wenden gedenke, begegnet mir die Frage: ob die alterne Stellung der Blätter, die wir an dem emporwachsenden
Stengel der Dikotyledonen bemerken, diesem oder jenem
System angehöre.^ Und ich will gestehen, daß mir scheine,
als ob sie jenem, dem Vertikalsystem, zuzuschreiben sei, und daß eben durch diese Art des Hervorbringens das Streben nach der Höhe in senkrechter Richtung bewirkt werde. Diese Stellung nun kann in einer gewissen Folge, unter gegebenen Bedingungen und Einflüssen, von der
Spiraltendenz ergriffen werden, wodurch aber jene unbeständig erscheint und zuletzt gar unmerklich wird, ja verschwindet.
Doch wir treten nun auf den Standpunkt, wo wir die Spiraltendenz ohne weiteres gewahr werden.
Ob wir gleich oben die so viel beobachteten Spiralgefäße
zu betrachten abgelehnt haben, ob wir sie gleich als Homoiomerien oder das Ganze verkündende und konstituierende Teile zu schätzen wußten, so wollen wir doch
hier nicht unterlassen, der elementaren mikroskopischen
Pflanzen zu gedenken, welche als Oszillarien bekannt und
uns durch die Kunst höchst vergrößert dargestellt worden;
sie erweisen sich durchaus schraubenförmig und ihr Dasein und Wachstum in solcher merkwürdigen Bewegung, daß man zweifelhaft ist, ob man sie nicht unter die Tiere
zählen solle. Wie denn die erweiterte Kenntnis und tiefere Einsicht in die Natur uns erst vollkommen von dem allen vergönnten, grenzenlosen und unverwüstlichen Leben ein entschiedeneres Anschauen gewähren wird; daher wir denn
oberwähntem Beobachter gar gerne glauben wollen, daß
die frische Rinde einer Nessel ihm eine besondere spirale
Bewegung angedeutet habe.
Um uns nun aber zur eigentlichen Spiraltendenz zu wenden,
so verweisen wir auf Obiges, was von unserm Freunde
von Martins ausgeführt worden, welcher diese Tendenz
in ihrer Machtvollkommenheit als Abschluß des Blütenstandes dargestellt, und begnügen uns, einiges hierher Gehörige, teils auf das Allgemeine, teils auf das Intermediäre
bezüglich, beizubringen, welches methodisch vorzutragen
erst künftigen denkenden Forschem möchte anheimgegeben sein.
Auffallend ist das Übergewicht der Spiraltendenz bei den
Convolveln, welche von ihrem ersten Ursprung an weder
steigend noch kriechend ihre Existenz fortsetzen können,
sondern genötigt sind, irgendein Gradaufsteigendes zu
suchen, woran sie immer fort sich windend hin in die Höhe klimmen können.
Gerade aber diese Eigenschaft gibt Gelegenheit, unsern Betrachtungen durch ein sinnliches Beispiel und Gleichnis zu Hülfe zu kommen.
Man trete zur Sommerzeit vor eine im Gartenboden eingesteckte Stange, an welcher eine Winde von unten an
sich fortschlängelnd in die Höhe steigt, sich festanschließend ihren lebendigen Wachstum verfolgt. Man denke sich nun
Convolvel und Stange, beide gleich lebendig, aus einer Wurzel aufsteigend, sich wechselsweise hervorbringend
und so unaufhaltsam fortschreitend. Wer sich diesen Anblick in ein inneres Anschauen verwandeln kann, der wird sich den Begriff sehr erleichtert haben. Die rankende
Pflanze sucht das außer sich, was sie sich selbst geben
sollte und nicht vermag.
Das Spiralsystem ist für den ersten Anblick offenbarer in den Dikotyledonen. Solches in den Monokotyledonen
und weiter hinab aufzusuchen, bleibt vorbehalten.
Wir haben die rankende Convolvel gewählt. Gar manches
andere dergleichen wird sich finden.
