> Gedichte und Zitate für alle: Politische deutsche Gedichte Teil 4 Ferdinand Freiligrath

2020-09-29

Politische deutsche Gedichte Teil 4 Ferdinand Freiligrath

 








Die Freiheit! das Recht! 1843

O, glaubt nicht, sie ruhe fortan bei den Toten,
O, glaubt nicht, sie meide fortan dies Geschlecht,
Weil mutigen Sprechern das Wort man verboten
Und Nichtdelatoren verweigert das Recht!
Nein, ob ins Exil auch die Eidfesten schritten
Ob, müde der Willkühr, die endlos sie litten,
Sich andre im Kerker die Adern zerschnitten –
Doch lebt noch die Freiheit, und mit ihr das Recht!

– Die Freiheit! das Recht!

Nicht mach' uns die einzelne Schlappe verlegen!
Die fördert die Siege des Ganzen erst recht;
Die wirkt, daß wir doppelt uns rühren und regen,
Noch lauter es rufen: Die Freiheit! das Recht!
Denn ewig sind eins diese heiligen Zweie!
Sie halten zusammen in Trutz und in Treue,
Wo das Recht ist, da wohnen von selber schon Freie,
Und immer, wo Freie sind, waltet das Recht!

– Die Freiheit! das Recht!

Und auch das sei ein Trost uns: Nie flogen, wie heuer,
Die freudigen Zwei von Gefecht zu Gefecht!
Nie flutete voller ihr Odem und freier,
Durch die Seele selbst brausend dem niedrigsten Knecht!
Sie machen die Runde der Welt und der Lande,
Sie wecken und werben von Strande zu Strande,
Schon sprengten sie kühn des Leibeigenen Bande,
Und sagten zu denen des Negers: Zerbrecht!

– Die Freiheit! das Recht!

Ja, ihr Banner entflattert und weht allerorten,
Daß die Unbill gesühnt sei, die Schande gerächt!
Ja, und siegen sie hier nicht, so siegen sie dorten,
Und am Ende doch siegen sie gründlich und echt!
O Gott, welch ein Kranz wird sie glorreich dann zieren!
All die Läuber, die Völker im Fahnentuch führen!
Die Olive des Griechen, das Kleeblatt des Iren,
Und vor allem germanisches Eichengeflecht!

– Die Freiheit! das Recht!

Wohl ruhn dann schon manche, die jetzo noch leiden –
Doch ihr Schlummer ist süß, und ihr Ruhn ist gerecht!
Und licht an den Gräbern stehen die beiden,
Die wir ihnen auch danken – die Freiheit! das Recht!
Unterdes hebt die Gläser! Ihr Wohl, die da stritten!
Die da stritten und mutig ins Elend drum schritten,
Die das Recht uns verfochten und Unrecht drum litten!
Hoch ewig das Recht – und die Freiheit durchs Recht!

– Die Freiheit durchs Recht!


Das Lied vom Hemde 1847

Mit Fingern mager und müd,
Mit Augen schwer und rot,
In schlechten Hadern saß ein Weib
Nähend fürs liebe Brot.
Stich! Stich! Stich!
Aufsah sie wirr und fremde;
In Hunger und Armut flehentlich
Sang sie das »Lied vom Hemde«.

»Schaffen! Schaffen! Schaffen!
Sobald der Haushahn wach!
Und Schaffen – Schaffen – Schaffen,
Bis die Sterne glühn durchs Dach!
O, lieber Sklavin Sein
Bei Türken und bei Heiden,
Wo das Weib keine Seele zu retten hat,
Als so bei Christen leiden!

Schaffen – Schaffen – Schaffen,
Bis das Hirn beginnt zu rollen!
Schaffen – Schaffen – Schaffen,
Bis die Augen springen wollen!
Saum und Zwickel und Band,
Band und Zwickel und Saum –
Dann über den Knöpfen schlaf' ich ein,
Und nähe sie fort im Traum.

O Männer, denen Gott
Weib, Mutter, Schwestern gegeben:
Nicht Linnen ist's, was ihr verschleißt –
Nein, warmes Menschenleben!
Stich! Stich! Stich!
Das ist der Armut Fluch:
Mit doppeltem Faden näh' ich Hemd,
Ja, Hemd und Leichentuch!

