Die Organe, durch welche sich die bedeutende Scheidung der Pflanzenteile bestimmen soll, von welchen
die einen nach der Erde, dem Feuchten und der Finsternis, die andern aufwärts nach Luft und Licht eine entschiedene Richtung und Sehnsucht aussprechen, liegen
schon im Samen und können in manchen Fällen deutlich erkannt werden. Diesen Punkt, wo solches in die Erscheinung tritt, können wir als auf oder nahe unter der Oberfläche der Erde sich manifestierend annehmen. Nun aber
hat sich die Natur viele Freiheit gelassen, Blätter oder
Blätterpaare näher oder ferner von diesem Punkte hervorzubringen. Bei den Monokotyledonen entspringt das keimende Blatt auf eben diesem Punkte, kein Zwischenraum
trennt die Wurzel und den Kotyledon. Gab es Fälle, wo
es geschieht, so ist im allgemeinen nicht darauf zu achten. Auch bei Dikotyledonen kommt es vor, daß die Samenblätter schon ganz nahe an dem Wurzelpunkte sich entwickeln, aber es entfernt sich gewöhnlich von demselben
das erste Blätterpaar, welches wir in den mannigfaltigsten Gestalten vorhanden sehen, und strebt in die Luft. Dadurch entsteht eine Art von Stielchen, welches wie die Samenblätter in sich endigt; man hat es cailiculus genannt. Dieses Stengelchen kann sich weit von der Trennungsstelle, von der Wurzel entfernen und hoch aufsprießen.
Wir haben ein Beispiel vor uns eines Ricinus communis (o), wo der cauliculus acht Zoll Leipziger
Maß ausweist.
Bild
Nach meiner Vorstellung ist nun der Punkt, wo sich der
Stengel von der Wurzel unterscheidet, eigentlich ein ideeller und kann nicht für den ersten Knoten gelten. Mir bildet die Erscheinung der zwei Blätter bei den Dikotyledonen
den ersten Knoten, und die beiden Organe, welche an demselben hervorstehen, sind mir wahre Blätter, sie mögen
durch Aufblähung noch so unkenntlich geworden sein. In dieser Eigenschaft als Blätter haben sie ein Recht, ja die Obliegenheit, Augen hervorzubringen, indem sie zugleich aufwärts den folgenden Knoten mit seinen Blattgipfeln ausbilden. Wollte jemand, wie es wohl geschieht,
den Scheidepunkt zwischen Wurzel und Stengel als den
ersten Knoten annehmen, so würden wir es nicht gerne
sehen, doch nichts dagegen einwenden, wenn man ihn den
Vorknoten, den anfänglichen nennen wollte; wir möchten
aber immer dabei bleiben, daß die Entwickelung der Samenblätter den ersten Knoten bezeichnet, indem hier für ein
geistiges Anschauen auch die wunderbarsten unförmlichen
Gestalten immer noch mit den folgenden entwickelten Blättern als analog gedacht werden können.
Inwiefern ich veranlaßt worden bin die Puffbohne, vicia faba, hier als Muster und Beweis anzuführen, sagt ein nächstfolgender kleiner Aufsatz, wobei nicht unbemerkt bleiben
wird, daß die Natur, die sich innerhalb der gesetzlichen Grenze alle Willkür vorbehält, noch gar andere wundersame Erscheinungen hervorbringen kann, von welchen uns
die umsichtigen Kenner dieses Faches gelegentlich belehren werden.
In der Entfernung der Knoten untereinander erlaubt sich die Natur die größte Willkür, sie nähert, sie entfernt,
sie trennt, sie verbindet sie; wer sich die Mühe gibt, die Räume zwischen ihnen, die sogenannten Internodien, zu beachten, der wird in große Mühseligkeit geraten.
Beispiele
Bei Bryophyllum calycinum, welches dikotyledonisch, aus den Blattwinkeln hervorgeht, gesellt sich bald ein Blatt des folgenden Knoten zu dem aufsteigenden Paare, so daß man nicht weiß, wohin er eigentlich gehört; sobald aber das dikotyledonische Streben mächtiger wird, so entfernen
sich die Knoten mehr voneinander, und eine solche Dreistellung kommt nicht wieder vor.
An den Weinreben schien uns merkwürdig, daß zwei Knoten
mit Gabeln vorkommen und der dritte immer ohne dieselbe. Dieser Knoten scheint eben adiaphor zu sein, denn
er rückt manchmal bis zu den folgenden Knoten hinauf,
oder, wenn man will, der folgende mit der Gabel zieht sich zu ihm herunter, so daß ganz deutlich ein doppelter
Knoten mit einer Vrille zu sehen ist. Das Nähere siehe Kap. 9 der botanischen Arbeiten.
Da eine ungeheure Masse von Pflanzen sich aus dem Samen
mit zwei Blättern oder wenigstens blattähnlichen Organen
entwickelt, so haben wir hier auf eine bedeutende Intention der Natur zu achten; der erste Knoten besteht daher schon
aus einer Zweiheit, zwei Blätter an demselben, hinter jedem
ein Auge, also schon die Vorbereitung und Rudimente
von zwei Pflanzen. Aus diesem einen, aber schon gedoppelten Knoten entspringen nun alle die folgenden Blätter und Knoten, und zwar im regelmäßigsten Falle, daß die beiden unteren Lebenspunkte nicht etwa jedes aus seiner Mitte das folgende hervorbringt, sondern da, wo sie aneinanderstoßen, der neue Lebenspunkt sich entwickelt, woraus denn also, indem sie beiderseits wirken, beim Aufsteigen des Wachstumes die beiden folgenden Blätter und
Augen regelmäßig alternieren.
Weil aber die Natur keine Regel hat, von der sie nicht abwiche, um eine grenzenlose Mannigfaltigkeit hervorzubringen, so behält sie sich vor, ein Blatt mit seinem Auge
allein hinaufzuschieben und das andere folgen zu lassen,
da dann die wunderbarsten Phänomene sich zeigen. Besonders bei dem ersten Fortschreiten, gleich nach den ersten dikotyledonischen Anfängen begegnet es, daß zu zwei hin- aufsprossenden Blättern sich das dritte gesellt, welches bei Bryophyllum calycinum wohl dreimal wiederholt wird, bis endlich das dikotyledonische Streben wieder überhand nimmt und die folgenden Blätter, mit ihren Augen hinter
sich, wieder regelmäßig alternieren.
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