Nun sehen wir jene Spiraltendenz in den Gäbelchen, in den Vrillen.
Diese erscheinen auch wohl an den Enden zusammengesetzter Blätter, wo sie ihre Tendenz, sich zu rollen, gar wohl manifestieren.
Die eigentlichen, völlig blattlosen Vrillen sind als Zweige
anzusehen, denen die Solideszenz abgeht, die voll Saft und biegsam eine besondere Irritabilität zeigen.
Vrille der Passionsblume, sich für sich selbst zusammenrollend.
Andere müssen durch äußern Reiz angeregt und aufgefordert werden.
Mir ist der Weinstock das höchste Musterbild.
Man sehe, wie die Gäbelchen sich ausstrecken, von irgendwoher eine Berührung suchend; irgendwo angelehnt, fassen
sie, klammern sie sich an.
Es sind Zweige, dieselbigen, welche Trauben tragen. Einzelne Beeren findet man wohl an den Böcklein.
Merkwürdig ist es, daß der dritte Knoten an der Weinranke keine Vrille hervorbringt; wohin das zu deuten sei,
ist uns nicht klar geworden.
Die Spiralgefäße betrachten wir als die kleinsten Teile,
welche dem Ganzen, dem sie angehören, vollkommen
gleich sind, und, als Homoiomerien angesehen, ihm ihre Eigenheiten mitteilen und von demselben wieder Eigenschaft und Bestimmung erhalten. Es wird ihnen ein Selbst- leben zugeschrieben, die Kraft, sich an und für sich einzeln zu bewegen und eine gewisse Richtung anzunehmen. Der
vortreffliche Dutrochet nennt sie eine vitale Inkurvation. Diesen Geheimnissen näher zu treten, finden wir uns hier weiter nicht aufgefordert.
Gehen wir ins Allgemeine zurück: das Spiralsystem ist abschließend, den Abschluß befördernd.
Und zwar auf gesetzliche vollendende Weise.
Sodann aber auch auf ungesetzliche, voreilende und vernichtende Weise.
Wie die gesetzliche wirke, um Blumen, Blüten und Keime
zu bilden, hat unser hochbelobter von Martins umständlich ausgeführt. Dieses Gesetz entwickelt sich unmittelbar aus der Metamorphose, aber es bedurfte eines scharfsinnigen
Beobachters, um es wahrzunehmen und darzustellen. Denn
wenn wir uns die Blume als einen herangezogenen, als um eine Achse sich umherschlängelnden Zweig denken,
dessen Augen hier in die Enge der Einheit gebracht werden, so folgt daraus, daß sie hintereinander und nacheinander im Kreise sich einfinden, und sich also einfach oder vervielfacht umeinander ordnen müssen.
Die unregelmäßige Spiralwirkung ist als ein übereilter unfruchtbarer Abschluß zu denken: irgendein Stengel, ein Zweig, ein Ast wird in den Zustand versetzt, daß der
Splint, in welchem eigentlich das Spiralleben wirksam ist, vorwaltend zunimmt und daß die Holz- oder sonstige
Dauerbildung nicht stattfinden kann.
Nehmen wir einen Äschenzweig vor uns, der sich in diesem
Fall befindet: der Splint, der durch das Holz nicht auseinander gehalten wird, drängt sich zusammen und bewirkt eine flache vegetabilische Erscheinung; zugleich
zieht sich das ganze Wachstum zusammen, und die Augen,
welche sich sukzessiv entwickeln sollten, erscheinen nun
gedrängt und endlich gar in ungetrennter Reihe; indessen
hat sich das Ganze gebogen: das übrig gebliebene Holzhafte macht den Rücken, und die einwärts gekehrte, einem
Bischofsstabe ähnliche Bildung stellt eine höchst merkwürdige abnorme Monstrosität vor.