Doch was red' ich nur vom Tod,
Dem Knochenmanne! – Ha!
Kaum fürcht' ich seine Schreckgestalt,
Sie gleicht meiner eignen ja!
Sie gleicht mir, weil ich faste,
Weil ich lange nicht geruht.
O Gott, daß Brot so teuer ist,
Und so wohlfeil Fleisch und Blut!

Schaffen – Schaffen – Schaffen!
Und der Lohn? Ein Wasserhumpen,
Eine Kruste Brot, ein Bett von Stroh,
Dort das morsche Dach  und Lumpen!
Ein alter Tisch, ein zerbrochner Stuhl,
Sonst nichts auf Gottes Welt!
Eine Wand so bar – 's ist ein Trost sogar,
Wenn mein Schatten nur drauf fällt!

Schaffen – Schaffen – Schaffen –
Vom Früh- zum Nachtgeläut!
Schaffen – Schaffen – Schaffen,
Wie zur Straf' gefangne Leut'!
Band und Zwickel und Saum,
Saum und Zwickel und Band,
Bis vom ewigen Bücken mir schwindig wird,
Bis das Hirn mir starrt und die Hand!

Schaffen – Schaffen – Schaffen,
Bei Dezembernebeln fahl!
Schaffen – Schaffen – Schaffen,
In des Lenzes sonnigem Strahl!
Wenn zwitschernd sich ans Dach
Die erste Schwalbe klammert,
Sich sonnt und Frühlingslieder singt,
Daß das Herz mir zuckt und jammert.

O draußen nur zu sein,
Wi Viol' und Primel sprießen –
Den Himmel über mir,
Und das Gras zu meinen Füßen!
Zu fühlen wie vordem,
Ach, eine Stunde nur,
Eh' noch es hieß: Ein Mittagsmahl
Für ein Wandern auf der Flut!

Ach ja, nur eine Frist,
Wie kurz auch , nicht zur Freude!
Nein, auszuweinen mich einmal
So recht in meinem Leide!
Doch zurück, ihr meine Tränen!
Zurück tief ins Gehirn!
Ühr kämt mir schön! netztet beim Nähn
Mir Nadel nur und Zwirn!«

Mit Fingern mager und müd,
Mit Augen schwer und rot,
In schlechten Hadern saß ein Weib,
Nähend fürs liebe Brot.
Stich! Stich! Stich!
Aufsah sie wirr und fremde;
In Hunger und Armut flehentlich –
O, schwäng' es laut zu den Reichen sich! –
Sang sie dies »Lied vom Hemde«.


Schwarz-Rot-Gold 1848
 


 In Kümmernis und Dunkelheit,
Da mußten wir sie bergen!
Nun haben wir sie doch befreit,
Befreit aus ihren Särgen!
Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!
Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Das ist das alte Reichspanier,
Das sind die alten Farben!
Darunter haun und holen wir
Uns bald wohl junge Narben!
Denn erst der Anfang ist gemacht,
Noch steht bevor die letzte Schlacht!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

 Ja, die das Banner ihr gestickt,
Ihr Jungfern unverdrossen,
Der weil am Feuer wir gebückt
Uns Flintenkugeln gossen:
Nicht, wo man singt nur oder tanzt,
Geschwungen sei's und aufgepflanzt! –
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Denn das ist noch die Freiheit nicht,
Die Deutschland muß begnaden,
Wenn eine Stadt in Waffen spricht
Und hinter Barrikaden:
»Kurfürst, verleih! Sonst – hüte dich! –
Sonst werden wir –  großherzoglich!«
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
Die ungeteilte, ganze,
Wenn man ein Zeughaustor erbricht,
Und Schwert sich nimmt und Lanze;
Sodann ein weniges sie schwingt,
Und – folgsamlich zurück sie bringt!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
Wenn ihr an Brockhaus' Glase
Ausübt ein klirrend Strafgericht
Ob einer Dresdner Nase!
Was liegt euch an dem Sosius?
Drauf:  in die Hofburg Stein und Schuss!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
Wenn man, statt Patronen,
Mit keiner andern Waffe ficht,
Als mit Petitionen!
Du lieber Gott: – Petitioniert!
Parlamentiert, illuminiert!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Das ist noch lang die Freiheit nicht,
Sein Recht als Gnade nehmen
Von Buben, die zu Recht und Pflicht
Aus Furcht nur sich bequemen!
Auch nicht: daß, die ihr gründlich haßt,
Ihr dennoch auf den Thronen laßt!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Die Freiheit ist die Nation,
Ist aller gleich Gebieten!
Die Freiheit ist die Auktion
Von dreißig Fürstenhüten!
Die Freiheit ist die Republick!
Und abermals: die Republik!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Die eine deutsche Republik,
Die mußt du noch erfliegen!
Mußt jeden Strick und Galgenstrick
Dreifarbig noch besiegen!
Das ist der große letzte Strauß –
Flieg aus, du deutsch Panier, flieg aus!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Zum Kampfe denn, zum Kampfe jetzt!
Der Kampf nur gibt dir Weihe!
Und kehrst du rauchig und zerfetzt,
So stickt man dich aufs neue!
Nicht wahr, ihr deutschen Jungfräulein?
Hurra, das wird ein Sticken sein!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Und der das Lied für euch erfand
In einer dieser Nächte,
Der wollte, daß ein Musikant
Es bald in Noten brächte!
Heißt das: ein rechter Musikant!
Dann kläng' es hell durchs deutsche Land:
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!

