Indem wir die Stirnbeine mehrerer Tiere vor uns nehmen,
sie betrachten und einen allgemeinen Charakter des Stirnknochens anzugeben suchen: so sehen wir abermals, daß
wir uns von dem Begriff, den uns der menschliche Stirnknochen eingeprägt, völlig entfernen müssen.
Zuvörderst ist zu bemerken, daß dieser Knochen allerdings ein gepaarter Knochen ist und jeder Teil und jede
Hälfte vor sich betrachtet werden kann.
Nehmen wir einen solchen einzelnen Stirnknochen vor
uns und betrachten ihn von innen im Durchschnitt: so sehen wir, daß dieser Knochen inwendig zwei Kammern
bildet, wovon die hintere die lobos cerebri anteriores die vordere das Labyrinth des Siebbeins bedeckt.
Durch den Grat des Siebbeins und durch die Siebfläche werden obgedachte beide Kammern auf die merkwürdigste
Weise gebildet.
Man kann nämlich bei dem Stirnbein ganz deutlich das
innere und äußere Knochenblatt und zwischen beiden die
diploe bemerken: der Grat oder der Rücken des Siebbeins, welcher unten mit dem osse sphenoideo verbunden ist, setzt sich an das innere Knochenblatt des Stirnbeins an, hält dasselbe fest und bildet gegen die Nase zu ein Gewölbe,
welches die hintere Kammer von der vordem absondert. Indem nun aber das äußere Knochenblatt in seiner geraden Richtung fortwächst, entstehen mehr oder weniger
große sinus frontales. Vor und unter dem Grate des Siebbeins steigt das untere Knochenblatt wieder in die Höhe,
indem es an dem äußeren Ende der Stirne, gegen die Nase zu, mit dem oberen Knochenblatte sich wieder verbindet. Auf diese Weise also entstehen die sinus frontales indem das sowohl hinterwärts als vorwärts dem
oberen Knochenblatt verbundene untere Knochenblatt von dem Grate des Siebbeins festgehalten und von dem
oberen Knochenblatte getrennt wird. Diese Verbindung
des ossis ethmoidei mit dem unteren Knochenblatte geschieht bald hinter der Hälfte des ganzen Gewölbes des
Stirnknochens, oder vor der Hälfte. In dem ersten Falle wird natürlich die hintere Kammer, in diesem die vordere Kammer kleiner, und in jenem nimmt besonders der Labyrinth einen sehr großen Raum ein.
Wir werden also bei einem jeden Stirnknochen, welchen
wir vor uns nehmen, zuerst das Verhältnis dieser beiden
Kammern, des Grates des Siebbeins, der daher entstehenden sinum frontalium anteriorum betrachten und beschreiben. Die zweite merkwürdige Wirkung auf das Stirnbein
hat die Verbindung desselben mit dem Wangenbein. Je mehr das Stirnbein mit dem Wangenbeine wirklich verbunden ist, je weniger Ligament zwischen beiden sich befindet, desto mehr Knochenmaterie hat der Stirnknochen hergeben müssen, um dinprocesstim zygomaticum zu bilden, desto mehr hat es Gewalt erlitten, desto mehr Widerstand
auszuhalten gehabt. Darum hier gerade der umgekehrte
Fall entstehet und das äußere Knochenblatt angezogen
wird, indessen das Innere auch durch seinen bestimmten
Wachstum an das Gehirn anschließt. So entstehen hier durch die sinus fronitales laterales welche einen hohlen
Raum über den Augen bilden und bis in den processum
zygomaticum ossis frontis sich erstrecken.
Die dritte Bemerkung, welche wir bei einem Stirnknochen, der vor uns liegt, zu machen haben, ist: ob die Nachbarschaft der Augen Einfluß auf dessen innere Fläche habe
oder nicht. In dem Falle, daß die Nähe der Augen Einfluß auf den Stirnknochen hat, geschieht solches immer
da, wo derselbe mit dem Flügel des Keilbeins in Verbindung stehet. Es wird die ganze Fläche des Stirnbeins mehr oder weniger einwärts gedruckt und der freie Wachstum des Keilbeinflügels mehr oder weniger gehindert. Zu
gleicher Zeit wirkt auch dieser Druck auf die beiden Seitenflächen des Siebbeins; sie werden mehr zusammengedruckt,
und es entstehet eine mehr oder weniger trichterförmige
Gestalt, welche von der konvexen Gegenseite der Augenhöhlen gebildet wird, in deren Grunde das sehr zusammen geengte Siebbein liegt. Es gibt mehrere Tiere, auf deren
inneres Stirngewölbe die Nachbarschaft der Augen keinen
Einfluß hat, bei denen die vordem lobi des Gehirns sich
frei ausbreiten, die hintern Flügel des vordem Keilbeins
frei fortwachsen und das Siebbein unvertieft auf einer
freien Fläche der hintern Stirnkammer liegt. Dieser Fall
ist deutlich an dem Pferdeschädel zu sehen, bei welchem
Tiere die Augen weit vorwärts und weit auseinander liegen.