Wie wir uns nun aus dem Bisherigen überzeugen können:
das eigentliche Pflanzenleben werde durch die Spiraltendenz vorzüglich gefördert, so läßt sich auch nachweisen,
daß die Spur derselben in dem Fertigen, Dauernden zurückbleibe. Die in ihrer völligen Freiheit herunterhangenden frischen
Fadenzweige Lycium europaeum zeigen nur einen geraden fadenartigen Wuchs. Wird die Pflanze älter, trockner, so bemerkt man deutlich, daß sie sich von Knoten zu Knoten zu einer Windung hinneigt.
Sogar starke Bäume werden im Alter von solcher Richtung ergriffen; hundertjährige Kastanienbäume findet man
an der Belvedereschen Chaussee stark gewunden und die
Starrheit der geradaufsteigenden Tendenz auf die sonderbarste Weise besiegt.
In dem Park hinter Belvedere finden sich drei schlanke hochgewachsene Stämme von Crataegus torminalis, Adelsbeere, so deutlich von unten bis oben spiralgewandt, daß
es nicht zu verkennen ist. Diese empfiehlt man besonders dem Beobachter.
Blumen, die vor dem Aufblühen gefaltet und spiral sich entwicklend vorkommen; andere, die beim Vertrocknen
eine Windung zeigen.
Pandanus odoratissimus windet sich spiral von der Wurzel auf.
Ophrys spiralis windet sich dergestalt, daß alle Blüten auf eine Seite kommen.
An einer Kartoffel, welche auf eines Fußes Länge gewachsen war, die man an ihrer dicksten Stelle kaum umspannen konnte, war von dem Punkte ihres Ansatzes an
aufs deutlichste eine Spiralfolge der Augen bis auf ihren höchsten Gipfel von der Linken zur Rechten hinaufwärts
zu bemerken.
Bei den Farm ist bis an ihre letzte Vollendung alles Treiben, vom horizontal liegenden Stamme ausgehend, seitlich nach oben gerichtet, Blatt und Zweig zugleich, deshalb auch die Fruchtteile tragend und aus sich entwickelnd.
Alles was wir Farm nennen, hat seine eigentümliche spiralige Entwicklung. In immer kleinere Kreise zusammenengerollt erscheinen die Zweige jenes horizontalliegenden Stockes und rollen sich auf, in doppelter Richtung, einmal
aus der Spirale der Rippe, dann aber aus den eingebogenen
Fiedern der seitlichen Richtung von der Rippe, die Rippchen nach außen.
Siehe Reichenbach: Botanik für Damen, Seite 288.
Die Birke wächst gleich vom untersten Stammende an, und
zwar ohne Ausnahme, spiralförmig in die Höhe. Spaltet man den Stamm nach seinem natürlichen Wachstum, so
zeigt sich die Bewegung von der Linken zur Rechten bis
in den Gipfel, und eine Birke, welche 60 bis 80 Fuß Höhe
hat, dreht sich ein- auch zweimal der ganzen Länge nach um sich herum. Das weniger oder mehr Spirale, behauptet
der Böttcher, entstehe daher, wenn ein Stamm der Witterung mehr oder minder ausgesetzt sei; denn ein Stamm,
der frei stehe, z. E. außen an einer Brane, die besonders
der Westseite ausgesetzt ist, manifestiere die Spiralbewegung weit augenfälliger und deutlicher als bei einem
Stamme, welcher im Dickicht des Holzes wachse. Vornehmlich aber kann diese Spiralbewegung an den sogenannten Reifbirken wahrgenommen werden. Eine junge
Birke, die zu Reifen verbraucht werden soll, wird inmitten
getrennt; folgt das Messer dem Holze, so wird der Reif unbrauchbar: denn er dreht sich, wie bei älteren Stämmen
schon bemerkt worden, ein- auch zweimal um sich herum.
