> Gedichte und Zitate für alle: J.W.v.Goethe: Nachlese: Oden an meinen Freund (42)

2020-08-07

J.W.v.Goethe: Nachlese: Oden an meinen Freund (42)




      

  Oden an meinen Freund 

    Erste Ode 

Verpflanze den schönen Baum, 
Gärtner, er jammert mich. 
Glücklicheres Erdreich 
Verdiente der Stamm. 

Noch hat seiner Natur Kraft 
Der Erde aussaugendem Geize, 
Der Luft verderbender Fäulnis, 
Ein Gegengift, widerstanden. 

Sieh, wie er im Frühling 
Lichtgrüne Blätter schlägt! 
Ihr Orangenduft 
Ist dem Geschmeiße Gift. 

Der Raupen tückischer Zahn 
Wird stumpf an ihnen, 
Es blinkt ihr Silberglanz 
Im Sonnenscheine. 

Von seinen Zweigen 
Wünscht das Mädchen 
Im Brautkranze, 
Früchte hoffen Jünglinge. 

Aber sieh, der Herbst kömmt, 
Da geht die Raupe, 
Klagt der listigen Spinne 
Des Baums Unverwelklichkeit. 

Schwebend zieht sich 
Von ihrer Taxuswohnung 
Die Prachtfeindin herüber 
Zum wohltätigen Baum. 

Und kann nicht schaden. 
Aber die Vielkünstliche 
Überzieht mit grauem Ekel 
Die Silberblätter, 

Sieht triumphierend, 
Wie das Mädchen schaurend, 
Der Jüngling jammernd 
Vorübergeht. 

Verpflanze den schönen Baum, 
Gärtner, er jammert mich. 
Baum, danke dem Gärtner, 
Der dich verpflanzt! 

  Zwote Ode 

Du gehst! Ich murre. 
Geh! Laß mich murren. 
Ehrlicher Mann, 
Fliehe dieses Land. 

Tote Sümpfe, 
Dampfende Oktobernebel 
Verweben ihre Ausflüsse 
Hier unzertrennlich. 

Gebärort 
Schädlicher Insekten, 
Mörderhülle 
Ihrer Bosheit. 

Am schilfichten Ufer 
Liegt die wollüstige, 
Flammengezüngte Schlange, 
Gestreichelt vom Sonnenstrahl. 

Fliehe sanfte Nächtgänge 
In der Mondendämmerung, 
Dort halten zuckende Kröten 
Zusammenkünfte auf Kreuzwegen. 

    Schaden sie nicht, 
    Werden sie schrecken. 
    Ehrlich Mann, 
    Fliehe dieses Land! 


Dritte Ode 

Sei gefühllos! 
Ein leichtbewegtes Herz 
Ist ein elend Gut 
Auf der wankenden Erde. 

Behrisch, des Frühlings Lächeln 
Erheitre deine Stirne nie; 
Nie trübt sie dann mit Verdruß 
Des Winters stürmischer Ernst. 

Lehne dich nie an des Mädchens 
Sorgenverwiegende Brust, 
Nie auf des Freundes 
Elendtragenden Arm. 

Schon versammelt 
Von seiner Klippenwarte 
Der Neid auf dich 
Den ganzen, luchsgleichen Blick, 

Dehnt die Klauen, 
Stürzt und schlägt 
Hinterlistig sie 
Dir in die Schultern. 

Stark sind die magern Arme 
Wie Pantherarme, 
Er schüttelt dich 
Und reißt dich los. 

Tod ist Trennung, 
Dreifacher Tod 
Trennung ohne Hoffnung 
Wiederzusehn. 

Gerne verließest du 
Dieses gehaßte Land, 
Hielte dich nicht Freundschaft 
Mit Blumenfesseln an mir. 

Zerreiß sie! Ich klage nicht. 
Kein edler Freund 
Hält den Mitgefangnen, 
Der fliehn kann, zurück. 

Der Gedanke 
Von des Freundes Freiheit 
Ist ihm Freiheit 
Im Kerker. 

Du gehst, ich bleibe. 
Aber schon drehen 
Des letzten Jahrs Flügelspeichel 
Sich um die rauchende Achse. 

Ich zähle die Schläge 
Des donnernden Rads, 
Segne den letzten, 
Da springen die Riegel, frei bin ich wie du. 









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