Über die Farbenerscheinungen, die wir bei Gelegenheit der Refraktion
Handschriftlich. 1793
Einleitung
1. Die Wirkung der Refraktion, wodurch die Lichtstrahlen von ihrem Wege abgelenkt werden, wodurch uns das Bild eines Gegenstandes an einem
andern Orte erscheint, als es sich wirklich befindet, ist ein sehr merkwürdiges Phänomen. Die Erfahrungen und
Versuche, unter welchen Umständen sie bemerkt wird, die Gesetze, nach welchen sie sich äußert, sind von den Naturforschern beobachtet, geordnet und berechnet worden.
Ich setze voraus, daß man wenigstens im allgemeinen mit
dieser Lehre bekannt sei, indem ich nur von den apparenten Farben zu handeln gedenke, welche uns bei dieser Gelegenheit erscheinen.
2. Diese Farbenerscheinungen sind unter gewissen Umständen so lebhaft, schön und überraschend, daß sie die Aufmerksamkeit der Naturforscher von jeher billig auf sich gezogen haben. Einige dieser Phänomene haben zu der
fast allgemein angenommenen Theorie Anlaß gegeben,
und doch ist mir unbekannt, daß die Erfahrungen und Versuche jemals vollständig gesammlet und in ihrer natürlichen Ordnung aufgestellt worden. Wir wollen versuchen, ob
wir diese Erscheinungen bis zu ihren ersten Spuren verfolgen können; wir wollen sie von da bis auf den höchsten Grad ihrer Schönheit begleiten und ihnen alsdann bis dahin folgen, wo sie wieder verschwinden, und durch diesen
Zirkel die Gesetze dieser Erscheinung an den Tag zu bringen bemüht sein.
3. Vorher aber ist es nötig, daß wir die verschiedenen
Versuche, welche wir bei dieser Gelegenheit anstellen,
im allgemeinen betrachten und, was wir dabei zu bemerken finden, festsetzen. Alle Versuche, welche bei dieser Gelegenheit vorkommen, lassen sich einteilen in
objektive
subjektive
verbundene und
gemischte Versuche.
4. Objektive nenne ich diejenigen, wo das brechende Mittel
sich nicht zwischen der Erscheinung und dem Beobachter
findet, z. B. wenn wir das Sonnenlicht durch das Prisma
fallen lassen und das farbige Bild an der Wand erblicken.
5. Subjektive nenne ich, wenn das brechende Mittel zwischen der Erscheinung und dem Auge des Beobachters
sich befindet, z. B. wenn wir ein Prisma vor die Augen
halten und schwarze und weiße Tafeln dadurch betrachten und die Ordnung der Farbenerscheinung an selbigen
wahrnehmen.
6. Wir werden genau zu bestimmen suchen, worin diese
beiderlei Arten von Versuchen miteinander übereinkommen, und worin sie voneinander verschieden sind. Wir
werden sie nebeneinander stellen und sehen, inwiefern
sie miteinander gleichen Schritt halten oder voneinander
abweichen. Auf diese genaue Absonderung kommt sehr
viel an, da man sie gewöhnlich nur promiscue zu gebrauchen pflegt.
7. Kennen wir diese Versuche genau, so werden wir sie desto eher beurteilen können, wenn wir sie in Verbindung
untereinander zu betrachten haben. Es werden uns sehr merkwürdige und sehr komplizierte Phänomene nicht irre machen, welche uns durch diese verbundene Versuche dargestellt werden.
8. Gemischte Versuche nenne ich zum Unterschied unreine,
ohne Methode und Zweck vereinigte Versuche der objektiven und subjektiven Phänomene, welche nur alsdann vorkommen werden, wenn wir imstande sind, die Bemühungen unserer Vorgänger kritisch zu beurteilen.
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