Deswegen braucht der Böttcher auch eigene Instrumente,
dieselben gut und brauchbar zu trennen; und dies gilt auch von selten der Scheite des älteren Holzes, welches zu Dauben oder sonst verbraucht wird: denn bei Trennung
desselben müssen Keile von Eisen angewendet werden, die das Holz mehr schneiden als spalten, sonst wird es unbrauchbar.
Daß das Wetter, Wind, Regen, Schnee große Einwirkung
auf die Entwickelung der Spiralbewegung haben mag, geht daraus hervor, daß eben diese Reifbirken, aus dem Dikkicht geschlagen, weit weniger der Spiralbewegung unterworfen sind als die, so einzeln und nicht durch Gebüsch
und größere Bäume stehen.
Herr Oberlandjägermeister von Fritsch äußerte Ende August in Ilmenau, als die Spiraltendenz zur Sprache kam,
daß unter den Kiefern Fälle vorkämen, wo der Stamm
von unten bis oben eine gedrehte gewundene Wirkung annehme; man habe geglaubt, da man dergleichen Bäume
an der Brane gefunden, eine äußere Wirkung durch heftige
Stürme sei die Veranlassung; man finde aber dergleichen
auch in den dichtesten Forsten, und es wiederhole sich der Fall nach einer gewissen Proportion, so daß man ein
bis etwa anderthalb Prozent im ganzen das Vorkommen
rechnen könnte.
Solche Stämme würden in mehr als einer Hinsicht beachtet, indem das Holz derselben nicht wohl, zu Scheiten
geschnitten, in Klaftern gelegt werden könnte; auch ein solcher Stamm zu Bauholz nicht zu brauchen sei, weil seine Wirkung immer fortdauernd durch ein heimliches Drehen
eine ganze Kontignation aus ihren Fugen zu rücken die Gewalt habe.
Aus dem Vorigen erhellet, daß während dem Austrocknen
des Holzes die Krümmung sich fortsetzt und sich bis zu einem hohen Grade steigert, wie wir im Vorigen gar manche durch Vertrocknung zuerst entstehende und sichtbar werdende Spiralbewegung erkennen werden.
Die vertrockneten Schoten des Lathyrus furens, nach vollkommen abgeschlossener Reife der Frucht, springen auf und rollen sich jede nach auswärtser Richtung streng zusammen. Bricht man eine solche Schote auf, ehe sie vollkommen reif ist, so zeigt sich gleichfalls diese Schraubenrichtung, nur nicht so stark und nicht so vollkommen.
Die grade Richtung ähnlicher Pflanzenteile wird verschiedentlich gleichermaßen abgelenkt. Die Schoten der im
feuchten Sommer wachsenden Schwertbohnen fangen an
sich zu winden, einige schneckenartig, andere in vollkommener Spirale.
Die Blätter der italienischen Pappel haben sehr zarte straffe Blattstiele. Diese, von Insekten gestochen, verlieren ihre gerade Richtung und nehmen die spirale alsobald an, in zwei oder auch mehreren Windungen.
Schwillt das Gehäus des eingeschlossenen Insekts hiernach
auf, so drängen sich die Seiten des erweiterten Stiels dergestalt aneinander, daß sie zu einer Art von Vereinigung
gelangen. Aber an diesen Stellen kann man das Nest leicht auseinander brechen und die frühere Gestaltung des gewundenen Stiels gar wohl bemerken.
Pappus am Samen des Erodium gruinum; der bis zur völligen Reife und Vertrocknung vertikal an der Stütze, um welche
die Samen versammelt sind, sich strack gehalten, nunmehr
aber sich schnell elastisch ringelt und sich dadurch selbst umherwirft.
Wir haben zwar abgelehnt, von den Spiralgefäßen als solchen besonders zu handeln, finden uns aber doch genötigt,
noch weiter zu der mikroskopischen Elementar-Botanik
zurückzugehen und an die Oszillarien zu erinnern, deren
ganze Existenz spiral ist. Merkwürdiger vielleicht sind noch
die unter den Namen Salmacis aufgeführten, wo die Spirale aus lauter sich berührenden Kügelchen besteht.
