Handschriftlich. Wohl 1793
Wenn der billige Wunsch, die Farbenlehre durch mehrere Naturfreunde gemeinschaftlich behandelt zu sehen, in Erfüllung gehen sollte, so ist vorauszusetzen, daß man suche, von einem Standorte auszugehen, sich über einige Punkte zur Leitung der Arbeit zu vereinigen.
Man kann keine völlig ausgearbeitete unwidersprechliche Sätze zum Grunde legen, denn wir arbeiten ja, erst diese zu finden. Wir wollen suchen, nicht beweisen, und der Leitfaden, an dem wir ausgehen, möchte so hypothetisch sein als er will, wenn er uns nur dient, unsern Weg, wohin wir ihn auch nehmen, zu verfolgen und zurückzufinden.
Nachstehende Resultate habe ich aus vielen Arbeiten gezogen und finde im Fortarbeiten bequem, sie vor Augen zu haben; ich wünsche, daß sie andern auch nützlich sein mögen.
Wir kennen nur zwei ganz reine Farben, welche, ohne uns einen Nebeneindruck zu geben, ohne an etwas anders zu erinnern, von uns wahrgenommen werden.
Es sind Gelb und Blau.
Sie stehen einander entgegen, so wie nur ein irgend uns bekannter Gegensatz. Die reine Existenz der einen schließt die reine Existenz der andern völlig aus, sie haben aber eine Neigung gegeneinander, als zwar entgegengesetzte aber nicht widersprechende Wesen; jede einzeln betrachtet macht einen bestimmten und höchst verschiedenen Effekt, nebeneinander gestellt machen sie einen angenehmen Eindruck aufs Auge, miteinander vermischt befriedigen sie den Blick. Diese gemischte Farbe nennen wir
Grün.
Dieses Grün ist die Wirkung der beiden vermischten, aber nicht vereinigten Farben, in den meisten Fällen lassen sie sich sondern und wieder zusammensetzen.
Wir kehren zurück und betrachten die beiden Farben Gelb und Blau abermals in ihrem reinen Zustande und finden, daß sie auch heller und dunkler ohne Veränderung ihrer Eigenheit dargestellt werden können.
Wir nehmen z. B. rein aufgelöstes Gummi Gutti und streichen davon auf ein Papier; sobald es getrocknet, überstreichen wir einen Teil zum zweitenmal und so fort, und wir finden, daß, je mehr Farbenteilchen das Papier bedecken, je dunkler die Farbe wird. Eben diesen Versuch machen wir mit fein geriebenem Berliner Blau.
Wir können zwar auch die hellere Farbe dunkler erscheinen machen, wenn wir das Papier vorher mit einer leichtern oder stärkern Tusche überziehen und dann die Farbe darüber ziehen. Allein von der Vermischung mit Schwarz und Weiß darf bei uns nicht die Rede sein. Bei uns fragt sichs nur: sind die Farbenteile näher oder entfernter beisammen? jedoch in völliger Reinheit.
Auf obgemeldete Weise verstärken wir die Farbe nicht lange, so finden wir, daß sie sich noch auf eine andere Weise verändert, die wir nicht bloß durch dunkler ausdrücken können. Das Blaue nämlich sowohl als Gelbe nehmen einen gewissen Schein an, der, ohne daß die Farbe heller werde als vorher, sie lebhafter macht, ja man möchte beinahe sagen, sie ist wirksamer und doch dunkel. Wir nennen diesen Effekt
Rot.
So ist ein reines trocknes Stück Gummi Gutta auf dem Bruche schon orangengelb. Man lege es gegen ein Stück schön rot Siegellack, und man wird wenig Unterschied sehen. Ebenso schimmert das gute Berliner Blau, der echte Indig auf dem Bruche ins Violette. Der Chemiker wird uns durch Verdickung der Liquore die schönsten Beispiele liefern.
Rot nehmen wir also vorerst als keine eigene Farbe an, sondern kennen es als Eigenschaft, welche dem Gelben und Blauen zukommen kann. Rot steht weder dem Blauen noch dem Gelben entgegen, es entsteht vielmehr aus ihnen, es ist ein Zustand, in den sie versetzt werden können, und zwar durch Verdichtung, durch Aneinanderdrängung ihrer Teile; geteilte rote Blutkügelchen legen ihre rote Farbe ab und nehmen eine gelbe an. Man nehme nun das Gelbrote und das Blaurote beides auf seiner höchsten Stufe und Reinheit, man vermische beide, so wird eine Farbe entstehen, welche alle übrigen an Pracht, besonders wenn die Farben emphatisch sind, übertrifft, es ist der
Purpur
der so viel Nuancen haben kann, als es Übergänge vom Gelbroten zum Blauroten geben kann. Diese Vermischung geschieht am reinsten und vollkommensten bei den prismatischen Versuchen. Die Chemie wird uns die Übergänge sehr interessant zeigen. Wie es mit Pigmenten geschehen könne, wird der Maler angeben.
Wir kennen also nur folgende Farben und Verbindungen:
Purpur
Gelbrot,
Gelb
Purpur
Blaurot
Blau
Es läßt sich auch dieses Schema in einem Farbenkreise bequem darstellen.
Wir kennen, wie oben schon gesagt, keine Verdunklung derselben durch Schwarz welches immer zugleich eine Beschmutzung mit sich führt und unnötig die Zahl der Farbenabstufungen vermehrt.
Wir enthalten uns gleichfalls der Vermischung mit Weiß^ obgleich dieses unschuldiger ist und bei trocknen Pigmenten ohngefähr eben das wäre, was das Zugießen des Wassers bei farbigen Liquoren ist.
Das Schwarze bleibt uns wie das Weiße farblos, und wird uns in der Kunst nur Licht und Dunkel und farblosen Schatten durch Mischung vorstellen. Wir vermischen auch nicht die im Schema verschränkt stehenden Farben als Purpur und Grün, Blaurot und Gelb, Gelbrot und Blau, als wodurch nur schmutzige Farben entstehen können. Über diese und deren Gebrauch wird uns der Maler bei Nachahmung natürlicher Gegenstände, der Färber bei Hervorbringung der Modefarben belehren.
Da wir uns hier bemühen, das Reinste, Abstrakteste, was auf alle Fälle anwendbar sein sollte, darzustellen, so haben wir uns alles desjenigen zu enthalten, was unser Schema verunreinigen, es komplizieren und unsicher machen könnte.
Der Erfolg mag das Vorgetragene rechtfertigen oder verbessern. Der Kritiker wird künftig die Farbenpyramide, das Farben -Lexikon, das Farben-Dreieck und sonstige Bemühungen beurteilen und jedem seinen Platz in der Wissenschaft und der Benutzung anweisen.
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