> Gedichte und Zitate für alle: J.G.Herder: Der Theoretiker des Sturm und Drang Teil 1

2020-10-26

J.G.Herder: Der Theoretiker des Sturm und Drang Teil 1

 


Obwohl der Sturm und Drang nur eine relativ kurze Epoche  war (etwa 1765-1790) so muß ihr doch ein hoher Stellenwert zugemessen werden, da sie auf die weitere Entwicklung der deutschen Literatur eine tiefe Wirkung hinterlassen hat. Einige Dichter dieser Periode gehören zu den größten Dichtern die in der Nationalliteratur Deutschlands eine herausragende Stellung einnehmen. Das Werk von J.W v. Goethe und F. Schiller hat im Sturm und Drang ihren Ursprung und führte in der weiteren Entwicklung zur deutschen Klassik.

Zu den Wegbereitern des Sturm und Drang gehören vor allem J.G.Herder , J.H. Merck, und J.K.Lavater. Nicht unbedeutend sind auch G. Hamann und H.W.von Gerstenberg. Während Hamann sich für eine volksverbundene Dichtung einsetzte, knüpft Gerstenberg an Lessing an und setzt in seinen "Schlesischen Briefe" neue Maßstäbe für die Literaturkritik. Außerordentlichen Einfluss auf seine Zeitgenossen hatte J.K.Lavater, der in seinen "Physiognomischen Fragmenten" die Theorie aufstellt, das die Charaktereigenschaften eines Menschen an seinen Antlitz ablesbar wären. (schönes Äußeres-schöne Seele)

J.G.Herder war der führende theoretische Kopf des Sturm und Drang. Er formulierte am eindeutigsten die philosophischen und ästhetischen Standpunkte der Epoche des 
Sturm und Drang. Seine Begegnung mit Goethe 1770 in Straßburg, kann als der zündende Funke angesehen werden, der die neue Generation von Dichter entfacht. Herder hat nicht nur mit den eigenen theoretischen Schriften und seinen schriftstellerischen Werk Spuren in der deutschen Literatur hinterlassen sondern seine Verdienste um die Förderung und Entwicklung des größten deutschen Dichters, J.W.v. Goethe, hätten allemal ausgereicht, um ihn einen festen Platz in der deutschen Literaturgeschichte zu sichern. (rechts: J.G.Herder)

Herder wurde in dem kleinen ostpreußischen Städtchen Mohrungen geboren (25.08.1744) und besuchte dort die Stadtschule. 1761 lernte er in Mohrungen einen russischen Regimentsarzt kennen und ging mit diesem zusammen nach Königsberg. Als  sich herausstellte das Herder für das Medizinstudium nicht geeignet war ließ er sich in die theologische Fakultät eintragen. I. Kant und insbesondere G. Hamann beeinflussten Herder und mit letzeren blieb er das ganze Leben verbunden. 1764 übersiedelte er nach Riga wo ihn Hamann eine Anstellung besorgt hatte. Hier hielt er 1765 seine erste Predigt und nur nach kurzer Zeit war er ein geschätzter Redner auf der Kanzel. 1767 veröffentlichte er die Schrift "Über die neuere deutsche Literatur" und einer weitere literaturkritische Schrift die allerdings Fragmente blieben. Nach einem Aufenthalt in Frankreich erhielt er eine Anstellung in Hamburg wo er Lessing und M. Claudius kennen lernte. Da sein adeliger Dienstherr eine damals übliche Rundreise unternahm, folgte ihn Herder und lernte in Darmstadt seine zukünftige Frau Karoline Flachsland kennen. Auf dieser Reise traf er den in Straßburg studierenden Goethe. Dieser hatte sich entschlossen den Autor der "Fragmente" aufzusuchen und besuchte ihn in seinem Gasthof. Die Bekanntschaft mit Herder war für Goethe ein Wendepunkt seiner literarischen Ambitionen denn aus dem Munde dieses Mannes hörte er erstmalig von einer neuen Dichtung die volksverbunden, gefühlswahr und frei von aufgesetzter Geziertheit sein sollte. Hier liegt der Ursprung der ersten volksliedhaften Gedichte Goethes, den Anfängen des Fausts und seines Dramas "Götz von Berlichingen". Seit 1771 befand sich Herder in Bückeburg und war als "Hofphilosoph" beim Grafen Wilhelm von Schaumburg- Lippe angestellt. Ende 1773 reiste Herder nach Darmstadt um nun endlich Karoline von Flachsland zu heiraten. In seiner Bückeburger Zeit erschienen einige Schriften die durch Hamanns Irrationalismus beeinflußt waren indem Herder sich als religiöser Eiferer erwies. 1775 erreichte ihm ein Brief von Goethe, der bereits in Weimar ansässig geworden war, und in dem ihm das Amt eines Generalsuperintendenten angeboten wurde. 1776 siedelte Herder nach Weimar um und damit begann die fruchtbarste Zeit seines Lebens. Schnell war er mir den älteren Wieland befreundet und in dessen "Teutschen Merkur" erschien ein Aufsatz der die Bückeburger "Dummheiten" vergessen machte. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen erschienen 1797 seine "Lieder" die ab der Auflage von 1807 "Stimme der Völker in Liedern" hieß. Ab 1773 begann Herder die Arbeit an seinem Hauptwerk "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" dessen erster Teil 1784 und der vierte Teil 1791 erschien. Der Pariser Sturm den Herder begrüßte, der Herzog aber entschieden ablehnte, führte zu einer tiefen Kluft zwischen den beiden Männern. Zwar versuchte Goethe zu vermitteln scheiterte aber an der festen Haltung Herder was zu einer Trübung des Verhältnisses zu Goethe führte. Ein weiteres wichtiges Werk was in dieser Zeit entsteht sind die "Briefe zur Beförderung der Humanität" in denen Herder den feudalen Soldatenhandel und die Sklaverei in Amerika angreift. In seinen letzten Jahren ist es still um Herder geworden. Vom Hof abgeschnitten und mit Goethe nur noch einen zurückhaltenden Umgang pflegend stirbt Herder am 18.12.1803 und wird in der Stadtkirche zu Weimar beigesetzt. 