Solche Andeutungen müssen aufs leiseste geschehen, um
uns an die ewige Kongruenz zu erinnern.
Wenn man die Stiele des Löwenzahns an einem Ende aufschlitzt, die beiden Seiten des hohlen Röhrchens sachte voneinander trennt, so rollt sich jede in sich nach außen
und hängt in Gefolg dessen als eine gewundene Locke
spiralförmig zugespitzt herab, woran sich die Kinder
ergötzen und wir dem tiefsten Naturgeheimnis nähertreten.
Da diese Stengel hohl und saftig sind, folglich ganz als Splint angesehen werden können, die Spiraltendenz aber dem Splint als dem lebendig Fortschreitenden angehört,
so wird uns hier zugleich mit der stracksten vertikalen Richtung noch das verborgenste Spiralbestreben vor die Augen gebracht. Vielleicht gelänge es durch genauere, auch wohl mikroskopische Behandlung, das Verflechten der Vertikal- und Spiraltextur näher kennen zu lernen.
Ein glückliches Beispiel, wie beide Systeme, mit denen
wir uns beschäftigen, sich nebeneinander höchst bedeutend entwickeln, gibt uns die Valisneria, wie wir solche aus den neuesten Untersuchungen des Kustoden am königlichen botanischen Garten zu Mantua, Paolo Barbieri kennen lernen. Wir geben seinen Aufsatz auszugsweise
übersetzt, mit unsern eingeschalteten und angefügten Bemerkungen, insofern wir den beabsichtigten Zwecken dadurch näher zu treten hoffen.
Die Valisneria wurzelt im Grunde eines nicht allzu tiefen stehenden Wassers, sie blüht in den Monaten Juni, Juli und August, und zwar in getrennten Geschlechtern. Das
männliche Individuum zeigt sich auf einem grad aufstrebenden Schaft, welcher, sobald er die Oberfläche des Wassers erreicht, an seiner Spitze eine vierblättrige (vielleicht dreiblättrige) Scheide bildet, worin sich die Fruchtwerkzeuge angeheftet an einem konischen Kolben befinden.
Wenn die Stamina noch nicht genugsam entwickelt sind, so ist die Hälfte der Scheide leer, und beobachtet man
sie alsdann mikroskopisch, so findet man, daß die innere
Feuchtigkeit sich regt, um das Wachstum der Scheide zu
befördern, und zu gleicher Zeit im Stiele sich kreisförmig
bewegend zum Kolben, der die Stamina trägt, hinaufstrebt, wodurch Wachstum und Ausdehnung des Kolbens
zugleich mit dem Wachstum der Befruchtungswerkzeuge
erzweckt wird.
Durch diese Zunahme des Kolbens jedoch ist die Scheide
nicht mehr hinreichend, die Stamina zu umhüllen; sie teilt sich daher in vier Teile, und die Fruchtwerkzeuge, sich von dem Kolben zu Tausenden ablösend, verbreiten sich schwimmend auf dem Wasser, anzusehen wie silberweiße Flocken, welche sich nach dem weiblichen Individuum
gleichsam bemühen und bestreben. Dieses aber steigt aus dem Grunde der Wasser, indem die Federkraft seines Spiralen Stengels nachläßt, und eröffnet sodann auf der Oberfläche eine dreigeteilte Krone, worin man drei Narben bemerkt. Die auf dem Wasser schwimmenden Flocken streuen
ihren Staminalstaub gegen jene Stigmen und befruchten
sie; ist dieses geleistet, so zieht sich der Spiralstengel des Weibchens unter das Wasser zurück, wo nun die Samen, in einer zylindrischen Kapsel enthalten, zur endlichen Reife gelangen.
