> Gedichte und Zitate für alle: J.W.v.Goethe: Nachlese: An Schwager Kronos (56)

2020-08-13

J.W.v.Goethe: Nachlese: An Schwager Kronos (56)

  


     
        An Schwager Kronos             

In der Postchaise den 10. Oktober 1774 

  Spude dich, Kronos! 
  Fort den rasselnden Trott! 
  Bergab gleitet der Weg; 
  Ekles Schwindeln zögert 
  Mir vor die Stirne dein Haudern. 
  Frisch den holpernden 
  Stock, Wurzeln, Steine den Trott 
  Rasch ins Leben hinein! 

  Nun schon wieder 
  Den eratmenden Schritt 
  Mühsam Berg hinauf. 
  Auf denn, nicht träge denn! 
  Strebend und hoffend an. 

  Weit, hoch, herrlich der Blick 
  Rings ins Leben hinein; 
  Vom Gebürg zum Gebürg, 
  Über der ewige Geist 
  Ewigen Lebens ahndevoll. 

  Seitwärts des Überdachs Schatten 
  Zieht dich an 
Und der Frischung verheißende Blick 
Auf der Schwelle des Mädchens da. 
Labe dich! - Mir auch, Mädchen, 
Diesen schäumenden Trunk 
Und den freundlichen Gesundheitsblick! 

Ab dann, frischer hinab! 
Sieh, die Sonne sinkt! 
Eh sie sinkt, eh mich faßt 
Greisen im Moore Nebelduft, 
Entzahnte Kiefer schnattern 
                                   Und das schlockernde Gebein -                              . 

Trunknen vom letzten Strahl 
Reiß mich, ein Feuermeer 
Mir im schäumenden Aug, 
Mich Geblendeten, Taumelnden 
In der Hölle nächtliches Tor. 

Töne, Schwager, dein Horn, 
Raßle den schallenden Trab, 
Daß der Orkus vernehme: ein Fürst kommt, 
Drunten von ihren Sitzen 
Sich die Gewaltigen lüften. 

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