Riga war für Herder ein wichtiger Abschnitt seines Lebens. Hier entstehen erste schriftstellerische Arbeiten u.a. mit den zwei Fragmenten "Über die neuere deutsche Literatur" und den "Kritischen Wälder". Die Zeitgenossen Herders waren über das Neue in den beiden Schriften teils befremdet oder verwundert. Wieland schreibt an Zimmermann: "Haben sie je eine Kopf gekannt in welchem Methaphysik und Phantasie und Witz und griechische Literatur und Geschmack und Laune auf eine abenteuerlichen Weise durcheinandergärt?..........was noch aus ihm werden wird, ein sehr großer Schriftsteller oder ein ausgemachter Narr." In diesen beiden frühen Schriften läßt Herder schon erkennen welche neuen Ideen und Anregungen für die deutsche Literatur in ihm schlummern. (Oben: J.W.v.Goethe)

Herders große Tat war die Entdeckung der Volkspoesie. Im Jahr 1773 im Aufsatz "Über Ossian und die Lieder alter Völker" äußert sich Herder erstmalig über seine Vorliebe für die Volkspoesie. Herder bewundert die Energie und Kraft des Volksliedes und das wahre und echte Gefühle in ihrem Inhalt und Ausdruck. Er ist es der erkennt das Volkspoesie im Grunde ohne feste oder gar vorgegebene Regeln ist. "Lied muß gehört werden; gehört mit dem Ohr und der Seele, das nicht einzelne Silben allein zählt und misst und wäget, sondern auf Fortklang horcht und in ihm fortschwimmt."
Dies forderte Herder auch für die deutsche Literatur was letztendlich dazu führt das Goethe zu einigen seiner schönsten Gedichte seiner Jugendjahre angeregt wurde.  

Seine "Volkslieder, später "Stimmen der Völker in Liedern, hat seine Zeitgenossen nachhaltig beeinflußt. Das beweist die Ballade "Erlkönigs Tochter" die Goethe als Vorlage für seine "Erlenkönig" nutzte. Die Ursprung des Gedichtes "Heidenröslein" ist nicht geklärt. Es entstand um 1770 und ob Goethe die Vorlage von Herder nutzte ist nicht nachweisbar. Sicher dagegen ist, das dieses Gedicht eines der volkstümlichsten Goethes ist, und das Herder einen großen Anteil daran hatte, das sich Goethe überhaupt mit dieser Form der Dichtung beschäftigte. Ohne die Veröffentlichung seiner "Volkslieder" wären Nachfolge-Sammlungen wie z.b. "Des Knaben Wunderhorn"  kaum denkbar gewesen.

Herder hat sich im Laufe seines Lebens mit einer Vielzahl von Themen beschäftigt. Religion, Philosophie, Naturwissenschaft und Kunst, zu allem hat er sich geäußert und einige seine Schriften waren wegweisend. Als er 1803 in Weimar stirbt vollendet sich das Leben eines großen deutschen Humanisten und Anregers der einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung der Weimarer Klassik hat, die vielleicht der Höhepunkt der deutschen Nationalliteratur überhaupt ist.

Sturm und Drang: Der Hainbund Teil 2





Quellennachweis:

Sturm und Drang-Erläuterungen zur deutschen Literatur Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin 1978

Rudolf Haller: Geschichte der deutschen Lyrik vom Ausgang des Mittelalters bis zu Goethes Tod- Francke Verlag Bern und München 1967

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