Der entgegengesetzte Fall, dessen wir oben erwähnt, wo
das Siebbein sehr geengt auf den Boden eines Trichters zusammengedrängt ist, zeigt sich am Affen. Mehr Beispiele
und mittlere Bestimmungen wird künftig die ausübende
Vergleichung vorlegen.
Noch eine merkwürdige Verbindung ist die des Stirnbeins mit dem hintern Flügel des Keilbeins, von welcher aber
erst in der Folge gesprochen werden kann. Die Scheitelbeine stoßen an dasselbe gleichfalls an. Auch
hiervon kann das Nötige erst in der Folge beigebracht
werden.
Die Beschreibung der allgemeinen Gestalt dieses Knochens
läßt sich nach dem Vorhergehenden leicht ausführen. Es ist das Stirnbein eine Knochenschale, deren beide
Blätter auf eine merkwürdige Weise voneinander getrennt,
und deren Bildung durch die daran grenzenden festen, durch die daran rührenden weichen Teile auf die mannigfaltigste Weise verändert wird. Durch diese beiden Bestimmungen unterscheiden sie sich sehr von den Scheitelbeinen, welche zwar niemals Knochenhöhlen enthalten,
und zwar von ihren Nachbarknochen auch determiniert, aber nicht so mannigfaltig verändert werden. Der Rücken
des Siebbeins und der sich damit verhindende Processus
falcifonnis bilden die innere und hintere Kammer, auf welche die Nachbarschaft der Augen mehr oder weniger
Einfluß hat. Die vordere Kammer, welche durch den Labyrinth des Siebbeins ausgefüllt wird, wie auch die sintis frontales bilden sich dadurch von selbst. Die vordere Kammer bleibt entweder in ihrer ganzen Ausdehnung wie bei den meisten Tieren, oder sie wird auch
durch die Nachbarschaft der Augen mehr oder weniger
zusammengedruckt.
Die stärkste Disproportion zwischen beiden Kammern ist bei dem Menschen, wo die innere Kammer völlig überwiegend, die äußere gänzlich aus ihrer Lage gebracht und
völlig Null wird, so wie auch die Stirnhöhlen, ohne Vorausschickung jener Betrachtung und Beobachtung, am Menschen nicht begriffen werden können.
VII. Das Keilbein
Wie sonderbar die Gestalt dieses Knochens, wie unbequem die Beschreibung desselben, wie schwer dessen Verbindung mit andern Knochen zu fassen, ist allgemein bekannt. Und wir würden bei Betrachtung der Tiergestalt
noch in größere Verwirrung geraten, wenn uns die Natur
nicht selbst das Rätsel aufklärte.
Es teilt sich nämlich schon bei dem Menschen dieser Knochen in mehrere Teile: es sondern sich nämlich die
Seitenteile, welche wir unter den Namen der großen
Flügel und der schwertförmigen Fortsätze kennen, von dem Körper ab; und es scheint also dieser Knochen aus
fünf Teilen zu bestehen. Allein es bleibt uns auch noch
so die eigentliche Beschaffenheit desselben verborgen,
denn wir können nicht bemerken: daß der Körper auch
eigentlich aus zwei Teilen besteht.
Auf eine Vermutung, daß dem also sei, können wir gebracht werden, wenn wir den Körper der Länge nach in zwei Teile sägen, da wir denn eine Scheidewand finden,
welche den hintern Teil des Knochens von dem vordem
trennt. Allein diese Scheidewand ist so dünn, der Körper
so genau zu einem Teile verbunden, daß wir kaum eine Vermutung fassen können. Glücklicherweise gibt uns die Natur an den Tieren den Aufschluß. Wir finden an jungen
Tieren nicht allein den Körper dieses Knochens in zwei
Teile getrennt, welche zusammen durch einen Knorpel
verbunden sind, sondern wir können auch dessen übrige Teile weit entfalteter bemerken. Ja es verwächst sogar
bei älteren Tieren der Körper des hinteren Keilbeins oft mit der parte pasilare des Hinterhauptbeins, wenn der Körper desselben noch von dem Körper des vorderen
Keilbeins leicht zu trennen ist. Ich behalte hier abermals den Namen des Keilbeins bei, um keine neue Terminologie
unnötigerweise beizubringen; ich bin nur genötiget, zwei
dieser Knochen zu setzen, welche noch immer, wie zwei
aneinander gedrängte Keile, den Grund der Hirnhöhle
auseinanderhalten. Nach der von mir einmal ergriffenen
und zu rechtfertigenden Methode beschreibe ich hier nur
das vordere Keilbein, weil dieses eigentlich seinen vornehmsten Bezug auf die Stirne hat. Es bestehet dieses Keilbein aus einem Körper, welcher im allgemeinen mit
dem Körper des Wirbelbeins verglichen werden kann. Es
ist derselbe, wenn man in die Quer durchschneidet, dreieckicht, anstatt daß der Körper des hinteren Keilbeins mehr
viereckicht erscheint; beide haben oben, wo das Gehirn
liegt, ihre größten Flächen, allein der Körper des vordern ist unten mehr zugespitzt als flach, und nähert sich schon
der Gestalt der Pflugschar, deren hinterer Teil schon an
ihn anschließt.