Freie Presse

Festen Tons zu seinen Leuten spricht der Herr der Druckerei:
»Morgen, wißt ihr, soll es losgehn, und zum Schießen braucht man Blei!
Wohl, wir haben unsre Schriften: morgen in die Reihn getreten!
Heute Munition gegossen aus metallnen Alphabeten!

Hier die Formen, hier die Tiegel! auch die Kohlen fach' ich an!
Und die Pforten sind verrammelt, daß uns niemand stören kann!
An die Arbeit denn, ihr Herren! Alle, die ihr setzt und preßt!
Helft mir auf die Beine bringen dieses Freiheitsmanifest!«

Spricht s, und wirft die ersten Lettern in den Tiegel frischer Hand.
Von der Hitze bald geschmolzen brodeln Perl' und Diamant;
Brodeln Kolonel und Korpus; hier die Antiqua, dort Fraktur
Werfen radikale Blasen, dreist umgehend die Zensur.

Dampfend in die Kugelformen zischt die glühnde Masse dann: –
So die ganze lange Herbstnacht schaffen diese zwanzig Mann;
Atmen rüstig in die Kohlen; schüren, schmelzen unverdrossen,
Bis in runde, blanke Kugeln Schrift und Zeug sie ungegossen!

Wohlverpackt in grauen Beuteln liegt der Vorrat an der Erde,
Fertig, daß er mit der Frühe brühwarm ausgegeben werde!
Eine dreiste Morgensitzung! Wahrlich, gleich beherzt und kühn
Sah man keine noch entschwirren dieser alren Offizin!

Und der Meister sieht es düster, legt die Rechte auf sein Herz:
»Daß es also musste kommen, mir und vielen macht es Schmerz!
Doch – welch Mittel noch ist übrig, und wie kann es anders sein? –
Nur als Kugel mag die Type dieser Tage sich befrein!

Wohl soll der Gedanke siegen – nicht des Stoffes rohe Kraft!
Doch man band ihn, man zertrat ihn, doch man warf ihn schnöd in Haft!
Sei es denn! In die Muskete mit dem Ladstock laßt euch rammen!
Auch in solchem Winkelhaken steht als Kämpfer treu beisammen!

 Auch aus ihm bis an die Hofburg fliegt und schwingt euch, trotz'ge Schriften!
Jauchzt ein rauhes Lied der Freiheit, jauchzt und pfeift es hoch in Lüften!
Schlagt die Knechte, schlagt die Söldner, schlagt den allerhöchsten Toren,
Der sich diese freie Presse selber auf den Hals beschworen!

Für die rechte freie Presse kehrt ihr heim aus diesem Strauß:
Bald aus Leichen und aus Trümmern graben wir euch wieder aus!
Gießen euch aus stumpfen Kugeln wieder um in scharfe Lettern –
Horch! ein Pochen an der Haustür! und Trompeten hör' ich schmettern!

Jetzt ein Schuß! – Und wieder einer! – Die Signale sind's Gesellen!
Hallender Schritt erfüllt die Gassen, Hufe dröhnen, Hörner gellen!
Hier die Kugeln! hier die Büchsen! Rasch hinab! – Da sind wir schon!«
Und die erste Salve prasselt! – Das ist Revolution!





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