Alle die Autoren, welche von der Valisneria gesprochen
haben, erzählten die Art der Befruchtung auf verschiedene
Weise. Sie sagten, der ganze Komplex der männlichen
Blume löse sich los von dem kurzen, unter dem Wasser
beharrlichen Stengel, von welchem er sich durch heftige
Bewegung absondere und befreie. Unser Beobachter versuchte Knospen der männlichen Blumen von ihrem Stengel abzulösen und fand, daß keine auf dem Wasser hin und
wider schwamm, daß alle vielmehr zu Grunde sanken. Von größerer Bedeutung aber ist die Struktur, wodurch
der Stengel mit der Blume verbunden wird. Hier ist keine
Artikulation zu sehen, welche sich doch bei allen Pflanzenorganen findet, die sich trennen lassen. Derselbe Beobachter untersuchte die silberweißen Flocken und erkannte
sie als eigentliche Antheren; indem er den Kolben leer von allen solchen Gefäßen fand, so bemerkte er an demselben zarte Fäden, woran noch einige Antheren befestigt waren, die auf einem kleinen dreigeteilten Diskus ruhten,
welches gewiß die dreigeteilten Korollen sind, worin die Antheren eingeschlossen waren.
Indem wir nun dieses merkwürdige, vielleicht an anderen
Pflanzen sich wiederholende Beispiel der Betrachtung
nachdenkender Naturforscher empfehlen, so können wir
nicht unterlassen, diese augenfällige Erscheinung, einiges
wiederholend, ferner zu besprechen.
Die Vertikaltendenz ist hier dem männlichen Individuum
eigen; der Stengel steigt ohne weiteres gerade in die Höhe,
und wie er die Oberfläche des Wassers erreicht, entwickelt
sich unmittelbar die Scheide aus dem Stengel selbst, genau
mit ihm verbunden, und hüllt den Kolben ein, nach Analogie der Calla und ähnlicher.
Wir werden dadurch das Märchen los von einem Gelenke,
das ganz unnatürlich zwischen dem Stengel und der Blume
angebracht, ihr die Möglichkeit verschaffen sollte, sich abzulösen und lüstern auf die Freite zu gehen. An Luft und Licht und ihren Einflüssen entwickelt sich erst die männliche Blüte, aber fest mit ihrem Stengel verbunden; die Antheren springen von ihren Stielchen und schwimmen
lustig auf dem Wasser umher. Indessen mildert der Spiralstengel des Weibchens seine Federkraft, die Blume erreicht die Oberfläche des Wassers, entfaltet sich und nimmt
den befruchtenden Einfluß auf. Die bedeutende Veränderung, welche nach der Befruchtung in allen Pflanzen vorgeht, und welche immer etwas auf Erstarrung hindeutet,
wirkt auch hier. Die Spiralität des Stengels wird angestrengt, und dieser bewegt sich wieder zurück, wie er gekommen ist, worauf denn der Same zur Reife gedeiht.
Gedenken wir an jenes Gleichnis, das wir oben von Stab und Convolvel gewagt haben, gehen wir einen Schritt weiter und vergegenwärtigen uns die Rebe, die sich um
den Ulmbaum schlingt, so sehen wir hier das Weibliche
und Männliche, das Bedürftige, das Gewährende nebeneinander in vertikaler und spiraler Richtung von der Natur unsern Betrachtungen empfohlen.
Kehren wir nun ins Allgemeinste zurück und erinnern an
das, was wir gleich anfangs aufstellten: das vertikal- sowie
das spiralstrebende System sei in der lebendigen Pflanze
aufs innigste verbunden; sehen wir nun hier jenes als entschieden männlich, dieses als entschieden weiblich sich erweisen: so können wir uns die ganze Vegetation von der Wurzel auf androgynisch ingeheim verbunden vorstellen; worauf denn in Verfolg der Wandlungen des Wachstums
die beiden Systeme sich im ofienbaren Gegensatz auseinander sondern und sich entschieden gegeneinander überstellen, um sich in einem höhern Sinne wieder zu
vereinigen.
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