1816
234. An Goethe 18.02.1816
Unsere königlichen Prinzen haben den heroischen Entschluß gefaßt, Deinen »Faust« unter sich aufzuführen und darzustellen, wie er leibt und lebt. Die Anstalten dazu sind so ins Große projektiert, daß ich fast fürchte, es wird nichts daraus, wie wir denn noch keinen Ort haben, wohin wir sein Haupt legen wollen.
Auch ich habe die Rolle des Schauspieldirektors überkommen, die ich denn mit möglichster Würde und Klarheit auszuspinnen gedenke.
Über die Zusätze, die Du dem Fürsten Radziwill im Manuskript gesandt hast, ist man hoch erfreut, und der Kronprinz lebt und webt, wie ich höre, im »Faust«, der ihn, wie ich ihn kenne, wohl anziehn kann. Mephistopheles wird vom Prinzen Karl von Mecklenburg gegeben.
Im Theater bin ich fast drei Monate lang nicht gewesen und fange seit einigen Wochen erst wieder an, einen Teil des Abends dazu anzuwenden. In der Mitte Novembers habe ich einen bösen Fall auf den linken Arm getan, daß ich ihn noch nicht wieder frei gebrauchen kann.
Unterdessen hat man die »Zauberflöte« neu besetzt und mit 12 neuen Dekorationen ausgestattet, von denen sich ihrer 4 schon ansehn lassen. Zum ersten Male habe ich den »Vielwisser« von Kotzebue gesehn, der so gut als möglich gespielt wird und auch viel Beifall findet. Das Stück ist in der Tat gut. Die »Rrüder« werden sehr gut und mit Reifall gespielt. Die »Glocke« von Schiller habe ich noch nicht gesehn.
Warum ich solange nicht geschrieben habe, davon läßt sich nichts sagen. Zeit wäre genug gewesen, Narreteien und Teufeleien aufzuschreiben, wenn man mit zum Teufel fahren wollte.
Deine drei Aushängebogen, die Du unserm Minister Schuckmann geschickt hast, habe ich mit seiner Erlaubnis und dem besten Vergnügen gelesen. Ich habe mich doppelt daran erbaut, da ich die Gegenden seit kurzem nach meiner Art kenne. Auch ich stand auf der herrlichen Terrasse in Bonn, vergaß aber leider, wo ich stand, indem ich unwillkürlich nur dahin sah, wo ich hergekommen war.
Bei dieser Gelegenheit will ich doch erinnern, daß der Wiener Nachdruck Deiner Werke, wegen Mangels, hier anfängt um sich zu greifen. Die Buchhändler verkaufen ihn meines Wissens zwar nicht, aber Bücherjuden und Trödler verbreiten ihn, und Cotta wird also wohl tun, die neue Ausgabe zu beschleunigen, wenn er nicht Schaden leiden will. Auch die vorhin genannte Aufführung des »Faust« trägt dazu bei, daß jeder seinen »Faust« entweder sucht oder sich den ersten kauft, der ihm angeboten wird. Nach einem mäßigen Überschlag, den ich soeben mache, kann der Schade, den bloß diese Gelegenheit hervorbringt, in 500 Exemplaren bestehn. Staatsrat Schultz ist brustkrank, und ich fürchte für sein schönes Leben, das er erst jetzt anfangen wollte, da man es ihm bis dahin so sauer gemacht hat.
Dr. Chladni ist hier und hat eben sein zweites Kollegium über die Akustik geschlossen. Nun wird er noch drei Vorlesungen über die Meteorsteine halten und dann von uns scheiden. Ich glaubte diesen sehr nützlichen Mann bei uns zu fixieren, doch sehe ich noch keine Anstalten dazu, da wir nicht leicht nehmen, was uns geboten wird.
Laß mich doch etwas über Deinen Frühling erfahren: wie Du ihn anfangen willst. Ich habe Lust, bei guter Zeit ins Freie und rheinwärts zu gehn.
Der Tod eurer liebenswürdigen Prinzessin hat mich aufs äußerste bewegt, sie scheint mehr gelitten als gelebt zu haben.
Schadow ist noch nicht zurück. Seine gute Aufnahme bei euch wird sehr hoch aufgenommen, und ich empfinde sie dankbar, da der brave Künstler in den letzten Jahren durch schwere Krankheit und den Tod seiner Frau wie früherhin durch die Invasion sehr gebeugt ist worden. Seine beiden Söhne sind in Rom und haben sich katholisch gemacht.
Schreib mir doch ein Wort über den »Epimenides«, ich bin höchst begierig. Was Müller davon sagen wird, kann ich mir denken. Lebe wohl, mein Einziger, und gedenke Deines
Berlin, 18. Februar 1816. Z.
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