Auf seiner obern Fläche hat dieser Körper jederzeit die mehr oder weniger zusammengedrängten foramiua optica, und man sieht daraus, daß er in dem Teile des menschlichen ossis sphcnoidei begriffen ist, an welchen die ricessus clinoidei befestigt sind. Nach vornen verbindet sich die Fläche des Körpers auf mancherlei Weise mit dem
osse ethmoideo.
Über foraminibus opticis breiten sich zu beiden Seiten
ein paar Flügel ober- und seitwärts aus. In ihrer Ausbreitung nach vornen oder hinten wechseln sie ab, worüber in der Folge speziellere Betrachtungen mitgeteilt
werden sollen. Es sind dieses die größten Flügel, gewöhnlich an beiden Keilbeinen.
Sie verbinden sich vorzüglich mit dem Stirnknochen mit
ihren vordem und Seitenrändern, und stoßen hinten mehr
oder weniger mit den Flügeln des hintern Keilbeins zusammen. Sie helfen den Rand bilden, an den sich vornen
das Siebbein anlegt; ingleichen bilden sie mit den hintern Flügeln cessuravi orbitalem anteriorem.
Sie dienen den vordem lobis cerebri mehr oder weniger zum Bette, man sieht also, daß sie in allem den Platz der
kleinen Flügel oder der sonst sogenannten schwertförmigen
Fortsätze einnehmen.
Von dem Körper und zugleich von dem vorderen unteren Ende dieser Flügel gehen ein paar
Fortsätze ab, welche, so mannigfaltige Gestalten sie auch
bei verschiedenen Tieren annehmen, doch meistens eine Art Höhlung gegen das Siebbein zu bilden helfen. Ich würde sie Processus anteriores oder ethmoideos ossis prim cuneiformis nennen.
An den Körper dieses Beins legen sich nach unten und
hinten ein paar Fortsätze an, welche sehr verschiedene
Gestalten annehmen, immer aber darin miteinander übereinkommen, daß sie eine flache Gestalt haben und sich an den Körper des Knochens nur wenig anlegen, sich
jederzeit über den Körper des hintern Keilbeins herüber
schieben, sich mit dem Gaumenbeine verbinden und den hamulum pterygoidei bilden, woraus man sieht, daß sie die inneren Fortsätze an dem menschlichen Keilbein vertreten. Es ist in der Folge über diesen Teil Verschiedenes
nachzuholen.
Also hilft dieses vordere Keilbein die Stirn nach unten und hinten zu [abschließen]; seine Verbindungen sind sehr
leicht zu sehen, seine Gestalt ist einfach; und auch, selbst mit der menschlichen Bildung verglichen, klärt diese Einteilung, welche uns die Natur anzeigt, eher auf, als daß
sie Verwirrung machen sollte.
Betrachten wir das von uns bisher aufgeführte Gebäude
im Ganzen, so können wir fortfahren, die Teile desselben untereinander zu vergleichen und die bisher nur nebeneinander gestellten Dinge uns durch die lebendige Kraft des Urteils auch lebendiger zu machen.
Bei unserer ersten Zusammenstellung fanden wir drei Knochen, welche von einerlei Art schienen und sich untereinander stellen ließen. So finden wir, daß auch gegenwärtig die ferneren Teile sich untereinander vergleichen
lassen. Es haben nämlich die Stirn- und Nasenknochen
das untereinander gemein, daß sie flache Knochen und
Decken der untern Teile sind, ob sie gleich ihrer Größe
nach kaum Vergleichung noch zuzulassen scheinen.
Der Labyrinth und die Muscheln sind [ihrem] Bau, Gewebe und Bestimmung nach verwandt.
Das vordere Keilbein läßt sich mit dem Siebbein gewissermaßen vergleichen, wie schon geschehen ist und noch
weiter ausgeführt werden wird. Wir machen hier einen
Abschnitt, der sich sowohl dem Gehäuse nach als nach
dem, was darin enthalten, rechtfertigen läßt.
Auf dem vordem Teil des Keilbeins, auf dem Siebbein, unter der Decke des Innern Stirnknochengewölbes ruhen
die vordern lobi des Gehirns. Von eben dieser Gegend
entspringen die vorzüglichsten Nerven der vordem Sinne,
und wir können uns nunmehr an den zweiten Abschnitt
des Schädels wenden, welcher einfach, leichter zu denken
und vor- und rückwärts zu verbinden ist.
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